Ich stöberte weiter durch die pergamentartigen Blätter, die seitlich vergilbt schienen. Erschreckend und neugierig zu gleich las ich sämtliche Akten durch, die nicht nur von meiner Aufnahme gemacht wurden. Sie waren alle hier in dieser Schublade, von Geburt bis zu meiner Entlassung. Die Zeit verging wirklich rasend schnell und ich stellte fest, dass Tom jeden Augenblick an unserem Treffpunkt sein musste und auf mich wartete. Ich hatte ihn jedoch bei der Anreise gesagt, dass er nach mir suchen sollte, wenn ich noch nicht da sein würde. Da er sich unglaubliche Sorgen machte, wenn ich nicht erscheinen würde. Manchmal war er schon ein Goldschatz, aber dann gab es wieder Augenblicke in denen ich ihn manchmal auf den letzten Planeten schießen möchte. Wie neulich, als ich ihm das erste Mal mit dem Traum erzählte und er sich wegdrehte und alles als eine Art Labiale abstempelte. Nur wenig Tage später, als er es in meinen Gedanken lesen konnte, wurde er darauf aufmerksam und wollte wissen, was das zu bedeuten hatte. Deswegen war ich nun hier. Alleine ohne Tom, weil ich nicht wollte, dass er mich hier rein folgte um eine Täuschung zu erfahren.
Da ich nicht zaubern konnte, durfte er sich als eine Art Taxi anbieten. Bei dem Gedanken, dass Tom fremde Menschen an verschiedenen Orten brachte, musste ich leicht auflachen. Doch ehe ich mich versah, stieß ich nebenher auf ein Bild, welches mich sehr stark an mich erinnerte. Nur wesentlich älter wie ich zu dieser Zeit gewesen war. Auf dem Bild, welches ich hier in meinen Händen hielt, konnte ich eine Frau Anfang zwanzig sehen, mit einem quälenden Lächeln und den funkelnden Augen, die ich je von einer Person gesehen hatte. Wie konnte man gleichzeitig unter Schmerzen lächeln und doch funkelnde Augen haben? Sie lag auf einem Bett mit weißen Lacken und schien nicht sehr leistungsfähig gewesen zu sein. Wer war diese Frau? Ich drehte das Foto um und erkannt keine Aufschrift, welches darauf hinwies, wer diese Frau war. Das Foto selbst war in grau gehüllt. Der weiße Rand war zackig.
Sie sah jedenfalls aus wie ich und das machte sie sicher zu meiner leiblichen Mutter. Ihre Haare waren genauso verfilzt und struppig, dass es dennoch schön aussah. Ihre Haut, warte, war das ein klitzekleiner sichelförmiger Leberfleck dort an der Schulter, bei dem waagrechtliegenden Knochenansatz? Beim genauen Hinsehen, erkannte ich die Gleichheit zu meinem Leberfleck. Das war also wirklich meine leibliche Mutter oder vielleicht war es nur ein Doppelgänger. Dann frage ich mich, wieso dieses Foto in meiner Akte war, wenn ich mit einem jüngeren Alter entlassen wurde? Wenn das nicht meine leibliche Mutter war, dann waren meine Fragen nach wie vor am Anfang meiner Reise. Weswegen erfuhr ich erst in einem Traum von meiner wirklichen Vergangenheit? Wenn es meine Mutter war, die hier wirklich verstorben war, dann wer war mein leiblicher Vater? Und was hat das alles mit mir und meiner Vergangenheit mit Maria Gryffindor zu tun?
Würde ich auch endlich erfahren, was mich mit Tom verband? Ein Patronus? Liebe? Verbundenheit? Zuneigung? Oder würde am Ende die gegenseitige Toleranz, Respekt und Verständnis überschattet von einem Jahrtausend vorhergesagter Wende? Würde die Geborgenheit, Nähe und Liebe in die unserer Welt nicht wie geglaubt existieren? Würde am Ende herauskommen, dass das keine Liebe war sondern nur Gewöhnung? Oder vielleicht auch nur der Zwang miteinander klar zu kommen? Vielleicht wurden wir gezwungen uns zu finden, obwohl es nie erlaubt war? Was bedeutet das alles nur?
Gedankenversunken blätterte ich durch die Akten. Hier musste eine Lösung meiner Probleme stehen. Allmählich verstand ich die Zusammenhänge von Waisenhaus und meinem Leben in England. Vielleicht wollte Lorena mich in England wissen, weil sie wusste, dass mein Vater dort irgendwo lebte und mir eine bessere Zukunft bescheren wollte. Nun kam es mir auch, dass ich nicht so wie meine Geschwister keinerlei Ähnlichkeit mit meinen bis dato geglaubten Eltern hatte. Sie waren wesentlich heller in der Erscheinung wie ich. Würde ich auch damit zu tun haben, dass meine Geschwister magisch waren? Vermutlich hatte ich ein Stück Magie in ihren schwangeren Körper gebracht, als ich einst gekocht hatte. Meine Gedanken kreisten wie ein Wirbelsturm in meinem Kopf, welches mich dazu brachte, das erste Mal in meinem Leben Kopfschmerzen zu bekommen. Schnell löste ich mich von der Akte und sah auf die rechte Seite um meine Gedanken wieder einmal zu sortieren. Als ich erschrocken die Akten aus den Händen gleiten ließ. Mit großen Augen sah ich die Person neben mir an und wurde auf einmal mürrisch zu müde.
„Wo ist Tom?" wollte ich aufgebracht wissen.
Mürrisch sammelte ich mein Papierkram auf und sortierte die Blätter ordnungsgemäß.
„Im Krankenhaus. Hermine wollte nicht schlafen. Sie schreit und hat sich mehrmals übergeben." gab mein Gegenüber bei.
„Wie geht es Hermine? Wann war das? Was ist passiert?"
„Tom meinte, dass der Arzt sagte, dass es nur ein nervöser Magen war. Sie hat wohl gespürt, dass du Angst hast?" zwinkerte der Schwarzhaarige mir zu.
„Kann sein."
Als ich fertig war mir aufsammeln, stellte ich mich zur vollen Größe auf und sah ihn an. Mit großen Augen fiel mir etwas noch Entsetzteres ein.
„Sag mir, dass er sich verwandelt hat und nicht als seine eigentliche Erscheinung hingegangen ist?"
„Nein, er hat sich in einen gewöhnlichen unauffälligen Muggel verwandelt."
„Gut, seine Tarnung, dass er Verschollen ist, sollte lang genug aufrecht erhalten werden." murmelte ich sicher.
„Hazelle, Tom hat mich das Bild zu kommen lassen in meinem Kopf, daher habe ich auch hierher gefunden. Doch was ist das hier? Warum bist du hier?" versuchte er sich zu orientieren.
„Dies hier ist anscheinend meine Heimat bevor ich nach England adoptiert wurde und ich die Tochter des Muggelehepaars Granger wurde."
„Adoptiert? Wie kam eine englische Familie zu diesem abgelegenen Ort?"
Balthasar besah sich all die Akten und sah wieder zu mir.
„Sie hat dort als Aushilfe gearbeitet. Anscheinend um im Ausland Erfahrungen zu sammeln, ehe sie sich für die Geschäfte meines Vaters interessierte. Sie war meine Bezugsperson. Sie schien in all der Zeit immer eine Bezugsperson gewesen zu sein. Doch ein Bild ließ mich an mein Leben zweifeln. Ein Bild, welches mir verriet, dass hinter diesen Gemäuern mehr steckte als diese Vergangenheit. Hermine ist in guten Händen, wenn sie bei Tom ist. Deswegen muss ich hier bleiben, auch wenn es egoistisch ist..."
„Aber du musst wissen, was das für Geheimnisse es sind, die hier für dich bereitliegen. Deswegen bin ich hier um dich zu begleiten. Tom hat gemeint, du sollst dich Zeit lassen, aber ich soll dich unbeschadet zurück bringen." lächelte er mich aufmunternd an.
„Danke."
So machte ich weiter mit dem Stöbern und nun wusste ich auch, dass ich bis zu meinem fünften Lebensjahr hier sein musste. Ich hielt vier Jahre meines Lebens in der oberen Abteilung der Anstalt aus. Ohne Krankheit. Ohne Verlust von Gliedmaßen. Ohne Tod. Ich wurde als lebensfähig erachtet, als ich mich prächtig entwickelte. Die soziale Ebene jedoch viel aus. Als Kind lachte oder weinte ich nie, suchte keine Nähe zu den anderen Kindern, zog mich immer mehr zurück, ließ nur meine Bezugsperson an mich. In den Akten stand geschrieben: nicht gesellschaftsfähig. Wie sollte ich ein Leben in der Gesellschaft lernen, wenn ich in keiner aufwuchs? Vermehrt kamen Bilder von meiner Kindheit in diesen Akten vor und immer mehr konnte ich eins und eins zusammen zu zählen. Ich erkannte diese Bilder, Lorena hatte sie mir immer wieder gezeigt und auch in einem Fotoalbum aufbewahrt. Schlussendlich glaubte ich, dass sie meine Adoptivmutter war. Mehr Beweise für das Geschehen gab es nicht. Die Fotos und die Unterlagen waren Indiz genug.
„Wenn wir hier fertig sind, möchte ich das Grab meiner leiblichen Mutter suchen gehen." stellte ich fest.
DU LIEST GERADE
Expecto Patronum
Hayran KurguIn der Zeit als Lord Voldemort im Aufschwung war, gehörte bereits ein Mugglestämmige namens Hazelle Maria Granger zu einer intelligenten, kämpferischen und duldsamen Hexe. Allerdings wäre vieles anders, wenn sie nie gewesen wäre. Umso bemerkenswerte...