Ass im Ärmel

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Die braunhaarige Frau mit den wunderschönen Locken lächelte sie an. „Gut geschlafen?", fragte sie, als die Platinblonde mit den gefärbten Spitzen sich auf den Stuhl ihr gegenüber plumpsen ließ. „Seh ich so aus?!", fragte sie, bissiger als gewollt und biss in das Brötchen, dass Barry wie jeden Morgen für sie rausgelegt hatte. Monicas Mundwinkel sanken nach unten und in ihren Augen bildeten sich Fragezeichen. Harley blickte sie verschlafen an. Dunkle Augenringe zierten ihr wunderschönes Gesicht. „Was ist denn los?", fragte ihre neue Freundin und schaute sie besorgt an. „Dein Mann ist los...", murmelte sie und massierte ihre schmerzenden Schultern. Es waren schon einige Tage vergangen und Jonny quälte sie jeden Tag mit Training. Training, Training, Training. Nach dem Frühstück hieß es sofort wieder: „Komm schon, Harley, deine Zielfähigkeit ist noch nicht gut genug!" -oder- „Harley, deine Muskeln trainieren sich nicht von alleine!" So nett er auch schien, er konnte ein absoluter Quälgeist sein. Dabei trainierte er sie nicht mal selbst. Monica lachte. „Das ist nicht witzig...", maulte Harley und starrte auf ihren Teller. Den Joker hatte sie seit ihrem Kuss nur ein einziges Mal gesehen. Sie waren sich im Flur über den Weg gelaufen. Er hatte ihr nur einen fast schon missachtenden Blick von der Seite zugeworfen als ob ihr kleines „Date" nie passiert wäre. Nun ja, besonders attraktiv hatte sie sowieso nicht ausgesehen. Total verschwitzt und in Sportklamotten. Kein Wunder, dass er sie nicht beachtet hatte. „Wenn man vom Teufel spricht", meinte Monica plötzlich und schaute zur Tür, die gerade wieder zu fiel. Harley machte ein mulmiges, lustloses Geräusch. „Guten Morgen, Harley! Siehst mal wieder total ausgeschlafen aus", hörte sie Jonny sagen. Der Sarkasmus war nicht zu überhören. „Na los, dein Trainer wartet schon auf dich." Harley drehte ihren Kopf in seine Richtung und warf ihm einen tötenden Blick zu. „Glaub mir, ich freue mich auf den Tag an dem ich dich rumkommandieren kann..." Jonny lächelte nur und ignorierte ihren Blick. „Also heute würde ich, wenn ich du wäre, definitiv auf mich hören." Harley nickte nur müde und hörte ihm nicht mal richtig zu. Sie stand langsam auf, ihre schmerzenden Beinmuskeln beklagten sich. „Sonst könnte es böse für dich enden, Harley." „Ich komm doch schon", murmelte sie und fing an auf die Tür zuzugehen. Muskelkater ich komme... Sie ging durch den Flur, gefolgt von Jonny. „Was machen wir heute? Ausdauer? Kampftechniken?" Sie drehte sich zu Jonny, der nur schmunzelte. „Ganz ehrlich, Harley, ich hab keine Ahnung was dein Trainer heute vor hat." „Warum nennst du Spear „Trainer"? Du nennst ihn doch sonst immer bei seinem Namen." Spencer, auch bekannt als Spear, hatte sich dazu bereit erklärt Harley alles beizubringen was sie wissen musste. Jonny antwortete nicht, sondern schmunzelte einfach weiter so vor sich hin. Harley schnaubte und schaute genervt wieder nach vorne. Bald drückte sie die große Tür zur Trainingshalle auf. Sie war komplett leer. Harley ging weiter. Sie konnte spüren, dass sie beobachtet wurde. Sie drehte sich zu Jonny. Doch er war im Türrahmen stehengeblieben und schaute ihr nur hinterher. Daher wohl das Gefühl. „Soll ich jetzt einfach nur alleine trainieren oder was?" Der Anhänger des Jokers schüttelte den Kopf. Die junge Frau schaute verblüfft in der Gegend umher. „Na gut", sie ging weiter, „Komm schon, Spear, Schluss mit den Spielchen", sie drehte sich im Kreis, „Zeig dich endlich!", sie schaute wieder zu Jonny, der sie angrinste, „Ahh, ich seh schon, das soll ein Test sein, richtig?", plötzlich hörte sie ein leises Lachen, „Spear?" Und dann sauste plötzlich ein spitzer Gegenstand an ihrem Ohr vorbei und blieb mit einem dumpfen Aufprall direkt im Herz der wie ein Mensch geformten Zielscheibe stecken. „Ich befürchte Spear ist heute nicht da, Harley", meinte plötzlich eine ihr sehr bekannte Stimme, „Er hat dir wohl noch nicht beigebracht, dass man nicht in der Schussbahn stehen sollte." Sie schaute etwas beunruhigt umher. Und dann sah sie ihn. Sie konnte ihn gerade noch erkennen, das Grinsen jedoch war nicht zu übersehen. Harley schaute wieder zur Tür. Jonny war verschwunden. Sie hörte Schritte. Und dann stand er ihr direkt gegenüber. „Morgen Puddin'", murmelte sie, etwas unsicher. Er grinste sie von oben herab an. In diesem Moment wurde Harley bewusst, dass sie sich heute kein Stück konzentrieren könnte. Vielleicht wollte er sie auch einfach nur provozieren. Er verschränkte die Arme vor seiner nackten Brust. „Ich will nur schauen wie gut du vorankommst. Immerhin ist der Anschlag in drei Tagen." Ihre Augen weiteten sich. „Drei Tage?!" Das Grinsen wurde breiter. „Ich sehe wir haben noch ziemlich viel zu tun." Und damit ging er an ihr vorbei auf die Zielscheibe zu und zog das Messer aus dessen Mitte. Harley sah zum ersten Mal den großen Drachen, der auf seinen Rücken tätowiert war. Oder was davon übrig war. Lange Narben zogen sich über ihn. Und sie wusste ganz genau woher sie kamen. Sie erinnerte sich an die Sitzung in der sie die roten Schlieren, die durch Folter, die von Dr. White beauftragt wurde, verursacht wurden, das erste Mal gesehen hatte. Und es war alles ihre Schuld. Sie schaute etwas verschämt zu Boden. „Dann zeig mir mal was du schon kannst", sagte der Joker, der ihr plötzlich wieder direkt gegenüberstand und ihr das Messer hin. Sie nahm es in die Hand und betrachtete es kurz. Der Griff war lila lackiert und ein mit Gold eingraviertes J zierte die Klinge. Eins musste man ihm lassen. Er hatte sehr viel Geld und ein ziemlich großes Ego. Es musste eine Ehre sein so etwas Teures schon in der Hand zu halten, geschweige denn durch die Gegend zu werfen. „Worauf wartest du, Harley?" Sie schaute auf, fixierte das Herz der Zielscheibe und versuchte sich an alles zu erinnern was Spear ihr beigebracht hatte. Dann holte sie aus, ließ das Messer los und traf... nur die Schulter. „Nicht schlecht, versuch mal etwas weiter links zu zielen", hörte sie den Joker hinter ihr sagen. Sie holte das Messer zurück und befolgte seinem Rat und traf... die andere Schulter. „Verdammt!" „Versuchs nochmal." Nach zehn weiteren Würfen traf sie endlich. Zwar nicht genau in der Mitte, aber sie hätte eine echte Person umgebracht. „Ha! Na endlich!" Sie drehte sich zum Joker, der sie mit verschränkten Armen angrinste. „Geht doch", er wandte sich von ihr ab, „Und jetzt greif mich an." „Was?" „Greif mich an als ob ich nicht wüsste, dass du da bist." "Aber-" "Mach was ich sage", sagte er, in einem schon viel ernsterem Ton. „Na gut..." Sie überlegte kurz, nahm dann Anlauf und sprang ihn von hinten an. Doch bevor sie ihn überhaupt berührte, spürte sie seinen starken Griff an ihrem Handgelenk und landete keine Sekunde später mit dem Rücken auf dem gepolsterten Boden. Sie schrie kurz auf. Als sie die Augen öffnete schaute sie zum Sieger auf. „Du musst schleichen, Harley, nicht stampfen." Sie schaute ihn etwas eingeschnappt an. Er grinste nur. „Na komm, versuchs nochmal." Bald landete sie zum sechsten Mal auf dem Boden und starrte mit einem Schmollmund die hohe Decke an. Der Joker bückte sich grinsend über sie. „Ich geb dir nen Tipp: Leopard." Da war sie wieder. Die Metapher mit dem Leoparden und der Gazelle. „Dann bist du die Gazelle?" Er zuckte mit den Schultern. „Wenn du es so willst." Er half ihr wieder auf. Sie würden also die Rollen tauschen. Leoparden: schnell, leise und unerwartet. Sie ließen sich Zeit, überlegten sich alles genau. Sie hatten immer eine besondere Taktik. Überraschungsangriffe waren ihre Stärke. Meister der Tarnung. Versagen – keine Option. Aufgeben – ebenfalls nicht. Sie schaute ihr Opfer an und suchte nach einer empfindlichen Stelle. Sie wollte ihm aber nicht weh tun. Sie betrachtete die Narben auf seinem Rücken. Sie wusste, dass es seine Taktik war. Sie hätte weniger Probleme damit Spear anzugreifen. Sie schaute auf ihre Füße und dann wieder auf. Sie könnte ihn austricksen. Sie könnte den Anschein machen von der Seite anzugreifen und ihn dann von hinten überwältigen. Sie machte einen Schritt, versuchte ja kein Geräusch zu machen. Noch ein Schritt und noch einer. Sie wurde immer schneller. Und dann erreichte sie ihr Opfer, rammte ihm in die Seite, legte ihn aber nicht um, sondern schlitterte schnell hinter ihn, griff nach seinen Armen und stieß ihn nach vorne. Und sie überwältigte ihn. Die kleine Quinn hatte den Joker besiegt. Die Gazelle hatte den Leoparden umgelegt. „Na also", der Joker drehte sich auf den Rücken und schaute zu Harley auf, „Geht doch." Er grinste. Harley streckte ihm die Hand entgegen. Er ergriff sie. Jedoch stand er nicht auf, sondern zog sie runter. Sie schrie auf, stolperte und landete auf ihm drauf. „Vergiss nie: Deine Gegner haben meistens noch ein Ass im Ärmel", flüsterte er ihr ins Ohr. Sie grinste ihm ins Gesicht. „Du vor allem", sie kicherte, „Und schon befinden wir uns wieder in so einer peinlichen Situation... Willst du nichts dagegen tun?" Er lächelte. „Hm... nö." Und dann spürte sie seine Lippen auf ihren.

Ooooooohooo... Harley du kleine Ratte - wikelst ihn immer wieder um deinen kleinen Finger XD

Nach langer Zeit melde ich mich endlich wieder. Tut mir Leid, dass es so lange gedauert hat... Innerhalb der nächsten Woche sollte mindestens noch ein Kapitel kommen. Hoffentlich... aber ich hab genug Ideen, deswegen sollte das hinhauen.

Emergency Exit Madness - Abgebrochen Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt