Sorgen

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Harley schlug fast automatisch die Augen auf, als sie ein ihr sehr bekanntes Lachen vernahm. Es war ihr eigenes, dass wie eine Engelsstimme durch die Atmosphäre hallte. Das grelle Licht der Sonne, die warm auf sie niederschien, blendete sie fast, als es von den weißen, fluffigen Wolken reflektiert wurde. Der Boden unter ihr war nichtexistent und doch fiel sie nicht durch den unendlich scheinenden, babyblauen Himmel. Verwirrt blinzelte sie und hob die Hand schattenspendend über die zusammengekniffenen Augen. Was sie sah löste ein warmes, wohliges Gefühl in ihrem Bauch aus und sie musste anfangen zu lächeln. Jedoch war da auch ein gewisses Verlangen danach und die Trauer, dass es wohl nie so sein würde, wie sie es jetzt gerade vor sich abspielen sah. Auf einem großen Bett, das mit reinweißen Decken und Kissen geschmückt war, saß sie in einem tiefblauen Nachthemd. Jedoch sah sie nicht aus wie Harley und doch auch nicht ganz wie Harleen. Ihre Haut war nicht mehr verfärbt, ihre Haare waren wieder so golden wie vor ihrer Verwandlung. Und doch hatte sie nicht dieselbe Ausstrahlung wie die kleine Psychologin, die sie einmal gewesen war. Der Kopf der anderen Harley lehnte an der Schulter eines Mannes, der ihr so bekannt und doch auch so fremd vorkam. Es war als ob jemand alles, was den Joker an Äußerlichkeiten ausmachte, wegradiert hatte. Die weiße Haut und dessen schwarze Verzierungen waren durch einen Ton, der sogar etwas dunkler als ihr eigener war, ersetzt worden. Die eigentlich so auffälligen, grünen Haare waren nun dunkelbraun. Sein markantes, ungeschminktes Gesicht trug ein liebliches Lächeln. An seinen Fingern glitzerte nur noch ein einziger, goldener Ring, der dem der Blondine, die auf seinem Schoß saß, sehr ähnlich sah. Seine beiden Hände hatte er vorsichtig auf ihren angeschwollenen Bauch gelegt und strich sorgsam mit dem Daumen über diesen. Harleys Herz schlug ihr bis zum Hals. Sie sehnte sich so sehr danach auch mal in dieser Situation zu sein. Doch das war nun wohl unmöglich...

Er strich ihr eine blaue Strähne aus dem Gesicht, die sich wohl dahin verirrt hatte, als er sie die vielen Treppen hoch in ihr Zimmer getragen hatte. Das übergroße Krankenhaushemd klebte verdreht an ihrem wunderschönen Körper. Seufzend zog er an den Schleifen in ihrem Nacken und an ihrem Rücken, die das Stück von weißgrünem Stoff zusammenhielten. Vier gelbleuchtende Augen überwachten jedes seiner Bewegungen von eines der dunklen Ecken des Raumes aus. Harleys Haustiere hatten sich sofort verkrochen als sie bemerkt hatten, wer da ihr Frauchen nach Hause gebracht hatte. Sie hatten großen Respekt vor ihrem Retter und doch galt dasselbe andersherum. Harleys wunderschöne, blasse Haut schimmerte fast etwas in dem goldenen Licht ihrer Nachttischlampe. Ihre sonst immer so glücklich und frech lächelnden, grinsenden oder lachenden Lippen hatten sich leicht geöffnet, bildeten aber sonst nur einen nichts aussagenden, etwas traurig wirkenden Strich aus. Er zog ihr schnell ein rotes Nachthemd, das er auf dem Sessel neben dem weißen Sofa gefunden hatte, über, wobei er die lange, rote Wunde neben ihrem Hüftknochen nicht übersah, und bedeckte dann ihren schlaffen Körper mit der Decke, die zurückgeschlagen am Fußende des Bettes gelegen hatte. Der Grünhaarige setzte sich, als er sich sicher war, dass auch wirklich nichts weiter noch fehlte, neben sie auf die weiche Matratze. Er wusste nicht wie lange er in ihr unbewegtes Gesicht starrte, es fühlte sich an wie Ewigkeiten. Und er erwachte erst aus seiner Trance, als er spürte wie etwas Schweres und doch Leichtfüßiges auf das Bett sprang. Überrascht war er nicht, als er sah wie eines der Hyänen zu seiner geliebten Harley rüber schlich und sie fragend und besorgt mit der Schnauze anstupste. Sie rührte sich nicht. Das Tier gab ein seltsam klingendes Quieken von sich und wandte dann seinen Blick dem Verbrecher zu. Der Joker schaute nicht weg, auch wenn diese großen, grünen Augen fast etwas einschüchternd waren, denn er wusste dass das auch im Tierreich Schwäche zeigte. Bud oder Lou, er konnte die beiden noch nicht unterscheiden, schnaubte kurz nach einer Weile und legte sich dann neben Harley, schmiegte sich eng an sie, atmete noch ein letztes Mal laut und rasselnd aus und schloss dann die Augen. J beobachtete die Hyäne noch eine Zeit lang bis er seinen Blick wieder Harley zuwandte. Das nächste Mal, das er sich nach ihren Haustieren umschaute, lag das andere neben ihm auf dem Teppich und guckte fast etwas unschuldig zu ihm hoch. Beide wirkten fast eher wie Hunde, nicht wie wilde Biester, in der Gegenwart ihres Frauchens. Er konnte nicht anders als kurz zu lächeln, als ihm klar wurde, dass sie sich wahrscheinlich genauso viel um sie sorgten, wie er es tat. Doch die kurze Idylle wurde durch ein schnelles Klopfen an der Tür unterbrochen. Seufzend stand der Superschurke auf und öffnete den weißen Eingang zu Harleys Zimmer. Die, die davor stand, hatte er nicht erwartet. „Du schon wieder?", fragte er und übersah nicht den unschuldig wirkenden Blick des bärtigen Anhängers hinter der vor ihm stehenden Person, der fast dem der einen Hyäne glich. „Ja, ich schon wieder", sagte der Rotschopf mit einem leicht frechen Unterton, doch dieser änderte sich schnell, als sie weitersprach, „Ich wollte nur wissen wie es Harley geht." J war kurz davor die Augen zu verdrehen als sich plötzlich etwas Starkes, Felliges an ihm vorbei schob und den Besuch mit schiefgelegtem Kopf beäugte. Dr. Isleys Augen wuchsen kurz zu doppelter Größe, als sie das Tier neben dem Superschurken im Türrahmen stehen sah. „Was ist das denn?!", rief sie fast und hüpfte einen Schritt zurück, um so weit weg von diesem Biest mit scharfen Zähnen zu kommen wie nur möglich. „Der gehört Harley", meinte er und musste grinsen mit dem Gedanken an die Abscheu, die die Pflanzendame gegen fleischfressende Tiere hegte, „Das ist übrigens nur einer von zweien. Willst du trotzdem kurz reinkommen?" Er deutete ins Zimmer hinter ihm, das Grinsen verschwand keine Sekunde lang von seinen rubinroten Lippen. Ivys Augen hüpften zwischen ihm und der hechelnden Hyäne hin und her. Er konnte ihr Schlucken schon fast hören. Sie zögerte. „Für Harley", flüsterte sie, schüttelte ihren Kopf kurz um ihre Gedanken frei zu bekommen und stolzierte dann an dem Joker und dem Monster vorbei, ohne ihnen dabei nur einen Blick zu würdigen. Das andere schaute von hinter der ausgeknockten Verbrecherin empor, sobald die Tür wieder geschlossen wurde. Doch die beiden Raubtiere waren viel zu beschäftigt damit zu versuchen ihr Frauchen zu wecken, dass sie die anderen zwei Anwesenden fast nicht beachteten. Pamela traute sich deswegen natürlich nicht besonders nahe an ihre Freundin, doch man hätte an ihrem Gesichtsausdruck auch schon so ihre tiefe Sorge erkennen können. „Geht es ihr gut?", fragte sie und störte damit die kurze Stille, die sich auf den Raum niedergelassen hatte, sobald sich die Hyänen wieder beruhigt und hingelegt hatten. Der Joker, der neben ihr stand, betrachtete den Rotschopf kurz von der Seite. „Den Umständen entsprechend", antwortete er ihr nach einer Weile und setzte sich in Bewegung, um seiner Harley wieder näher zu sein. Er konnte hören wie dessen Freundin ihm langsam folgte, vorsichtig nicht zu laut aufzutreten, aus Angst davor die Aufmerksamkeit der Biester zu erregen. „Es ist komisch zu denken, dass dieses Zimmer eigentlich meins sein sollte...", murmelte sie, als sie wieder neben ihm stand und die unbewegte, junge Frau unter der Bettdecke mit einer Sorgenfalte im Gesicht betrachtete. Daraufhin warf ihr der Joker einen so giftigen Blick zu, dass man hätte behaupten können, dass dieser einem wirklich den Tod bringen konnte. Pamela konnte sich glücklich schätzen, dass ihr das nicht aufgefallen war. Seine Gedanken wurden in diesem Moment schon wieder so durcheinander gewürfelt und plötzlich zurück katapultiert in eine Zeit vor dem Joker. Von außen sah es so aus als ob er ganz ruhig einfach nur die friedlich schlafende Schönheit vor ihm anstarren würde, doch innen drin herrschte das reinste Chaos. Natürlich musste diese Frau wieder hier aufkreuzen und alles durcheinander bringen... Dafür war Harley zuständig, niemand anderes! Er wollte sie ein für alle Mal vergessen, und das hatte er während sie noch ihr Versprechen, nie wieder ein Auge aufeinander zu legen, eingehalten hatten, aber jetzt klopfte da schon wieder diese andere Persönlichkeit an seinem Schädel und erinnerte ihn an sie. „Aber ich bin froh, dass es nun Harley gehört", hörte er sie plötzlich sagen und damit fanden seine Gedanken wieder ihre alte Ordnung. „Ich auch", antwortete er mit Nachdruck, ohne sie dabei jedoch anzuschauen. Es herrschte eine kurze Stille, nur die lauten Atemzüge der zwei Haustiere der Frau, um die es doch eigentlich gehen sollte, waren zu hören. „Ich- ich glaube ich sollte gehen." Die Pflanzendame wandte sich vom nun wohl berüchtigtsten Verbrecherpaars Gotham Cities ab und lief schnellen Schrittes auf die große, weiße Tür zu. Er war ein Schurke, also hätte ihr doch auch klar sein müssen, dass er so mit Gefühlen umgehen würde. Sie fragte sich, ob er auch so mit Harleys Gefühlen spielte, aber sie war anders, besonders. Sie wünschte sich, dass sie sich doch an ihr Versprechen gehalten hätten, und sich nie wieder gesehen hätten. Doch dafür war es jetzt wohl zu spät. Sie wusste, dass sie sich beide verändert hatten, dass die Persönlichkeiten, die sie nun die meiste Zeit trugen, jeweils den anderen eigentlich verabscheuten. Doch wenn sie zu viel Zeit miteinander verbrachten, tauchten die Seiten ihrer selbst auf, die damals dafür gesorgt hatten, dass sie sich nun in dieser Zwickmühle befanden. Von nun an würde sie sich an dieses Versprechen aus ihrer Vergangenheit halten, damit Situationen wie diese eben für immer vermieden werden konnten. Harley gehörte zu ihm, niemand anderes, und niemand würde jemals ihren Platz an seiner Seite einnehmen. Und sie wollte das ja auch nicht mehr, nur die Erinnerung an damals ließ sie daran denken, wer sie einmal für ihn gewesen war. Es war eigentlich viel zu kompliziert, um es erklären zu können. Und Harley war die einzige Freundin, die sie noch hatte. Sie wollte ihre Freundschaft auf jeden Fall nicht ruinieren, also durfte diese niemals von dem, was vor mehreren Jahren passiert war, erfahren.

Emergency Exit Madness - Abgebrochen Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt