Rot

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Die Geistergestalt in Form einer sehr blassen, blonden Frau lachte während sie mit dem kleinen Mädchen durch den grünen, blühenden Garten der Kinderpsychiatrie rannte. Sie war die meiste Zeit jetzt schon hier gewesen seit dem sie das letzte Mal eingeschlafen war, mal war der Bruder ihrer süßen Freundin da, manchmal sogar mit Jean, mal saß sie nur mit Jamie in deren weißen, leeren Zimmer. Trotz der ganzen Freude hatte sie die dunkle Realität, in der sie nun wahrscheinlich bewusstlos oder sogar tot irgendwo lag, nicht vergessen. Sie hoffte so sehr, dass ihr geliebter J die ganze Zeit an ihrer Seite saß, betend, dass sie bald aufwachen würde. Doch das war wohl eher nicht der Fall, immerhin hatte er viel mehr zu tun als nur in ihr lebloses Gesicht zu starren. Sie wusste, dass er den alten Idioten namens Pinguin umgebracht hatte, jedoch erinnerte sie sich auch an die fast leuchtenden, weiß-blauen Augen des Jokers. Die hatte sie noch nie gesehen, nicht einmal als er ganz wütend auf irgendwen anderes war. Vielleicht hatte es irgendwas mit seiner Vergangenheit zu tun, die sie noch nicht entdeckt hatte. Vielleicht würde sie bald davon ihren Träumen mehr erfahren. Doch seine letzten Worte, die er in diesem Traumabschnitt gesagt hatte, war das was sich tief und fest in ihr Gehirn gefressen hatte. Er liebte sie wirklich, sogar mehr als alles andere auf dieser grauenhaften Welt. Das hatte er selbst gesagt und nun waren ihre Zweifel für immer verschwunden. Jedenfalls solange sie träumte, denn an das, was während ihres Schlafs passierte, konnte sie sich nach dem Aufwachen ja nicht mehr erinnern. Sie blieb stehen und schnappte nach Luft während das kleine Kind weiter rannte. Nach ihrem ersten Abstecher in das Haus der Geschwister, als deren Vater beide fast umgebracht hätte, hatte sie sofort Jamie gefragt seit wann sie denn Geister sehen konnte. Sie berichtete ihr von genau diesem Ereignis. Also war sie wirklich der erste Geist, den das Mädchen gesehen hatte. Und durch ihren grausamen Vater war sie so sehr mental erkrankt. Auch an ihm hatte sie sich geschworen für ihre kleine Freundin Rache zu nehmen. Dr. White, diese alte Tante, würde sie auch bald aufsuchen, sobald sie sich an alles erinnern konnte. Das könnte allerdings noch eine Weile dauern... Jamie blieb stehen und schaute über ihre Schulter, zurück zu Harley. Lächelnd hüpfte sie auf sie zu und setzte sich dann neben ihr auf den steinernen, sonnenbeschienenen Weg und klopfte neben sich auf den Boden, eine Geste um der Verbrecherin zu signalisieren sich hinzusetzen. Und das tat sie auch. Versteckt hinter einem hohen Busch, konnten sie miteinander sprechen, ohne fragwürdig aufzufallen. „Ich sehe was, was du nicht siehst und das ist rot", sagte die kleine Brünette und grinste. Harley schaute sich um, bis ihre Augen auf die roten Rosen fielen, die die Bank umgaben, auf der Jack und Jean saßen und miteinander redeten. „Die Rosen?", fragte sie und zeigte in die Richtung. Jamie schüttelte den Kopf. Weiter suchend blickte sie sich im Garten um. „Die roten Blätter auf dem Boden?" „Nein." Sie riet weiter, bis sie das richtige fand, ein rotes Auto, das auf dem Parkplatz stand. Gerade als sie sagen wollte „Jetzt bin ich dran", fing ihre Sicht an langsam zu verschwimmen. „Oh je, ich glaube ich muss gehen...", sagte sie traurig. Leise hörte sie noch die zuckersüße Stimme ihrer Freundin betteln: „Nein, bitte bleib doch!", bevor alles wieder schwarz wurde.

Sie erwachte auf dem hölzernen Parkettboden eines ihr bekannten Zimmers. Die Wände türkis gestrichen, ein kleines Bett in der einen Ecke, ein vergleichsweise großer Schrank in der anderen. Jedoch war das Bett leer und keine Decke und auch kein Kissen schmückten es, nur eine blanke, weiße Matratze. Verwundert stand sie auf und blickte sich weiter um. Das Fenster stand offen und die blaue, lange Gardine wehte etwas in dem leichten Wind hin und her. Es lagen keine Spielzeuge mehr rum, keine Kuscheltiere, auch das Mobile, an das sie sich erinnern konnte, hing nicht mehr an der Decke. Der Raum war vollkommen leer geräumt, nur die größten Möbel waren noch vorhanden. Was war hier passiert? „Jamie?", sagte sie leise und vorsichtig. Keine Antwort, wie sie erwartet hatte. In dem Moment fiel ihr auf, dass die Tür sperrangelweit offen stand. Sie beschloss, leise hindurch zu gehen. Auf dem Weg zur Küche lief sie an einer anderen, weit offen stehenden Tür vorbei. Sie erhaschte einen Blick. Noch ein Schlafzimmer, ebenfalls vollkommen leer geräumt. War das nicht Jacks Zimmer gewesen? Schweren Herzens, das Schlimmste befürchtend, fand sie sich bald in der Küche vor. Hier sah es leblos aus, nur das eine, schwach leuchtende Licht brannte über dem Tisch, auf dem mehrere leere und volle Flaschen standen. Bier, Wein, Whiskey und andere starke Spirituosen. Sowas würde Jack doch nicht einfach so rumstehen lassen, oder? Sie tapste um den Küchentisch rum, Ausschau nach irgendwas Aussagendem haltend, als sie plötzlich ein leises Schluchzen hörte. Schnell wandte sie sich der hölzernen Tür des Wohnzimmers zu. Auch diese war offen. Schnell ging sie darauf zu und spähte in den dunklen Raum. Dort saß jemand auf dem braunen Ledersofa, den Kopf in die eine Hand gestützt. Auf dem niedrigen Kaffeetisch standen ebenfalls mehrere Flaschen von leergetrunkenen alkoholischen Getränken. Als sie näher trat, erkannte sie nicht den jungen Mann, den sie erwartete hatte, in der Gestalt wieder, sondern jemanden, dem sie überhaupt nicht über den Weg traute. Die schulterlangen blonden Haare fielen fettig auf die starken, breiten Schultern und den Bart konnte sie ebenfalls leicht hinter der großen Hand erkennen. Die Narbe, die seine eine Augenbraue spaltete, war hinter seinen Fingern versteckt. Der Vater der Geschwister. Was machte der hier? Jack hatte ihm doch verboten hier aufzukreuzen! Harley schluckte. Es gab so viel, das vielleicht passiert war. Sie wusste nicht einmal, wie viel Zeit vergangen war. Vielleicht war Jack mit seinem Studium fertig und war mit seiner kleinen Schwester weggezogen? Aber darüber würde dieser Typ sich doch nicht die Augen ausheulen. Es musste etwas Schreckliches passiert sein... Aber was? Angst fing an durch ihre Adern zu sprudeln, überflutete ihren ganzen Körper und brachte ihn zum Zittern. Sie wusste, dass Jack lebte, in der Gestalt des Jokers, aber was war mit Jamie? Die schlimmsten Szenarien huschten ihr durch den Kopf, als ihre Füße sich plötzlich selbstständig machten und sie zurück in die Küche marschierten. Um den Tisch herum, in der Ecke in die sie noch nicht geguckt hatte. Sie blickte sich um. Sie sah nichts, und doch blieben ihre Füße starr auf diesem Punkt stehen. Sie versuchte sie zu bewegen, doch vergeblich. Frustriert warf sie ihnen einen wütenden Blick zu. In dem Moment gefror ihr ganzer Körper zu Eis. Salzige Tränen fingen an ihr in die Augen zu steigen, während sie vor sich auf den Boden starrte. Dort auf den weißen Fliesen, direkt vor ihren Füßen, zeichnete sich etwas wie ein grausames, dunkles Gemälde aus. Ein großer, hervorstechender, roter Fleck.

Sie erwachte ganz plötzlich, schlug die Augen mit einem Ruck auf. Und fing an zu schreien. Sie wusste nicht warum, aber sie schrie sich die Seele aus dem Leib. Sie hatte nicht bemerkt, dass sie sich in dem ganzen Prozess schnurstracks gerade aufgesetzt hatte. Ein stechender Schmerz fuhr wie ein spitzes Messer durch ihren ganzen Unterleib, was sie nur noch lauter aufschreien ließ. Plötzlich ergriffen zwei Hände jeweils eines ihrer Arme und zwangen sie zurück auf die Matratze. Strampelnd versuchte sie sich zu befreien, was den Schmerz nur noch schlimmer machte. Jemand griff nach ihren Knöcheln und drückte auch diese fest runter. Sie spürte, wie etwas um sie gelegt wurde, eins um ihren Bauch, eins um ihre Beine, eins um ihre Knöchel und jeweils um ihre Handgelenke, bis sie sich nicht mehr bewegen konnte. Plötzlich stach ihr etwas in die Schulter. Nochmals kreischte sie kurz auf, bevor plötzlich etwas Beruhigendes in ihr Blut gelang und durch ihre Adern floss, wie eine warme Hand, die ihr über den Rücken streichelte. Keine Minute später konnte sie sich endlich konzentrieren und schaute sich um. Sie starrte in drei halb maskierte Gesichter, die Augen über dem Mundschutz starrten kalt zurück. „Wo bin ich?", fragte sie zögernd und versuchte ihre Hand zu heben, um ihren schmerzdurchzogenen Unterleib abzutasten, doch bekam diese nicht los. Sie schaute ihren Arm hinab und bemerkte, dass eine weiche Fessel um ihr Handgelenk gelegt war. Sie war an das Bett gebunden... Sie war definitiv nicht zu Hause. „Was habt ihr mit mir gemacht?!" „Gotham Hospital, Harleen Quinzel." Und damit wandten sich die drei Gestalten von ihr ab und wanderten aus ihrem Sichtfeld. Harleen Quinzel?! Sie hatte ihren richtigen Namen schon fast vergessen... Wieder schaute sie sich um, jedenfalls so weit sie konnte. Das hier sah sehr wie ein Krankenhaus aus. Alles weiß, kein einziges farbenfrohes Etwas irgendwo. Sie ließ sich wieder auf das Krankenhausbett fallen und starrte die reinweiße Decke an. Das letzte Mal, dass sie in einem Krankenhaus gewesen war, war sie noch die kleine Psychologin gewesen, kurz davor dem Joker nachzujagen. Das war direkt nach dem Ausbruch ihres Geliebten aus dem nun nicht mehr stehenden Arkham Asylum gewesen. Bei dem Gedanken musste sie fast schmunzeln, was jedoch gleich wieder von ihrem Mund fiel, als sie ihrer Lage bewusst wurde. Sobald sie gesund genug wäre, würde man sie zum Blackgate abtransportieren. Sie wollte nicht in einer kleinen Zelle vor sich hin rotten! Panisch schaute sie sich um, versuchte so schnell wie möglich sich irgendeinen Fluchtplan auszudenken. Doch ihre Gedanken wurden durch das Öffnen einer Tür unterbrochen. „Sie ist wach, Frau Isley, aber seien Sie vorsichtig." „Natürlich, Doktor Harnslet, machen Sie sich keine Sorgen um mich." Harleys Kopf schnellte in die Richtung der Stimmen. Ihre Augen weiteten sich mit Freude, als sie den Rotschopf erblickte. Immerhin ein bekanntes Gesicht. Vielleicht konnte sie ihr erklären, warum sie denn hier war und nicht zu Hause bei ihrem Puddin'. „Ich denke Sie sollten ihr die schlechte Nachricht sagen", meinte der Arzt noch, bevor er verschwand und die Pflanzendame alleine stehen ließ. Verwunderung und Angst flogen der Verbrecherin übers Gesicht, als Pamela auf sie zu ging, sich einen weißen Hocker heranzog und sich neben ihre Freundin setzte. „Was für eine schlechte Nachricht?", fragte diese, nachdem sie sich einige Sekunden angelächelt hatten. Die Freude in Ivys Augen verfiel plötzlich und Trauer und Sorge nahmen ihren Platz ein. „Was ist es, Pammy?", fragte sie noch eifriger, mehr Angst in ihrem Blut. „Die Verletzung weshalb du hier bist...", murmelte ihre Freundin und umgriff die grüne Handtasche, die auf ihrem Schoß lag, noch fester. „Was ist damit?" „Das Messer hat deine Gebärmutter so durchtrennt, dass...", sie zögerte und schaute auf den Boden. Harley ahnte schon fast, was als nächstes aus ihrem Mund kommen würde... Sie versuchte tief in sich irgendwo etwas Hoffnung zu finden, dass sich ihre Befürchtungen nicht bestätigen würden, aber sie fand keine. „Harley, es tut mir so leid...", die warme Hand der Pflanzendame griff nach dem gefesselten Arm der Verbrecherin, ein Versuch sie zu trösten, „Du bist unfruchtbar..."

... Hasst mich ruhig, wenn ihr wollt.

Ich habs endlich mal geschafft nach einer Woche gleich wieder hochzuladen, ich hoffe ich kann das so in etwa beibehalten :) 

Süße Träume :D

Emergency Exit Madness - Abgebrochen Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt