Drache

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Goldene Lichtstrahlen fielen auf den kleinen Garten. Der Himmel war mit orangenen, pinken und lila Wolken geschmückt und versperrten die Sicht auf die untergehende Sonne. Ein hohes, glockenähnliches Lachen schallte durch die warme Abendluft. Ein kleines Mädchen hüpfte die steinernen Wege entlang, die Hände nach den bunten Blumen und grünen Sträuchern ausgestreckt. Es blieb stehen, als sie die blasse, geisterhafte Gestalt einer jungen Frau unter einer hohen Weide stehen sah. Lächelnd wank sie ihr zu. „Hallo Harley", sagte sie leise, als sie bei ihr angekommen war. Die Blondine lächelte zuckersüß. Doch sie antwortete nicht, denn ihre Aufmerksamkeit wurde auf etwas anderes gezogen. Sie richtete den Blick auf eine Bank, umgeben von wuchernden, roten Rosen, blühend wie die Wangen der zierlichen Gestalt, die dort neben einem jungen Mann saß. Ihre Nasen berührten sich fast, ihre Augen waren geschlossen. Wären sie offen, würden sie glitzern wie die Sterne, die in ein paar Stunden den Himmel schmücken würden. Jamie strahlte sie an, wie die Mittagssonne an einem heißen Sommertag. „Hab ich was verpasst?", flüsterte Harley, als sich die Lippen der beiden Chemie-Studenten trafen, dieses Mal freiwillig. „Du hast mich schon drei Wochen nicht besucht...", murmelte Jamie leise, „Die beiden haben sich nicht sehr oft gesehen, erst heute wieder." Die Schurkin musste grinsen. „Sie scheinen sich aber ganz schön vermisst zu haben." Sie beobachtete, wie Jacks Finger durch das weiche, dunkelblonde Haar von Jean kämmten. Als ihre Lippen sich voneinander lösten, erschien ein wunderschönes Lächeln im Gesicht der jungen Studentin. Sie konnte nicht hören was sie sagte, doch sie wusste ganz genau, dass es liebevolle, vor Liebessucht triefende Worte waren, die da aus ihrem Mund kamen. „Ich kann jetzt übrigens an den Wochenenden nach Hause." Die kindliche Stimme des kleinen Mädchens neben ihr, riss sie aus ihren Gedanken an ihren Liebsten. Sie blickte auf sie hinab, ein kleines Grinsen auf ihren blassrosa Lippen. „Das ist wunderbar", sagte sie und hockte sich neben Jamie auf die gefallenen, braunen Blätter, „Ich komme dich dann mal besuchen." In dem Moment spürte sie plötzlich eine bestimmte Leichtigkeit, die sie schon oft genug vernommen hatte. „Bis später", flüsterte sie noch schnell, bevor ihre Sicht verschwamm und die grünen, bunten, frühlingshaften Farbtöne zu einem hellen Blau und Türkis überliefen. Sie schaute auf den Boden, der nun langsam wieder scharf wurde. Die verrotteten Blätter wurden von einem hölzernen Parkettboden ersetzt. „Harley?", hörte sie jemanden sagen. Sie schaute auf, blickte sich um, ließ ihre Augen das kleine Zimmer abscannen. Bis sie auf das brünette Mädchen fielen, das unter einer grünen Decke mit Abbildungen von Eulen mit kugelrunden, riesigen Augen lag. Sie sah so aus, als ob sie gerade erst von ihren Träumen erwacht war. „Hallo Jamie", flüsterte sie und lächelte, bevor sie sich aufrichtete. Das hier war wohl das richtige zu Hause ihrer kleinen Freundin. Doch bevor sie noch was sagen konnte, wurde die Tür hinter ihr geöffnet. Die Schurkin drehte sich abrupt auf der Verse um. Der große Bruder des verschlafenen Kindes betrat den Raum. Er war um einiges größer als Harley, die braunen Haare hingen zu einer Seite runter und seine blauen Augen waren überschattet und müde. Jedoch war das Erste, was ihr an ihm auffiel, die lange Narbe an seinem Schlüsselbein. Sein blanker, durchtrainierter Oberkörper sah ansonsten makellos aus, nicht so wie der ihres Puddin's, mit Tattoos geschmückt und von Narben zerrissen. „Kommst du frühstücken?", fragte er, seine Stimme klang rau. Seine Schwester nickte langsam, bevor sie, fröhlich wie sie war, aus ihrem Bett hüpfte, das reinweiße Nachthemd glatt strich und auf ihn zu tapste. „Ist Jean noch da?", fragte sie leise, als sie an ihm vorbei lief, durch die offene Tür. Er lächelte. Dieses Lächeln... das hatte sie doch schon mal gesehen. „Ja, ist sie." Er drehte sich um und folgte ihr. In dem Moment lief Harley ein Schauder durch den ganzen Körper. Sie betrachtete seinen Rücken mit aufgerissenen Augen. Ein Drache aus schwarzer Tinte, den sie sonst nur in Stücken sah, schlängelte und wand sich dort über seine Haut. Sie konnte ihre Entdeckung jedoch nicht vollkommen verinnerlichen, denn ihre starren Füße setzten sich plötzlich in Bewegung. Ihre Gedanken rasten als sie ihnen hinterherlief, in eine Küche. Wie konnte das möglich sein?! Wie hatte sie das nur übersehen?! Jetzt wo sie es wusste, konnte sie die Ähnlichkeit in den Gesichtszügen des Chemie-Studenten und des Jokers ganz klar sehen. Jack war der Joker. Oder würde es noch werden. Das erklärte auch das Bild, dass sie im Büro ihres Geliebten gefunden hatte. Doch was würde passieren müssen, damit er zum gefürchteten, verrückten, grinsenden, lachenden König von Gotham werden würde??? Angst sprudelte durch ihre Adern, als Jamie auf einen der hölzernen Stühle kletterte, die Ellenbogen auf den Tisch stützte und verträumt die junge Frau betrachtete, die ihr gegenübersaß. Wo war Jean in der Realität? Wo war Jamie in der Realität??? Tränen voller Panik fingen an über ihre Wangen zu kullern, als Jack sich neben Jean setzte und ihr einen kleinen Kuss auf die Wange drückte. Was würde passieren? Was würde passieren? Was würde passieren? Was würde passieren???

Sie schreckte kreischend auf und fing an zu weinen. Warum weinte sie? Sie wusste es nicht. Sie spürte wie die großen Pfoten ihrer Haustiere über ihre Beine kletterten. Schluchzend streichelte sie durch ihr getüpfeltes Fell. Bud fing an die salzigen Tränen von ihren Wangen zu schlecken. Lou legte sich neben sie und schaute sie mit ehrfürchtigen, großen, braunen Knopfaugen an. Die Panik in Harleys Blut ebbte langsam ab. Und sie fing an zu kichern, während die raue Zunge der Hyäne ihre Haut kitzelte. Jedoch war ihr noch immer unklar, warum sie so panisch war. Es war wahrscheinlich nur ein Traum, an den sie sich mal wieder nicht erinnern konnte. Anscheinend war der Inhalt nicht so besonders erfreulich gewesen. Es war aber definitiv kein Traum vom Ertrinken gewesen, denn an die erinnerte sie sich immer. Sie ließ sich wieder auf das weiche Bett fallen und starrte die weiße Decke an. Die Hyänen folgten ihr und kuschelten sich an sie, jede an eine Seite. Jedoch verließ der Gedanke an den geheimen Traum Harleys Kopf nicht. Warum war sie so panisch gewesen? Warum hatte sie geweint? Sie würde es wohl nie wissen. Es konnte aber nichts Gutes gewesen sein...

Es ist 2 Uhr Nachts... Das passiert, wenn man so spät immer die Kreativität in Gang kriegt... Gute Nacht.

Emergency Exit Madness - Abgebrochen Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt