Es war komisch, die Universität wieder zu sehen. Ich erinnerte mich zwar wieder an meinen ersten Besuch, doch etwas verschwommen waren manche Bilder noch immer. Es fühlte sich an, als hätte ich alles nur geträumt.
„Ab hier gehe ich alleine.", sagte ich und drehte mich zu Harry. Er hatte die Hände in seinen Hosentaschen vergraben und sah mich mit unschuldigen Blick an.
„Soll ich dir schreiben, wenn ich fertig bin?"
„Ist sicher das einfachste.", sagte Harry. Er sah nicht wirklich glücklich aus, doch ändern konnte ich das momentan nicht wirklich.
„Dann bis später.", sagte ich und drehte mich zum gehen. Kurz und schmerzlos wollte ich es halten, doch Harry durchkreuzte meine Pläne. Er griff nach meinem Arm und zog mich dann in eine feste Umarmung. Als ich das realisierte, legte ich meine Arme um ihn und genoss den Moment.
„Vertraue deinem Herzen. Höre auf deinen scharfen Verstand und mach, was du für dich für richtig hältst.", flüsterte Harry. Er küsste mich auf den Kopf und ließ mich dann gehen. Ich lächelte noch ein letztes Mal und machte mich dann auf den Weg in die Universität.
Harrys Worte sollten mir Sicherheit geben, trotzdem ich war mehr als nervös, als ich das Universitätsgebäude betrat. Zum Glück wartete das Empfangskommitee in der Eingangshalle auf mich.
„Mary-Jane.", begrüßte Professor Brigley mich.
„Was für eine Ehre Sie hier erneut willkommen heißen zu können. Wie war Ihr Flug?", fragte er. Ich schüttelte seine Hand und folgte ihm dann die Treppen hinauf.
„Sehr gut. Ich freue mich sehr, wieder hier zu sein und zu erfahren, wieso Sie mich hierher fliegen lassen haben.", sagte ich lächelnd. Er erzählte etwas über das geplante Literaturprogramm, bis wir ein Büro betraten, in dem Tee und Kekse auf uns warteten.
„Setzen Sie sich doch." Ich folgte seiner Bitte und nahm an dem großen Schreibtisch Platz.
„Tee?", fragte er.
„Sehr gerne." Der Professor goss mir eine Tasse ein und faltete dann seine Hände auf dem Tisch.
„Ich denke, Sie möchten gerne gleich zum Beruflichen kommen?" Ich nickte und stellte meine Tasse ab.
„Na schön. Wie Sie bereits der E-Mail entnehmen konnten ist das hier so etwas wie ein Jobangebot. Hierbei geht es jedoch nicht darum, dass wir Sie als weitere Professorin einstellen möchten. Wir möchten das Literaturprogramm dieser Universität nicht bloß erweitern, sondern revolutionieren. Es soll vom Grundbaustein neu aufgebaut werden und dabei möchten wir Ihre Hilfe. Sie sind jung und erfolgreich und nach Ihrem letzten Besuch hatten ausschließlich positive Resonanzen. Wenn Sie sich dafür entscheiden, Teil dieses Projektes zu werden, können wir über jegliche Bedingung verhandeln. Es liegt in unseren Händen, die Literatur voran zu bringen und ich würde mich sehr freuen, wenn Sie Teil davon werden würden, um an meiner Seite den Studienbereich zu leiten."
Sprachlos sah ich den Professor an.
In den letzten Minuten hatte er mir den wundervollsten und perfektesten Job der Welt beschrieben. Es hab nichts, was sich daran falsch oder schlecht anhörte. Ich wollte die Literatur revolutionieren und neue Studenten inspirieren. Das war immer mein Traum gewesen. Mir ging es nicht um das Geld oder den Ruhm - viel mehr um meine Möglichkeiten, Menschenleben zu verändern. Was gäbe es besseres, als junge Menschen so zu inspirieren, wie Margaret Atwood es damals bei mir getan hatte?
„Wenn Sie etwas Zeit zum nachdenken brauchen, können Sie sie sich gerne nehmen."
„Das ist nicht nötig. Ihr Angebot ist unglaublich und ich weiß nicht, wie dumm ich wäre, es auszuschlagen. Sie haben mir genau angeboten, was ich schon immer sein und machen wollte.", sagte ich. Der Professor sah mich erst froh und dann skeptisch an, als ich zu sprechen ansetzte.
Ich musste ihm einfach klar und deutlich sagen, wie es in mir aussah und wieso ich meine Entscheidung traf.
„Aber...?"
„Ich habe in den letzten Wochen sehr viel erlebt, sogar mein Gedächtnis verloren, wobei dies jetzt zum Glück fast gänzlich wieder zurück ist, doch diese Zeit hat mir gezeigt, was mir wirklich wichtig ist. Ich habe viel über mich selber gelernt und muss nun leider sagen, dass ich nicht mehr die selbe bin, die ich bei meinem ersten Besuch hier war.
Es wäre mir wirklich eine Ehre, mit Ihnen und dieser Universität zusammen zu arbeiten und ich bin gewillt, über jegliche Bedingungen zu verhandeln, bis auf jene, dass ich momentan nicht hier her ziehen kann. Mein Privatleben erlaubt es momentan nicht, dass ich London verlasse. Allerdings würde ich gerne an der Revolution teilhaben, indem ich regelmäßig Seminare oder Vorträge halte. Es tut mir leid, aber das ist alles, was ich momentan geben kann." Entschuldigend lächelte ich Professor Brigley an. Er seufzte und trank etwas von seinem Wasser.
„Es schmerzt, das zu hören, aber ich verstehe, dass dies zurzeit alles ist, was Sie uns geben können. Wir fühlen uns selbstverständlich geehrt, dass Sie an der Arbeit mit uns interessiert sind und werden uns um eine Zusammenarbeit mit Ihnen bemühen.", sagte er.
Als ich Minuten danach das Büro verließ tat es mir leid, dass ich nicht mehr geben konnte. Doch ich fühlte mich gut mit meiner Entscheidung. Zum ersten Mal, seit meinem Anfall, fühlte ich mich wieder, als hätte ich die totale Kontrolle über mein Leben.
Statt Harry zu schreiben rief ich ihn an.
„Hey, wo bist du? Ich bin fertig.", sagte ich.
„Ich stehe vor der Uni und hoffe du brauchst den Kaffee so sehr wie ich." Lächelnd verließ ich das Gebäude. Gleich darauf entdeckte ich Harry an einer Mauer gelehnt.
„Einen Kaffee kann ich jetzt gut gebrauchen. Ist er mit Zucker?", fragte ich an Handy, obwohl ich nun fast direkt vor ihm stand.
„Aber natürlich. Ich weiß doch, wie du deinen Kaffee trinkst.", sagte er und legte auf. Dankend nahm ich den Kaffee und seufzte, als ich den ersten Schluck trank.
„Und, wann fängst du an?", fragte er fröhlich, was jedoch einen bitteren Unterton hatte.
„Gar nicht.", antwortete ich und entfernte mich vom Unigebäude.
„Wie, gar nicht?", fragte Harry bestürzt und eilte mir hinterher.
„Ich werde hier nicht arbeiten."
„Wieso nicht?", fragte Harry schockiert. Lächelnd strich ich ihm über die Wange.
„Weil mein Leben in London ist. Bei dir und meiner Familie."
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Understand (III)
FanfictionEs wird einsam, wenn niemand da ist zum reden. Doch es ist gut zu wissen, dass es jemandem wichtig ist. Denn ich bin schon so lange auf diesem Zug. Menschen steigen ein und steigen aus. Ich bete, dass ich nicht vergesse, wo ich hingehöre. Und jed...