Teil 61 - Apfelkuchen

190 22 0
                                    

„Sie sieht so süß aus, wenn sie schläft.", seufzte ich das Baby betrachtend. Lya neben mir lachte.
„Wenn das nur so bleiben würde. Schreien kann sie auf jeden Fall schon wie ein Weltmeister."
Ich setzte mich auf und betrachtete meine beste Freundin. Die Geburt war jetzt eine gute Woche her und sie sah schon fast wieder as wie vorher. Bis auf den kleinen Bauch und ihren Gesichtsausdruck. Noch immer sah sie erschöpft aus.
„Ich muss gleich los." Lya nickte und trank etwas Tee.
„Ich wünschte, ich könnte mit dir kommen."
„Keine Sorge, ich halte dich auf dem Laufenden und bin mir sicher, dass du das hier locker schaukelst.", sagte ich und deute auf den Haufen Geschenke. Vor allem Cheryl hatte sich richtig ausgetobt. Lya schmunzelte.
„Ich mache mir da mehr Sorgen um dich, wenigstens hast du deine Mum bei dir."
„Und meine Tante.", wandte ich ein. Lya rollte mit den Augen und stand auf, um mich zur Tür zu bringen.
„Wehe du hältst mich nicht auf dem Laufenden."
„Wehe ich kriege keine Babyfotos!", sagte ich, küsste Lya auf die Wange und ging. Sie winkte mir lachend hinterher.
Ich vermisste sie bereits, als ich meinen Wagen startete und in Richtung meiner alten Wohnung fuhr. Vor dem Gebäude parkte ich und stieg aus. Denn bevor ich nach Hause fuhr, hatte ich noch eine Sache zu erledigen.
Lächelnd betrat ich das Café und ging direkt zum Tresen.
„Guten Tag, Ihre Bestellung bitte?"
„Ich hätte gerne das übliche, aber zum Mitnehmen, bitte.", sagte ich freundlich. Sarah blickte auf und grinste mich breit an.
„Geht es also endlich zurück nach Hause?" Nickend trat ich nach links, wo Sarah die Getränke zubereitete.
„Ja, meine Mum wartet schon sehnsüchtig und ich muss ehrlich sagen, dass ich auch endlich mit der Planung beginnen möchte." Sarah lächelte mit gesenktem Blick. Der Geruch von warmer Milch und Kakaopulver stieg mir in die Nase, ich schloss meine Augen und genoss ihn für einen kurzen Augenblick. Seit ich bei Harry wohnte war ich viel zu selten hier gewesen.
„Hier, deine heiße Schokolade. Kann ich sonst noch etwas für dich tun?", fragte Sarah.
„Würdest du vielleicht in den nächsten Tagen auf Lya aufpassen? Ihre Mum ist zwar da und Cheryl besucht sie auch, doch dir vertraue ich mehr.", gebe ich zu.
„Ist doch selbstverständlich. Ich muss jetzt weiter machen, aber fahr ja vorsichtig und grüß deine Mum von mir." Winkend lief sie zur nächsten Kundin. Mit meinem Becher in der Hand verließ ich den Laden und setzte mich in den Wagen.
Wie ich eben gesagt hatte, war ich froh endlich zu den Vorbereitungen gen Süden zu fahren, doch ich war auch nervös. Immerhin würde ich meine Hochzeit planen.
Ich warf einen Blick in den Rückspiegel und rückte meine Brille gerade. Jetzt würde es beginnen.
Ich startete den Motor und fuhr los. In weniger als zwei Stunden würde ich zuhause ankommen. 
Sicher war meine Mum schon aufgeregt und wirbelte durch das Haus. Alles würde blitz und blank geputzt sein und ich könnte mir genau vorstellen, wie meine Tante sicher über meine Mum lustig machte. Wie sie darüber lachen würde, dass sie jedes einzelne Staubkorn auswischte und alles mehrmals putzte. Lächelnd dachte ich an die Albernheiten der beiden und beneidete sie. Ich hatte mir häufig Geschwister gewünscht und wenn ich die beiden so sah, oder Harry mit Gemma, war ich eifersüchtig. Wie gerne hätte ich meine wundervollen Eltern und Kindheitserinnerungen mit jemanden geteilt. Mich bei jemanden ausgeheult und Rat gesucht.
Aus diesem Grund hatte ich mir schon immer gewünscht, mindestens zwei Kinder zu haben. Sie sollten sich Gesellschaft leisten, sich gegen ihre Eltern verbünden und sich gegenseitig stärken.

Ich war erleichtert und doch nervös, als ich vor meinem Elternhaus vorfuhr und in der Einfahrt parkte. Mit meiner Tasche über der Schulter ging ich zur Tür und klingelte. Mir fiel ein, dass ich einen Schlüssel hatte, doch meine Mum war schnelle als meine Gedanken.
„Mary, Schatz. Endlich bist du da!", rief sie und nahm mich in den Arm. Wie ich vermutete hatte, war das Haus wie geleckt. Meine Mum führte mich ins Esszimmer und holte uns Tee. Dann begann sie aufgeregt zu erzählen.
„Mrs. Peterson kommt morgen gegen 13:00 und deine Tante kommt etwa einen Stunde danach, weil Ruby noch einen Termin hat, den sie nicht verpassen darf. Ich habe ihnen natürlich angeboten, dass sie hier schlafen können, ich hoffe das ist für dich ok. Lissi und Graham kriegen das Gästezimmer und Ruby und Dana, deins. Mrs. Peterson hat angeboten, dass du bei ihr schlafen könntest. Oder du fragst Chloe."
Mich überraschte nicht, dass meine Mum das ganze Haus vermietet hatte und dass sie mich dabei ausquartierte, war auch nicht neues. Doch Chloe? Da würde ich lieber bei Mrs. Peterson übernachten.
„Ich habe seit Jahren nicht mit Chloe geredet, Mum. Also glaube ich kaum, dass sie mich bei sich übernachten lässt." Meine Mum nahm meine Hand in ihre und lächelte mich aufmunternd an.
„Ihr wart mal beste Freunde. Und außerdem fragt sie mich immer nach dir, wenn ich sie sehe." Ich seufzte.
„Vielleicht rufe ich sie später oder die Tage mal an. Hat Mrs. Peterson das von sich aus angeboten?", harkte ich nach, wenn auch hauptsächlich um vom Thema abzulenken.
„Das hat sie. Sie meinte, sie hatte seit Jahren keinen mehr in ihrem Haus und würde sich sehr über etwas Gesellschaft freuen." Lächelnd trank ich einen Schluck von meinem Tee. Das klang genau nach Mrs. Peterson.
„Ich glaube, ich gehe sie heute noch besuchen. Ist es ok, wenn ich eben Harry anrufe?", fragte ich sanft.
„Natürlich. Grüß ihn von mir."
Wie selbstverständlich ging ich die Treppe hoch in mein altes Zimmer und schloss die Tür. Ich setzte mich auf das Bett und wählte Harrys Nummer. Als er nach mehrmalige Tuten nicht abnahm, legte ich enttäuscht auf. Doch meine Enttäuschung wurde aufgehoben, als er mich Sekunden danach zurück rief.
„Babe, endlich. Bist du schon bei deiner Mum?", fragte er besorgt. Lächelnd stellte ich mir sein Gesicht vor. Er fehlte mir so.
„Ja, bin vor einer halben Stunde angekommen."
„Wie ist es so? Geht es deiner Mum gut und überhaupt, wie geht es dir?", fragte er.
„Hier ist alles beim Alten. Mum geht es gut, sie hat schon alles für die Vorbereitungen vorbereitet und alle eingeladen. Tante Lissi kommt morgen mit ihrem Mann und meinen zwei Cousinen. Deswegen darf ich bei Mrs. Peterson schlafen. Doch das einzige was fehlt, bist du.", seufzte ich.
„Du fehlst mir auch, so so sehr. Ist das nicht etwas unfair, wenn du bei Mrs. Peterson schläfst? Immerhin ist es das Haus deiner Familie." Ich lachte und lehnte mich zurück auf das Bett.
„Das mag sein. Aber ich habe kein Problem damit. Immerhin ist Mrs. Peterson auch wie Familie."
„Vielleicht werden wir bald unser eigenes Haus in deiner Heimatstadt haben.", sagte Harry. Er überraschte mich mit dieser Aussage und erwärmte mein Herz.
„Das wäre wirklich schön. Wie läuft die Tour?"
„Es macht Spaß, doch ohne dich ist es nicht das selbe.", sagte Harry traurig. Ich wünschte, ich könnte ihm über die Wange streichen; ihn küssen und ihm sagen, dass ich ihn liebe.
„Ich liebe dich, Harry.", sagte ich mit allem, was ich für ihn empfand.
„Ich liebe dich auch, Babe. Mehr als alles andere. Bevor ich jetzt gleich wieder auflegen muss... Plan die Hochzeit, wie du möchtest. Mir ist es egal, wie wir heiraten, Hauptsache du gehörst endlich mir." Mein Herz schmolz, die Schmetterlinge in meinem Bauch flatterten und Tränen, Glückstränen, sammelten sich in meinen Augen.
„Du bist der beste. Pass gut auf dich."
„Du auch, mein Schatz. Bis dann." Harry legte auf, weshalb ich nur verliebt das Handy ansah. Auch wenn er so weit weg war, fühlte es sich an, als wäre er direkt hier bei mir. Lächelnd ging ich wieder runter, wo ich meine Mum am Tisch fand, mit zahlreichen Katalogen vor sich.
„Liebe Grüße von Harry.", sagte ich, weshalb meine Mum lächelnd aufsah.
„Vielen dank. Wie geht es ihm?" Ich setzte mich zu ihr und blätterte durch einen der Kataloge.
„Es geht ihm gut. Die Tour ist anstrengend, aber es ist genau das, wo Harry hingehört. Ich bin bloß froh, dass er bald nach Hause kommt.", seufzte ich. Meine Mum legte ihre Hand auf meine.
„Ihr werdet eine atemberaubende Hochzeit haben und ich freue mich, dass wir sie gemeinsam planen."
„Ich mich auch, Mum. Danke, euch allen. Ich möchte, dass diese Hochzeit das wundervollste Ereignis dieses Jahres wird. Dass wir allen zeigen, was Liebe bedeutet und dass wir Dad zeigen, dass wir an ihn denken und ihn vermissen." Meine Mum lief eine Träne über die Wange, doch sie wischte sie schnell weg.
„Ich bin so stolz auf dich.", hauchte sie. Lächelnd streichelte ich ihre Hand.
„Danke. Ich gehe gleich zu Mrs. Peterson, aber ich bin zum Abendessen wieder da.", sagte ich und stand auf.
„Nimm doch die Dose in der Küche mit, Mrs. Peterson liebt Apfelkuchen."
Lächelnd nickte ich, holte den Kuchen und machte mich dann auf den Weg zu meiner alten Lehrerin. Die Sonne strahlte, vom Himmel und aus mir.

Understand (III)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt