„Und, wann fängst du an?", fragte er fröhlich, was jedoch einen bitteren Unterton hatte.
„Gar nicht.", antwortete ich und entfernte mich vom Unigebäude.
„Wie, gar nicht?", fragte Harry bestürzt und eilte mir hinterher.
„Ich werde hier nicht arbeiten."
„Wieso nicht?", fragte Harry schockiert. Lächelnd strich ich ihm über die Wange.
„Weil mein Leben in London ist. Bei dir und meiner Familie."
Ich drehte mich um und setzte meinen Weg fort, bis ich Harrys Hand an meinem Arm spürte. Er hielt mich zurück. Nachdem er meinen Arm losgelassen hatte, lagen vielleicht zwei Meter zwischen uns. Harry blickte mir tief in die Augen, was ich vorerst erwiderte. Dabei fragte ich mich, was ihn an meiner Entscheidung so schockierte.
Ehe ich mich versah hatte Harry die Distanz zwischen uns überwunden. Er stand nun direkt vor mir. Seine Hand hob er zitternd bis fast an mein Gesicht. Er schien unsicher zu sein, ob er mein Gesicht berühren durfte, oder nicht. In seinen Augen sah ich das Verlangen und einen Haufen Unsicherheit.
Es mochte für uns beide verwirrend sein, was da zwischen uns vorging, doch so eine Situation gefüllt von Unsicherheit und Distanz wollte ich nicht mehr. Ich hatte Angst, dass ich mich nie an meine Gefühle für Harry erinnern würde, doch selbst wenn - was hielt mich davon ab, mich hier und jetzt neu in Harry zu verlieben?
„Ich würde dich gerade so gerne küssen.", raunte er und schluckte sichtbar angestrengt. Mit einem Lächeln auf den Lippen griff ich nach seiner Hand. Ich legte sie für einen Augenblick an meine Wange, spürte wie sie zitterte. Dann nahm ich sie runter und hielt sie fest.
„Wieso tust du es nicht einfa-„ Harry ließ mich nicht aussprechen. Er legte seine freie Hand an meine Hüfte, zog mich zu sich und legte gleichzeitig seinen Mund auf meinen. Wir beide stöhnten auf, als wir uns küssten. Es fühlte sich wie Erlösung an. Als hätte sich so einiges aufgestaut, seit dem wir uns das letzte mal geküsst hatten.
Erstaunlicherweise war es Harry, der den Kuss beendete und mich schwer atmend und doch zufrieden lächelnd ansah.
„Lass uns herausfinden, an welche Erinnerung deine Gefühle gebunden sind, damit wir nicht noch mehr Zeit verschwenden." Noch immer betäubt nickte ich und ließ mich von Harry mit sich ziehen. Er zog fest an meiner Hand, als hätte er es eilig, irgendwo hin zu kommen. Er sprach nicht und ich realisierte erst, wo wir waren, als ich neben Harry an der Klippe stand.
„Dort unten finden wir sicher heraus, was uns die ganze Zeit entgeht.", sagte er und ging voraus. Harry schien so hoffnungsvoll, was mich mit neuer Hoffnung belebte. Eigentlich hatte ich seit mehreren Tagen mit dem Gedanken gespielt, meinen derzeitigen Zustand einfach zu akzeptieren und mein Leben ohne diese eine Erinnerung weiter zu leben. Doch ich wollte Harry seine Hoffnung und sein Glück nicht nehmen, also folgte ich ihm zum Strand und setzte mich ebenfalls auf den Baumstamm, der dort lag.
„Und wie machen wir das jetzt?", fragte ich ihn.
„Keine Ahnung. Wir wissen ja nur, welche Erinnerungen es nicht sind. Vielleicht sollten wir markante Momente einfach mal durchgehen und dann sehen wir ja, ob der richtige dabei ist." Harry wirkte locker und fröhlich. So hatte ich ihn seit meinem Anfall selten gesehen und es gefiel mir.
„Und wo fangen wir an?"
„Kannst du mir einen Rahmen geben? Ein Ereignis, bei dem du dir sicher warst, dass du schon Gefühle für mich hattest?", fragte er. Ich sah auf meine Schuhe und überlegte. Da erste, was mir ganz spontan einfiel, war die Gala. An diesem Abend hatten wir uns das erste Mal geküsst und ich erinnerte mich, dass ich mir meiner Gefühle im Nachhinein sicher gewesen war.
„Die Spendengala.", sagte ich, woraufhin Harry mich ansah und schließlich lächelte.
„In Ordnung. Gut zu wissen, dass ich dich nicht zu früh geküsst habe." Er blickte wieder zu mir rüber und ließ mich mit seiner Aussage ebenfalls schmunzeln.
„Ok, fangen wir davor an. Erinnerst du dich an..."
In den nächsten Stunden gingen wir jede noch so kleine, besondere Erinnerung durch. Es war amüsant und doch zum Verzweifeln, da mir jede bekannt vor kam und somit nicht diejenige war, die wir suchten.
Als es anfing dunkel zu werden, lehnte ich meinen Kopf an Harrys Schulter und seufzte.
„So wird das glaube ich nichts." Harry legte seinen Arm um mich und zog mich etwas mehr zu sich. Er schien erschöpft und seine aufkeimende Hoffnung schien wie verpufft. Als hätte sie nie existiert.
"Lass uns ins Hotel gehen und etwas schlafen.", schlug ich vor, doch Harry reagierte nicht. Er ließ seinen Kopf hängen und schenkte mir keinerlei Beachtung. Ich wusste nicht, was ich jetzt am besten machen sollte. Vorsichtig hob ich meine Hand und strich über seinen Rücken. Es dauerte keine zwei Sekunden, bis Harry aufsprang, etwas vom Boden aufhob und es wütend in den Ozean warf. Fluchend schmiss er mehr und mehr Dinge. Es hätte mir Angst machen können, doch ich wusste, dass Harry manchmal so reagierte, wenn er verzweifelt war. Und unsere Situation war zum verzweifeln.
Ich ließ ihn seinen Frust an den Gegenständen auslassen und wartete, bis er auf dem Sand zusammensackte. Er hatte sein Gesicht in seinen Hände vergraben, als ich mich neben ihn setzte und die Arme um meine Beine legte.
"Es ist mir egal, ob ich mich erinnere." Nach wenigen Sekunden sah Harry mich schockiert an. Als hätte ich ihn verraten.
"Wie kannst du so etwas sagen?" In seinen Augen funkelte Unverständnis und Wut, denn er verstand nicht, was ich meinte.
"Nicht, weil ich dich nicht lieben will. Ich spüre nur, dass dort etwas zwischen uns ist und da ich nun sicher weiß, dass das was wir hatten sehr intensiv war, glaube ich nicht, dass es nicht wieder entstehen könnte." Ich blickte hinaus aufs Wasser und genoss die Stille, während Harry mich noch immer ansah. Als er schließlich seinen Blick abwendete, seufzte er. Ich schmunzelte leicht, als ich im Augenwinkel sah, wie er sich zu mir rüber lehnte. Er legte seinen Kopf auf meinen Schoß. So blieben wir sitzen, bis die Sonne gänzlich untergegangen war.
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Understand (III)
FanfictionEs wird einsam, wenn niemand da ist zum reden. Doch es ist gut zu wissen, dass es jemandem wichtig ist. Denn ich bin schon so lange auf diesem Zug. Menschen steigen ein und steigen aus. Ich bete, dass ich nicht vergesse, wo ich hingehöre. Und jed...