„Ich danke Ihnen, Mrs. Peterson. Es ist wirklich großzügig, dass Sie uns das anbieten, aber ich glaube es ist besser, wenn wir uns im Sleepover einquartieren."
„Es wäre mir wirklich eine Ehre, wenn du und deine Familie oder auch die Familie deines Zukünftigen hier übernachten würden. Das Haus ist so groß und leer.", sagte sie und lächelte mich an. Ich sah Mrs. Peterson wie ein Vorbild. Sie war alleine und doch so stark und selbstständig.
„Dann lassen Sie mich Ihnen wenigstens etwas dafür geben."
„Das kommt gar nicht in Frage."
„Aber ich habe genug und wenn wir schon hier bei Ihnen wohnen, müssen sie etwas annehmen.", insistierte ich. Doch Mrs. Peterson sah das wohl anders. Sie nahm meine Hand und streichelt sie.
„Mein Herbert starb schon früh, nachdem er den Kampf gegen den Krebs verloren hatte. Wir hatten nie die Möglichkeit, eigene Kinder zu bekommen und früher hat es mich wirklich nicht gestört, doch seit ich nicht mehr in der Grundschule arbeite, bereue ich es. Wenn du mich nun also an deiner Hochzeit und deinem Leben teilhaben lässt, ist es mir mehr als nur eine Ehre und mehr als genug.", sagte sie leise. Ich blickte in ihre blauen Augen und nickte.
„Ich kann Ihnen gar nicht oft genug danken."
„Ich danke dir, Mary-Jane. Vor allem für den leckeren Kuchen.", sagte sie und führte die Gabel in den Mund.
„Es freut mich, dass er Ihnen schmeckt. Ich werde jetzt mal nach Hause gehen, wir sehen uns ja morgen.", sagte ich und stand auf. Mrs. Peterson brachte mich zur Tür und winkte mir zum Abschied.
Auf dem Weg nach Hause machte ich einen kleinen Umweg. Ich ging an unserem Haus vorbei, den engen Weg entlang, bis ich das Meer riechen konnte. Obwohl der Himmel wolkenverhangen und der Wind fast eisig war, setzte ich mich auf die Wiese an der Klippe und schwelgte in Erinnerungen. Wie ich vor Monaten hier mit Harry gesessen hatte, hatte sich einiges verändert. Es war viel geschehen und wir waren inzwischen nicht mehr die gleichen Personen wie damals.
Ich hatte keinen Dad mehr. Es beschäftigte mich beinahe täglich.
Doch dafür hatte ich Harry. Er war kein Ersatz für meinen Dad, aber alles was ich brauchte. Er war mein Fels in der Brandung. Er war mein bester Freund. Er war die Liebe meines Lebens.Als es langsam dunkel wurde, ging ich nach Hause. Da das Haus bereits dunkel war, schlich ich in mein Zimmer und ließ mich seufzend auf mein Bett fallen. Erst überlegte ich, Harry anzurufen. Doch das würde keinen Sinn machen, da er wohl genau in diesem Moment auf der Bühne stand. Also schrieb ich Lya, dass ich sie vermisste und dass sie mir Bilder von Isabelle schicken sollte. Sie war länger nicht mehr online gewesen, also schlief sie wohl schon.
Gelangweilt nahm ich mein Mac und startet es. Auf dem Bildschirm sprang mir, nach dem Bild von Harry auf der Bühne, das neue Script ins Auge. Ich hätte nicht vorgehabt, weiter zu schreien. Erst wollte ich mich auf die Hochzeit konzentrieren. Doch ich fing an. Ich fing an und hörte bis früh morgens nicht mehr auf...„Spätzchen? Deine Gäste kommen in einer halben Stunde.", hörte ich die Stimme meiner Mum. Murrend öffnete ich ein Auge und sah, wie sie mein Zimmer aufräumte und die Vorhänge aufzog.
„Mum, genau das ist der Grund, wieso ich ausgezogen bin." Meine Mum lachte und warf mich mit einem meiner Kleidungsstücke ab. Ich wollte zurück werfen, doch sie verließ das Zimmer. Ungewollt verließ ich mein Bett und torkelte ins Bad. Ich putzte meine Zähne, kämmte meine Haare und wusch mein Gesicht. Das Klingeln meines Handys zog mich zurück in mein Zimmer.
„Guten Morgen, mon amour. Wie hast du geschlafen?", hauchte Harry.
„Fast gar nicht. Und du? Wie war das Konzert?", fragte ich mit meinem Arm über den Augen.
„Das Konzert war unglaublich. Wieso hast du nicht geschlafen? Ist Mrs. Peterson doch keines liebe, alte Dame?", lachte Harry.
„Das freut mich und nein, es war nicht Mrs. Petersons Schuld. Ich habe bis heute morgen um 5 geschrieben.", seufzte ich.
„Schrecklich, wenn die Leidenschaft so viel Zeit verbraucht, nicht wahr?"
„Total. Mrs. Peterson und meine Tante kommen gleich. Wann musst du heute los?", fragte ich und setzte ich auf, um mich anzuziehen.
„Wir fahren heute nach Venedig, also werden wir wohl den ganzen Tag unterwegs sein. Rufst du mich an, wenn ihr etwas besprochen habt?"
„Selbstverständlich. Ich wünschte du wärst hier. Deine Lippen fehlen mir.", sagte ich und schlüpfte in eine Jeans. Dabei dachte ich an das atemberaubende Gefühl, wie es war, Harry zu küssen.
„Ich wäre so gerne bei dir und würde dich küssen und umarmen und lieben. Ich liebe dich, Babe."
„Ich liebe dich auch. Bis später, Honey.", sagte ich.
„Bis später, Babe."
Ich legte auf und zog mir ein T-Shirt über, um dann aus meinem Zimmer runter in die Küche zu gehen und endlich etwas zu essen. Doch Mrs. Peterson machte mir einen Strich durch die Rechnung.
„Mary-Jane, schön dich wieder zu sehen."
„Hallo, Mrs. Peterson. Haben wir noch Orangensaft, Mum?" Sie reichte mir eine Flasche und setzte sich dann neben mich. Während ich aß, redeten die beiden über den Tratsch des Ortes, wobei ich nur lauschte. Es war nicht mehr meine Welt.
„Hast du gehört, Mary? Es hat geklingelt.", sprach meine Mum. Seufzend stellte ich den Saft beiseite und ging die Tür öffnen, nur um gleich von darauf von meiner dreizehnjährigen Cousine Ruby und ihrer zehnjährigen Schwester Dana umrennen zu lassen.
„Ich wünsche euch auch einen schönen Tag."
„Mary, mein Engel. Wie geht es dir?", fragte meine Tante mich. Ich wimmelte sie ab und führte sie und meinen Onkel dann zu den anderen.
Mein Frühstück war damit gegessen. Oder eher beendet.
Während mein Onkel versuchte die kleinen Monster zu beschäftigen, folgte ich meinen Planerinnen in den Garten.
„Du wirkst nicht so motiviert.", bemerkte meine Tante.
„Tut mir leid, ich habe bis früh morgens an meinem neuen Buch geschrieben. Aber ich freue mich, dass ihr alle hier seid, um mir zu helfen." Während ich das sagte, hatte meine Tante bereits ihre Liste hervorgeholt und aufgeschlagen.
„Gut, dann wollen wir mal keine Zeit verplempern. Als erstes brauchen wir ein Datum.", sagte sie. Ich nahm mein Handy hervor und scrollte wenige Wochen weiter.
„Wir hatten an den 16. Juni gedacht. Dann haben wir noch genug Zeit um alles vorzubereiten."
„Das klingt plausibel. Und wo würdet ihre gerne heiraten?"
„Die kleine Kapelle in der Trumanstreet wäre romantisch.", warf meine Mum ein.
„Oder der Park mit dem Pavillon.", sagte Mrs. Peterson. Ich dachte einen Augenblick darüber nach. Denn wenn ich schon eine Hochzeit in einer großen Location bekommen würde, wollte ich die andere im kleinsten Kreis.
„Ich möchte an der Küste heiraten. Mit Lichterketten in den Bäumen, kleinen Lampions, Kerzen und Blumen. Können Sie diese schönen blauen Blumen aus Ihrem Garten mitbringen? Ich liebe ihre Farbe.", sagte ich freudig. Die Vorbereitungen hatten mich gepackt.
„Wir könnten einen Pavillon für das Buffet aufbauen, das bereitet uns bestimmt das Restaurant von Chloes Vater zu. Und-„
„Nicht so schnell, Kleines. Ich muss doch alles mitschreiben.", unterbrach meine Tante mich. Verlegen schmunzelte ich.
„Ich bringe dir gerne jede Blume mit, die dir aus meinen harten gefällt. Was hältst du davon, wenn wir die Vasen für die Blumen mit alten Buchseiten und Notenblättern verzieren? Ganz im Einklang mit euren Berufungen.", sagte Mrs. Peterson.
Genau wie diese Details legte sich der Rahmen für die Hochzeit schnell. So schnell wir auch fertig wurden, so schnell war es Abend. Wir saßen mit allen am Esstisch und stießen an.
„Auf Mary und ihre Hochzeit. Das beste, was uns dieses Jahr passieren konnte.", sagte meine Tante.
„Auf mein kleines Mädchen, das langsam erwachsen wird.", schniefte meine Mum.
„Auf die beste Schülerin, die ich je hatte.", sagte Mrs. Peterson.
„Darauf, dass ich Hunger habe.", mischte Ruby sich ein.
Lachend hob ich mein Glas.
„Auf uns alle. Danke, dass ihr hier seid.", beendete ich das Anstoßen und eröffnete das Essen.
Ich lauschte den Gesprächen, wo es von Gartentipps, über die Schule meiner Cousinen, bis hin zum Klatsch und Tratsch der Stadt kam. Und schließlich landeten wir bei Tante Lissis Lieblingsthema.
„Sag mal Mary, wenn ihr jetzt heiratet, habt ihr dann schon an Kinder gedacht?", fragte sie mich, weshalb ich mich an den Bohnen verschluckte.
„Lissi!", ermahnte meine Mum sie.
„Was denn? Sie ist Mitte zwanzig, gesund, beruflich erfolgreich und hat einen potenten Verlobten, der auch noch gut aussieht!"
„Was heißt potent?", fragte Dana. Ich lachte und spülte das Essen mit etwas Wasser herunter, bevor ich meiner Tante antwortete.
„Harry und ich haben über das Thema gesprochen. Da er sich jedoch gerade seiner Karriere widmet und sowohl meine beste Freundin, als auch meine zukünftige Schwägerin haben vor kurzem eine Tochter bekommen, also habe ich in meinem Umfeld zur Zeit genug Babys. Auch wenn ich ihnen grundsätzlich nicht abgeneigt bin.", klärte ich auf. Meine Tante aß schmunzelnd weiter, dabei entging mir nicht der Blick, den sie mit meinem Onkel tauschte.
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Understand (III)
FanficEs wird einsam, wenn niemand da ist zum reden. Doch es ist gut zu wissen, dass es jemandem wichtig ist. Denn ich bin schon so lange auf diesem Zug. Menschen steigen ein und steigen aus. Ich bete, dass ich nicht vergesse, wo ich hingehöre. Und jed...