Am Abend flogen wir zurück nach England. Nach der Fahrt kamen wir erschöpft bei Mrs. Peterson an. Doch statt gleich schlafen gehen zu können, musste ich erst mal den drittwichtigsten Menschen meines Lebens zufriedenstellen.
„Nimm du Belle. Ich schreibe mit.", sagte Lya und drückte mir ihre Tochter in die Hand. Glücklicherweise schlief die kleine wie ein Engel.
„Lya, du brauchst nichts mitschreiben. Meine Tante hat alles aufgeschrieben."
„Aber wir brauchen doch eine Liste für den Jungeselinnenabschied morgen Abend." Überrascht sah ich sie an. Daran hatte ich gar nicht mehr gedacht. Lya schien die ganze Zeit an nichts andere gedacht zu haben. Sie meinte, dass sie sogar wieder etwas trinken dürfte. Wenigstens ein kleines bisschen. Ich nahm das lachend hin und betrachtete das kleine Mädchen auf meinem Arm, während Lya alles aufschrieb und dann mit Gemma telefonierte. Sie schrieb sogar Chloe eine Nachricht mit meinem Handy und lud sie ein.
Schneller als gedacht kam der nächste Tag. Der letzte Tag. Mein letzter Tag als unverheiratete Frau.
„Seid ihr so weit?", rief ich. Jubel erklang aus dem Raum vor mir.
Während meine Mum bei Mrs. Peterson war und mit ihr babysittete, war Harry mit John und Scott im Restaurant von Chloes Familie und genoss seinen letzten freien Abend. Dies tat auch ich.
Meine Hände zitterten leicht, als ich die Tür öffnete und in den Raum trat.
Vor mir saßen meine alte und meine neue beste Freundin und meine zukünftige Schwägerin. Alle mit Tränen in den Augen.
„Du siehst wunderschön aus.", sagte Lya. Gemma sprang auf und drückte mich.
„Ich bin so froh, dass Harry dich gefunden hat, ehrlich." Sie schien wirklich erleichtert zu sein und da war sie aus Harrys Familie bei weitem nicht die einzige.
„Ich kann immer noch nicht glauben, dass du morgen heiratest. Nicht mal jetzt, wo du dein Hochzeitskleid trägst.", sagte Chloe und lachte.
„Auf Mary!", rief Gemma und hielt ihr Glas hoch. Wir stießen an und, wie hätte es anders sein können, war Lya diejenige, der auffiel, dass ich keinen Sekt, sondern Wasser trank.
„Bist du krank?", scherzte sie. Ich sah zu Chloe, die aussah, als würde es jeden Moment aus ihr heraus platzen. Ich seufzte und stellte mein Glas ab. Dann sah ich von Lya zu Gemma und schloss schließlich meine Augen.
„Ich bin schwanger." Es war das erste Mal, dass ich es wirklich laut aussprach, weshalb es sich komisch anfühlte, die Worte zu hören.
Wie erwartet rasteten Lya und Gemma komplett aus. Sie sprangen auf, schmissen mich fast um, während ich nur hoffte, dass sie es Harry nicht erzählen würden, bevor ich es konnte.
„Weiß Harry es schon?", fragte Lya, sie unterbrach dafür extra ihre Träumerein über unsere Zukunft. Nichts hatte sie sich mehr gewünscht, als gleichzeitig mit ihrer besten Freundin ein Kind zu bekommen.
„Nein, ihr seid bis jetzt die einzigen. Ich wollte es ihm bei der Hochzeit sagen.", verkündete ich. Mein Plan kam bei den anderen gut an, was mich in meinem Vorhaben bestärkte.
Meine Offenbarung hatte den Abend nur noch mehr angeheizt, doch zu lange wollte ich es nicht gehen lassen, weil wir morgen alle früh raus mussten. Die Zeremonie war zwar erst mittags, doch bis dahin hatte jeder von uns genug zu erledigen. Chloe kümmerte sich mit um das Büfett, Gemma um die Kinder und Lya musste mich frisieren und schminken. Und ich, ich war die Braut. Wenn ich nicht einiges zu tun haben würde, wäre es keine richtige Hochzeit...
„Ich glaube, ich muss langsam nach oben.", sagte ich und gähnte. Chloe hatte sich schon vor einer halben Stunde verabschiedet. Lya war die einzige von uns, die noch hellwach war.
„Ich bezweifle, dass du wirklich schlafen wirst.", sagte Gemma und stand auf.
„Möglich. Aber ich muss es wenigstens versuchen.", sagte ich und drückte sie zum Abschied. Sie ging und so waren Lya und ich als einzige über.
„Ich fasse es nicht, dass du morgen heiraten wirst und dass du auch noch schwanger bist." Sie legte ihre Hand auf meinen Bauch und blickte ihn verträumt an.
„Wie weit bist du?"
„Ungefähr in der 7./8. Woche. Glaub mir, für mich ist es nicht wirklicher.", sagte ich und lachte leicht.
„Morgen um diese Uhrzeit wird alles anders sein." Ich lächelte Lya an und nahm sie in den Arm.
„Danke, für alles."
„Nichts zu danken. Schlaf gut und ruh dich aus, nicht dass ich dich morgen stundenlang schminken muss." Ich schon sie aus dem Haus und ging dann lächelnd die Treppe hoch. Im Flur traf ich auf meine Tante.
„Da scheint aber jemand glücklich zu sein." Ich erschrak leicht, weil ich gänzlich in Gedanken versunken gewesen war.
„Wie könnte ich nicht? Immerhin heirate ich morgen die Liebe meines Lebens.", entgegnete ich. Meine Tante lächelte mich stolz an und nahm mich in den Arm.
„Dein Vater wäre so stolz auf dich. So wie wir es alle sind." Ich drehte mich aus ihren Armen und nickte.
„Das wäre er. Gute Nacht, Tante Lissi. Bis morgen.", sagte ich und schlich ins Bad. Nachdem ich mich bettfertig gemacht hatte, ging ich in mein altes Zimmer. Für diese Nacht hatten meine Cousinen es geräumt. Was jedoch nicht hieß, dass sie es ordentlich hinterlassen hatte. Vorsichtig stieg ich über alles rüber und ließ mich auf mein Bett fallen. Ich betrachtete mein Zimmer und sah dann aus dem Fenster. Ich wusste, dass es spät war. Ich wusste auch, dass ich schlafen musste. Doch mein Herz sehnte sich nach ihm.
Ich nahm mein Handy hervor. Es war wirklich spät und ich wusste, dass ich ihm nicht schreiben sollte, doch ich wollte es zu sehr. Was sollte schon passieren?
Lächelnd tippte ich, als ich sah, dass auch er online war. Doch ich entschied mich gegen das Schreiben. Stattdessen startete ich einen Videoanruf. Ich legte mich auf die Seite, mit dem Handy vor meinem Gesicht und wartete, dass er abnahm.
„Hi.", sagte ich, als sein Gesicht erschien. Auch er schien im Bett zu liegen.
„Hi, Babe. Solltest du nicht schon lange schlafen?"
„Das würde ich ja, aber ich bin zu aufgeregt.", gestand ich.
„Geht mir genauso. Wie war dein Abend? Irgendwas besonderes?", fragte Harry. Ich dachte an die Verkündung meiner Schwangerschaft, doch darauf musste Harry noch warten.
„Es war schön. Wir haben viel geredet. Und bei dir? Bist du schon lange im Bett?" Harry gähnte, was ich als eine Bestätigung sah.
„Die anderen haben gut getrunken und da dachte ich mir, dass es ja reichen würde, wenn wir verkaterte Trauzeugen haben und habe mich zurückgezogen.", sagte Harry. Ich lachte. Eine Weile sahen wir uns einfach nur an. Keiner von uns sagte etwas und doch schienen es die schönsten Minuten des ganzen Tages; der ganzen Woche zu sein.
„Ich kann immer noch nicht glauben, dass wir morgen heiraten.", flüsterte ich.
„Ab morgen gehörst du mir." Ich schmunzelte.
„Als würde ich das nicht schon längst.", lachte ich.
„Ich liebe dich, mehr als alles andere.", sagte Harry. Ich gähnte.
„Ich liebe dich auch, Harry."
Irgendwann war ich einfach eingeschlafen. Harry würde es mir nicht übel nehmen, doch Lya sicher, weil ich viel zu wenig Schlaf bekam.
Am nächsten Morgen weckte mich meine motivierte beste Freundin unfreundlich.
„Aufstehen! Wir müssen dein Gesicht retten!", rief sie und riss die Vorhänge auf. Mit der Hand vor den Augen blinzelte ich. Als ich Lya erkennen konnte, fing ich zu lächeln an.
„Ich heirate heute.", stellte ich fest. Lya grinste und seufzte schließlich.
„Dafür müssen wir aber noch einiges tun, also steh auf und geh duschen!", kommandierte sie und verließ dann das Zimmer. Ich roch Frühstück und konnte meine Familie sprechen hören.
Wie befohlen ging ich duschen.
Als ich zurück in mein Zimmer kam, fand ich dort meine Mum. Sie stand mit dem Gesicht zum Fenster.
„Mum?" Als sie sich zu mir drehte sah ich die Dinge in ihren Händen.
„Ey, nicht ohne uns anfangen.", mischte meine Tante sich ein und kam mit Lya und Zimmer gestürmt. Fragend sah ich sie alle an und setzte mich einfach auf mein Bett.
„Hier, etwas Geliehenes.", sagte Lya und reichte mir ein weißes Strumpfband.
„Und etwas Blaues.", sagte meine Tante und gab mir eine Haarspange mit einem kleinen blauen Steinchen.
„Etwas Neues.", sagte meine Mum und hängte mir einen Schleier in das nasse Haar.
„Der Schleier ist auch gebraucht. Es ist meiner.", fügte meine Mum noch hinzu. Ich drückte sie alle und fing beinahe an zu weinen.
Meine Mum widmete sich kurz darauf wieder den Vorbereitungen der Feier, welche in unserem Garten stattfinden würde. Ich ließ meine Haare von Lya machen und schrieb dabei mit Harry. Auch wenn das nicht ganz traditionell war.
„Wie findest du es?", fragte Lya nach einer Weile. Ich blickte auf. Tatsächlich war sie schon fertig und ich musste zugeben, dass sie wirklich gute Arbeit geleistet hatte.
„Lya, das sieht wunderschön aus.", seufzte ich mit Tränen in den Augen.
„Ey, nicht weinen. Ich weiß schon, warum ich das Make-up bis zum Ende aufgespart habe.", sagte sie und war schon wieder gänzlich in ihrer Arbeit versunken. Lächelnd beobachtete ich sie dabei.
Nur noch drei Stunden. In drei Stunden würde ich verheiratet sein.
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Understand (III)
FanfictionEs wird einsam, wenn niemand da ist zum reden. Doch es ist gut zu wissen, dass es jemandem wichtig ist. Denn ich bin schon so lange auf diesem Zug. Menschen steigen ein und steigen aus. Ich bete, dass ich nicht vergesse, wo ich hingehöre. Und jed...