Teil 65 - Dachtest du, ich lasse dich gleich wieder gehen?

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Unsicher lächelte ich den Concierge neben mir an und senkte dann wieder den Blick.
Was tat ich hier eigentlich? Ich ließ mich von Harry überraschen, während ich wohl die größte Überraschung parat hatte...
Wäre doch nur Chloe hier. Oder Lya. Oder meine Mum. Sie wüssten, was ich tun sollte.

24 Stunden zuvor...
„Sitzt es eng genug an der Taille?", fragte Chloe. Nickend atmete ich tief durch. Doch der Stoff spannte nicht, war genau so wenig zu enge.
„Sitzt super. Könntest du die Naht hier noch etwas höher ziehen?" Chloe nahm einer der Nadeln aus ihrem Mund und steckte die Naht wie gewünscht etwas höher.
„So besser?", fragte sie, doch das einzige, auf das ich mich in diesem Moment konzentrieren konnte, war mein Magen, der gefährlich grummelte.
„Mary?" Ich öffnete meinen Mund, um zu antworten, schloss ihn jedoch sofort wieder mit meiner Hand und sprang vom Podest. Eilig kniete ich mich hin, öffnete die Toilette und hielt meinen Kopf darüber. Augenblicklich beruhigte sich mein Magen. Die Krämpfe lösten sich und ich sackte zur Seite.
„Ist alles ok?", fragte Chloe mich besorgt. Ich erhob mich und schenkte, weshalb Chloe ihre Hände nach mir ausstreckte.
„Ich, ja, mir war nur etwas übel. Wie in letzter Zeit häufiger. Muss an der Menge an Essen liegen, die ich zur Zeit zu mir nehme.", sagte ich und lächelte Chloe an, doch sie wirkte nicht überzeugt. Stattdessen schaute sie mich besorgt an.
„Was ist?"
„Kann es sein, also, hast du schon einen Test gemacht?", fragte sie. Erst stand ich auf dem Schlauch, doch dann verstand ich, was sie meinte.
„Nein, oh Gott, wieso? Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich schwanger bin.", winkte ich ab und ging zurück in Chloes Zimmer. Sie folgte mir, schien jedoch mit meiner Ansicht nicht ganz einverstanden zu sein.
„Aber meinst du nicht, dass du es lieber wissen solltest, falls es so ist?" Sie sprach sanft und brachte mich damit zum grübeln. Es stimmte, dass die Übelkeit seit mehr als zwei Wochen fast täglich da war, doch musste das direkt heißen, dass ich schwanger war?
„Du solltest einen Test machen.", sagte Chloe. Ich schaute in ihre Augen und nickte schließlich. Selbst wenn ich schwanger war, würde sich das durch das Vermeiden des Testes nicht ändern...
„Du hast recht, aber woher kriege ich jetzt noch einen Test? Die Apotheke hat seit eine Stunde zu und-„ Chloe verließ den Raum, ich hörte sie kramen, dann kam sie mit einem Paket in der Hand wieder. Sie hielt es mir hin und ich nahm es zögerlich und mit zitternden Händen an.
„Den habe ich mal gekauft, nur für den Fall." Ich blickte von dem Test in meiner Hand zu ihr auf. Dankbar nahm ich sie in den Arm.
Da ich bis zum nächsten Morgen warten musste, machten wir mit meinem Kleid weiter. Während Chloe mir von den letzten Jahren erzählte, huschte mein Blick immer wieder zu dem Test, der aus meiner Tasche herausschaute.

Am nächsten Morgen machte ich den Test. Da ich in der Frühe bei Mrs. Peterson nicht die Zeit dazu gehabt hatte, nahm ich ihn mit zu meiner Mum. Ich hatte Angst, dass ich jemand entdecken würde, deshalb ging ich bei der erstbesten Möglichkeit nach oben und machte den Test. Erst hatte ich es übertriebene gefunden, dass es einer dieser Test war, der einem nicht nur sagte, ob, sondern auch wie lange man schon schwanger war. Als kleinen Zahlen auf dem Display auftauchten, stockte mir der Atem. 5-6 Wochen.

Ich versuchte tief durchzuatmen und mir nichts anmerken zu lassen. Die einzigen, die bis jetzt davon wussten, waren Chloe und ich. Wenn ich es also nicht wollte, musste ich es Harry also noch nicht erzählen. Selbst wenn ich es den gesamten gestrigen Tag versucht hatte.
Die Türen des Aufzuges öffneten sich und ich folgte dem Concierge zu meinem Zimmer.
„Danke.", sagte ich, schloss die Tür auf und zog meinen Koffer hinein. Das Zimmer sah genau aus wie jenes, dass wir bei unserem letzten Besuch bewohnt hatten.
Zwei Arme schlossen sich von hinten um mich und zogen mich gegen einen warmen, muskulösen und mir nur zu bekannten Körper.
„Da bist du ja endlich. Ich habe dich so vermisst, Babe.", hauchte Harry und küsste meinen Hals. Ich wollte ihn küssen; ihm sagen, dass ich ihn auch vermisste hatte und ihn schrecklich liebte, doch erst mal wollte ich ihm sagen, wie wütend ich auf ihn war.
Ich drehte mich um und schubste Harry von mir, als er mich küsste.
„Lass das, Harry!", sagte ich laut. Erschrocken sah er mich an. Seine Hände gingen hingen noch in der Luft.
„Was ist denn?"
„Was ist? Wie wäre es mit einer Erklärung? Warum habe ich dich weder gestern, noch vorgestern erreichen können? Glaubst du, du kannst mich einfach ignorieren und es ist alles wieder gut, weil du mich zu dir fliegst? Da täuschst du dich aber gewaltig.", meckerte ich. Harry schien jetzt zu verstehen. Doch als er plötzlich zu grinsen begann, trieb er die Wut nur noch an. In mir kochte es, doch Harry kam noch immer grinsend auf mich zu, schloss seine Arme um mich und ignorierte mein Wehren.
„Ich bin so froh, dass du hier bist.", flüsterte er. Harry gab nicht auf, er hielt mich weiterhin fest. Ich wehrte mich, schubste ihn härter, bis die Wut anfing sich aufzulösen. Seufzend ließ ich mich gegen ihn sinken und schloss meine Augen.
„Siehst du, war doch gar nicht so schwer." Leicht genervt sah ich in seine Augen und zog eine Augenbraue hoch. Harry lachte und zog mich dann zum Bett. Ich setzte mich neben ihn und ließ zu, dass er meine Hände in seine nahm. Für einen Augenblick schaute er mir bloß in die Augen. Als er sich mir dann näherte, ließ ich zu, dass er mich küsste. Den zweiten Kuss erwiderte ich, weshalb Harry seufzte. Er lehnte seine Stirn an meine, sein Atem kitzelte mein Gesicht.
„Es tut mir leid, wirklich. Wir waren die letzten Tage nur unterwegs und dann habe ich das hier noch organisiert, weil ich wollte, dass alles perfekt wird für dich und dann war ich nicht wirklich viel am Handy und habe wohl vergessen, dir zu antworten. Tut mir leid." Ich sah in Harrys Augen, dass seine Entschuldigung ernst gemeint war. Erleichtert legte ich meine Hand an seine Wange und küsste ihn sanft.
„Länger hätte ich es ohne dich nicht ausgehalten.", hauchte ich. Harry lächelte und küsste meine Nasenspitze.
„Erzähl, wie läuft es zuhause?" In den nächsten Minuten berichtete ich Harry alles über die Zustände zuhause. Er lachte häufig und machte sich etwas über meine Reaktionen lustig. Das war auch leicht gesagt, wenn man nicht mit drin steckte, also beließ ich es dabei und erzählte weiter. Ich erzählte von den Vorbereitungen und schließlich von Chloe.
„Du hast noch nie vorher von ihr erzählt.", sagte Harry, während er verträumt mit meinen Haaren spielte.
„Wir haben und nach dem Abschluss sehr schnell voneinander entfernt und ich hatte nicht damit gerechnet, dass wir jemals wieder so etwas wie Freunde werden würden. Aber ich bin froh darüber. Sie ist so talentiert und im Endeffekt sind wir uns sogar sehr ähnlich."
„Inwiefern?"
„Sie liebt das Designen, wie ich das Schreiben. Genau wie ich empfindet sie das Kleinstadtleben als erdrückend und lästig. Das ist auch der Grund, dass ich ihr nach der Hochzeit helfen werde, nach London zu ziehen.", verkündete ich. Harry sah zu mir herunter und begann stolz zu lächeln.
„Das ist wundervoll, Babe. Sie braucht dann sicher eine so gute Freundin, wie dich. Ich kann nur bestätigen, dass durch dich das Leben besser wird.", sagte er. Ich lehnte mich hoch und küsste Harry, einfach, weil ich glücklich war.
„Und was machen wir jetzt noch hier in Berlin?", fragte ich neugierig.
„Heute Abend ist das Konzert; das letzte der Tour. Dazu bist du natürlich herzlich eingeladen und ich soll dir ausrichten, dass Snitch dich persönlich abholt, wenn du nicht mitkommst." Ich lachte und kuschelte mich enger an meinen Verlobten.
„Dann komme ich natürlich. Wir wollen Snitch ja keine Arbeit machen.", sagte ich lachend.
„Sehr gut. Ich treffe mich morgen früh zum Abschluss mit der Band, den Rest des Tages verbringen wir gemeinsam in der Stadt und nachdem ich dich abends ausgeführt habe, fliegen wir zu deiner Familie und heiraten."
„Das wird ja auch endlich Zeit.", seufzte ich. Harry nickte und küsste mich leidenschaftlich.
„Ich muss langsam duschen, Babe.", brachte Harry zwischen den Küssen hervor.
„Dann lass uns duschen gehen." Harry sah mich erstaunt an, weshalb ich provokant lächelte.
„Dachtest du, ich lasse dich gleich wieder gehen? Dann kennst du mich aber schlecht." Harry sprang auf und fing an sowohl mich, als auch sich auszuziehen.
Durch Momente wie diesen wurde mir wieder bewusst, was ich an Harry und wieso wir drauf und dran waren, Mann und Frau zu werden.
Harry war mehr als mein Verlobter. Er war mein Seelenverwandter. Derjenige, der mich immer aufheiterte und für mich da war. Dem ich nicht lange böse sein konnte, egal was er anstellte. Er war Harry und das was genau das, was ich brauchte und wollte.

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