23. Kapitel

64 14 0
                                    

Lindsay Parker schenkte dem alten Mann ein flüchtiges Lächeln, als sie ihm die Medikamente in die Hand drückte und ihn in Richtung Ausgang schob.

„Auf Wiedersehen, Mr Putnam."

„Na, hoffentlich nicht hier", knurrte Mr Putnam und verließ mit schlurfenden Schritten die Notaufnahme.

Lynn lief zur Aufnahme, wo auf einem Whiteboard alle Patienten aufgeschrieben waren, die bereits aufgenommen worden waren und entweder auf eine erste Behandlung, ihre Entlassung oder die Verlegung auf eine andere Station warteten. Erleichtert wischte sie Mr Putnams Namen weg.

„Beth!", rief sie nach einer Krankenschwester, die gerade an der Aufnahme vorbeilief, die Arme voll beladen mit Infusionen, Spritzensets und Verbänden, mit denen sie die Schränke wieder auffüllen wollte.

„Dr. Parker?" Beth war in Eile, wie ihre geröteten Wangen und ihr gehetzter Gesichtsausdruck verrieten. Kein Wunder, bei dem Chaos, das heute in der Notaufnahme herrschte!

Heute Nacht waren unter anderem fünf Jugendliche eingeliefert worden, die gemeinsam eine Überdosis genommen hatten.

Zwei von ihnen hatten nicht überlebt, ein anderer kämpfte noch um sein Leben.
Eine deprimierende Quote.

„Beth, bitte pieps Henry und Rye an, wir brauchen hier dringend Unterstützung."

„Ist gut, Dr. Parker, ich kümmere mich gleich darum. Ich bring das hier nur schnell weg." Sie deutete mit ihrem Kinn auf ihre voll beladenen Arme.

Lynn nickte. Sie warf einen flüchtigen Blick in den Wartebereich, der völlig überfüllt war. Was war denn heute bloß los? Als hätte sich ganz Whitingham verabredet, krank oder verletzt zu sein!

Lynn seufzte resigniert, ließ das Krankenblatt wieder sinken, das sie sich gerade genommen hatte und steuerte auf die Damentoiletten am Ende des Ganges zu.
Nur zwei Minuten Auszeit.

Sie ging zum Waschbecken und schlug sich etwas Wasser ins Gesicht. Mit zusammengekniffenen Augen fixierte sie ihr Spiegelbild.

Das Nachbarkrankenhaus hatte wegen Umbauarbeiten die Notaufnahme für eine Tage geschlossen, sodass das Whitingham Medical Center nun das einzige Krankenhaus in weitem Umkreis war.

Dazu kam, dass viele ihrer Kollegen wegen Grippeerkrankungen ausfielen und Henry sich zwei Tage Urlaub genommen hatte.

Amber war ebenfalls verreist und ihren eigenen Studenten hatte Lynn vor einer Stunde nach Hause geschickt, weil er sich bei dem Anblick eines Verbrennungsopfers übergeben hatte und danach unmöglich hätte weiterarbeiten können.

Für Henry tat es Lynn besonders Leid, dass sie ihn aus seiner so seltenen freien Zeit mit seiner Frau reißen musste, aber sie konnte hier nicht nur mit zwei weiteren überforderten Assistenzärzten die Nachtschicht schmeißen.

Er würde sofort kommen, da war Lynn sich sicher. Er war einfach zu pflichtbewusst.

Rye Hoover dagegen würde es ihr mit Sicherheit die nächsten Wochen noch unter die Nase reiben, dass sie ihre Hilfe gebraucht hatte.

„Nur noch sechs Stunden, Lynn, du schaffst das!", ermutigte sie sich selbst und kniff sich in die Wangen, damit sie wieder etwas mehr Farbe bekämen.

Ein letztes Mal atmete sie tief durch, bevor sie sich wieder ins Getümmel der Notaufnahme stürzte.

Lynn ging zur Aufnahme zurück, um am Brett nachzusehen, welche der Patienten noch auf eine Behandlung warteten. Es waren mal wieder viel zu viele.

„Lynn?"

Fragend wandte Lynn sich zu der zweiten Assistenzärztin um, die heute Dienst hatte. „Ja?"

Whatever It TakesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt