74. Kapitel

79 12 6
                                    

„Er sagte: Wenn du Landon nicht vergibst, wird es immer wehtun."

Kate zuckte innerlich zusammen. Kendras Worte echoten in ihrem Kopf als wären sie in einer Tropfsteinhöhle ausgesprochen worden und würden jetzt tausendfach von den Wänden wiederhallen.
Es war, als wären sie diese Worte nur für sie ausgesprochen worden.

Wenn du ihm nicht vergibst, wird es immer wehtun.

Die Wahrheit in diesen Worten raubte ihr den Atem und sie wusste instinktiv, dass das für sie bestimmt war.

Solange sie Henry nicht vergeben konnte, würde der Gedanke an ihn, ihre Ehe und das, was sie früher gehabt hatten, ihr immer weh tun.

„Mit meinem besten Freund und mit Jesus gemeinsam habe ich das geschafft, was mir am selben Tag noch völlig unmöglich schien. Ich habe Landon vergeben, genauso wie meinen beiden Freundinnen und allen anderen, die, wissentlich oder unwissentlich, immer wieder ihren Finger in diese unglaublich tiefe Wunde gelegt haben. Was ich vorher immer leise oder lautlos getan habe, habe ich jetzt erstmals laut ausgesprochen: Vergebung."

Auf Kendras Gesicht breitete sich ein leichtes Lächeln aus, in dem eine solche Wärme lag, dass es Kate den Boden unter den Füßen wegzog.

„Es war gut, es auszusprechen, trotzdem hatte ich mehr von diesem Moment erwartet. Ich habe einfach... nichts gefühlt." Kenny lachte leise. „Ich habe mit sofort bei Josh beschwert." Sie hielt kurz inne, als würde sie sich an etwas erinnern, was sie nicht erzählen würde. „Und wieder hat er etwas Wichtiges, Wahres gesagt: Vergebung ist kein Gefühl."

Sie machte eine Pause.

Kate runzelte die Stirn. Vergebung war kein Gefühl? Was genau wollte Kendra damit sagen?

„Genauso hab ich auch geguckt." Kenny nickte den Jugendlichen zu. „Ich habe nicht verstanden, was er damit meinte, weil Vergebung für mich bis dahin immer bedeutete, zu fühlen, dass alles wieder gut war. Ob durch eine Umarmung oder einfach das Gefühl von tiefem Frieden... irgendetwas war immer da gewesen. Aber diesmal nicht. Ich hatte Angst, dass es nicht ernst sein könnte. Vielleicht musste ich es nur ein paar Mal öfter aussprechen."

Rebekka, die neben Kate saß, lachte leise.

„Und dann hat Josh erklärt, was er meinte. Aus biblischer Sicht ist Vergebung, genau wie Liebe, eine Entscheidung, kein Gefühl."

Sie ließ ihre Worte einen Moment wirken, bevor sie weitersprach.

„Diese Entscheidung zu treffen bedeutet aber nicht, einfach etwas auszusprechen und dann alles zu vergessen. Auch so funktioniert Vergebung nicht. Sondern es bedeutet auch, den Entscheidungen Taten folgen zu lassen."

Sie räusperte sich.

„Landon hatte mir einen Brief geschickt, den ich bis dahin nicht gelesen hatte. Ich hatte Angst davor, was er mir sagen würde. Aber nachdem Josh gegangen war, habe ich mich endlich getraut, ihn zu lesen. Und was Landon darin geschrieben hat, war genau das, was ich niemals erwartet, aber dennoch erhofft hatte. Aus irrationaler Furcht, er würde es nicht schreiben, sondern mich stattdessen beleidigen und nie wieder sehen wollen, habe ich ihn bis dahin nicht angerührt gehabt. Landon hat um Vergebung und ein Gespräch gebeten. Und heute kann ich hier stehen und sagen, dass beides geschehen ist. Das Gespräch und Vergebung. Das heißt nicht, dass ich nicht mehr verletzt bin von dem, was zwischen uns passiert ist, geschweige denn, es vergessen kann. Aber ich kann ihn wieder ansehen ohne ihn und mich zu hassen oder mich schuldig zu fühlen. Denn ich weiß, dass auch er und Gott mir vergeben haben."

Kendra legte das Mikrofon zur Seite, stand auf und setzte sich wieder an ihren Platz. Tom kam nach vorne. „Vielen Dank, Kenny. Ich weiß gar nicht, was ich noch sagen soll. Eigentlich hat Kenny das schon super zusammengefasst. Aber lasst uns doch noch einmal in die Bibel schauen, was Gott genau zu Vergebung sagt."

Whatever It TakesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt