94. Kapitel

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Seit er vom WMC losgegangen war, wo er sich bis auf weiteres von seiner Schwester verabschiedet hatte, hatte Ryan Tucker beständig nach Verfolgern Ausschau gehalten.

Entweder, die Kollegen seines Bruders waren doch besser, als er gedacht hatte, oder sie hatten einen anderen Weg gefunden, ihn zu überwachen.

Denn dass Josh ihn aus den Augen verloren hatte, war dann doch zu unwahrscheinlich.

Scheinbar interessiert an dem, was in einem Schaufenster angeboten wurde, blieb Ryan stehen und beobachtete in der Spiegelung der Scheibe aufmerksam die Menschen, die hinter ihm vorbei liefen.

Es war bereits abends. Die meisten Geschäfte waren gerade dabei, zu schließen, und die Bürger Whitinghams machten sich pünktlich zum Dienstschluss auf den Heimweg.

Doch für Ryan fing der Tag mit dem Beginn des doch recht dürftigen Nachtlebens der kleinen texanischen Stadt erst an.

Ein Lächeln spielte um seine Lippen, als er auf der anderen Straßenseite einen leger gekleideten Mann mit hellem Haar erblickte, der sich auf eine Bank gesetzt hatte und beinahe unentwegt in seine Richtung blickte.

„Da bist du ja", murmelte Ryan siegessicher.

Es war leichter, Feinden aus dem Weg zu gehen, die man kannte.

Mit einem letzten Blick prägte er sich Kleidung, Haltung und Gesicht des Mannes ein, so gut er es erkannte, dann wandte er sich von der Schaufensterscheibe ab und ging weiter die Straße entlang, als wüsste er nicht, dass ihm jemand folgte.

Ryan legte ein zügigeres Schritttempo vor, da Lary ihn in fünfzehn Minuten sehen wollte und auch ohne die Umwege, die er nun seines Verfolgers wegen nehmen müssen würde, wäre er ziemlich knapp zu dem Treffen gekommen.

Maya hatte mal wieder geredet wie ein Wasserfall und die Zeit, die er länger bei ihr im Krankenhaus geblieben war, fehlte ihm jetzt.

Aber wenigstens kannte er die kleinen Straßen dieser Stadt mittlerweile gut genug, um innerhalb kürzester Zeit einen Verfolger abhängen zu können.

Sein Handy vibrierte in der Innentasche seiner Jacke. Ryan zog es heraus und sah den Namen seines Bruders auf dem Display aufleuchten.

Normalerweise würde er den Anruf nicht annehmen und sich schleunigst ein neues Handy kaufen, um Josh kein GPS-Tracking zu ermöglichen, aber noch befand er sich sowieso unter Beobachtung, also nahm er den Anruf an, während er in eine dunkle, schmale Seitengasse einbog.

Es war ihm ein Rätsel, wie Josh jedes Mal so schnell seine Handynummer herausfinden konnte.

„Großer Bruder, wie laufen die Ermittlungen?", meldete er sich sarkastisch.

Klar, Josh war wirklich gut in dem, was er tat, aber Ryan glaubte Lary gut genug zu kennen, um sie einschätzen zu können - und er schätzte sie nun mal gewiefter, intelligenter und intriganter - kurz: besser - ein als Josh und seine Kollegen.

„Hallo, Ryan." Die warme Stimme seines Bruders drang durch den Hörer und klang eindeutig zu freundlich.

In letzter Zeit schaffte es Josh immer wieder, eine Sehnsucht in ihm auszulösen, die er lange nicht gekannt hatte und die ihm peinlich war: es war der Wunsch, endlich Zuhause zu sein.

Ryan schüttelte den Kopf. Das war immer noch Josh! Sein Bruder, der sich immer wieder zu seinem Vater aufgespielt und ihm die Freiheit genommen hatte, er selbst zu sein.

Er hatte Maya schon immer ihm vorgezogen, war immer zu ihm strenger gewesen und hatte mehr von ihm als von ihr erwartet.

Aber letztendlich war es doch immer er gewesen, der während Joshs zahlreicher Einsätze auf Maya aufgepasst und ihr erklärt hatte, warum sie bei Fremden aufwachsen mussten und es ihren großen Bruder scheinbar nicht kümmerte, was aus ihnen wurde.

Whatever It TakesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt