51. Kapitel

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„Er ist weg."

Kate reichte Neela resigniert das Handy zurück.

Diese wandte sich um und ließ ihren Blick schweifen. „In Ordnung. Lass uns verschwinden." Sie legte die Hose zurück und bahnte sich einen Weg durch das Kleidergeschäft.

Kate folgte ihr blind und gemeinsam verließen sie das Shoppingcenter durch einen Nebeneingang. Ohne zu zögern überquerte Neela die Straße und lotste sie in ein abgelegenes Restaurant. Sie suchten sich einen kleinen Tisch in einer der Ecken. Neela bestellte Getränke und richtete ihren Blick dann auf sie.

„Kate, was ist los? Wer ist dieser Mann?"

Kate bekam eine Gänsehaut. Unruhig blickte sie sich in dem Raum um, doch außer einigen wenigen anderen Gästen und den Kellnern sah sie niemanden.

„Ich weiß es nicht. Aber ich hab ihn in den letzten Tagen schon oft gesehen, zu oft. Vor unserem Haus, vor dem Krankenhaus... Ich denke auch, dass er derjenige ist, der mich schon mehrmals mit dem Auto verfolgt hat."

Neela kniff die Augen zusammen. „Aber kennen tust du ihn nicht?"

„Nein, ich habe ihn vorher noch nie gesehen."

„Hast du eine Idee, wieso er das macht?"

„Nein. Das ist doch total unlogisch, ich habe doch nichts gemacht! Wenn, dann müsste jemand Henry überwachen – immerhin wurde doch auch versucht, ihn umzubringen."

Ratsuchend blickte Kate Neela an, die nachdenklich einen Schluck ihres Kaffees nahm. „Wart ihr mal bei der Polizei?"

„Pff", machte Kate. „Henry ist viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt."

„Wie meinst du das?"

Kate seufzte wütend. „Ach, ich weiß auch nicht. Seit seinem Unfall ist einfach nichts mehr wie vorher. Am Anfang konnte ich es echt noch verstehen. Ich hab alles versucht, um ihn aus diesem Selbstmitleid und Selbsthass herauszuholen und ehrlich, nach Thanksgiving und den Gesprächen mit Samuel und Mark dachte ich, er wäre auf dem Weg der Besserung – psychisch zumindest. Und als er dann begonnen hat, wieder zu laufen... Ich dachte, es würde endlich wieder alles gut werden!"

„Und das ist es nicht?" Neelas Frage klang mehr wie eine Feststellung, trotzdem nickte Kate. Sie hatte vergessen, wie sehr die sanfte, mitfühlende Stimme und das offene Ohr einer Freundin es erleichtern konnten, über Probleme zu reden.

„Eine Arbeitskollegin hat mich letztens darauf aufmerksam gemacht, dass er zu viele Schmerzmittel nimmt."

„Sie glaubt, er ist abhängig?"

„Nicht nur sie."

Neela hob eine Augenbraue. „Oh." Sie bis sich auf die Lippe, als sie zu verstehen schien, dass Kate sich Lynns Meinung mittlerweile angeschlossen hatte. „Hast du ihn mal drauf angesprochen?"

„Ja." Bei der Erinnerung daran legte sich ein bitterer Zug um Kates Mund. „Als Antwort habe ich eine Ohrfeige bekommen."

„Kate!" Neela blickte sie entsetzt an und Kate spürte, wie sie die Tränen kaum noch zurück halten konnte. Wie von selbst sprudelten die Worte nun aus ihr heraus.

„Ich hatte seine Tabletten in der Toilette entsorgt. Er hat mich geschlagen, ich bin gestolpert und hingefallen, mit dem Kopf gegen einen Schrank."

„Kate", wiederholte Neela besorgt und legte eine Hand auf Kates. „Das ist nicht gut."

„Nein, ist es nicht. Aber was soll ich schon machen? Ich kann ihn ja schlecht zum Entzug zwingen, wenn er nicht einmal einsehen will, dass er süchtig ist."

Wütend über ihre Emotionalität wischte Kate sich die Tränen aus dem Gesicht und griff dankbar nach dem Taschentuch, dass Neela ihr reichte. So leise wie möglich putzte sie sich die Nase, um die anderen Gäste nicht zu stören oder deren Aufmerksamkeit nicht auf sich zu ziehen.

„Wenn er dich geschlagen hat, ist er zur Gefahr für andere geworden und damit kann er zwangseingewiesen werden."

Kate schüttelte vehement den Kopf. „Das könnte ich ihm niemals antun!"

„Du würdest ihm helfen und das würde er im Nachhinein verstehen, glaub mir!"

„Nein, ich kann das nicht."

„Hey." Neela blickte sie ernst an und wartete, bis Kate ihren Blick erwiderte. „Was du nicht kannst, ist daneben zu stehen und zuzusehen, wie dein Ehemann sich selbst zerstört."

Kate starrte auf ihre Hände, die unbewusst begonnen hatten, mit ihrer Serviette zu spielen, und schwieg.

Neela seufzte. „Es tut mir so leid, wie es gerade zwischen euch ist."

„Das muss es nicht. Vielleicht wusste ich bei unserer Hochzeit einfach doch nicht, worauf ich mich einlasse. Vielleicht bemerkt Henry gerade, dass er mich doch nicht so sehr liebt, wie er dachte."

„Kate." Neela schüttelte bestimmt den Kopf. „Wenn ich eines mit Sicherheit über Henry sagen kann, dann, dass er dich liebt. Was immer die Abhängigkeit mit ihm macht, seine Liebe ist definitiv etwas, das bleiben wird."

Kates Schweigen schien Neela als stummen Widerspruch zu deuten, denn nach kurzer Pause fuhr sie fort: „Ich habe es so oft gesehen, Kate. Die Art, wie er dich ansieht, wie er mit dir umgeht. Das ist Liebe und glaube mir, diese Liebe wird das überstehen, wo ihr gerade hindurch geht und wird euch zu dem Punkt zurück führen, wo du diese Liebe neu erkennst und wo ihr beide, du und Henry, wieder neu anfangen könnt."

Kate wischte sie die Tränen von den Wangen. Die Erinnerungen an Henry, wie er sie voller Liebe ansah und berührte, waren zu schmerzhaft, um sich ihnen zu lange hinzugeben.

Sie schwiegen kurz, doch dann lenkte Kate das Thema auf Neela, um ein wenig von sich abzulenken. Sie war aufgewühlt genug und brauchte ein bisschen, um Neelas Worte zu verarbeiten. „Wie geht es dir eigentlich?"

Neelas Blick sagte ihr, dass ihr der abrupte Themenwechsel sehr wohl aufgefallen war, doch zu Kates Erleichterung ließ sie sich darauf ein. „Ganz gut eigentlich. Ich meine, ich gehe dem Job nach, den ich immer machen wollte, arbeite mit fantastischen Menschen und bin mit dem Mann zusammen, den ich mehr als jeden anderen Menschen auf der Welt liebe."

„Dein Tonfall klingt irgendwie doch nicht so ganz, als wärst du zufrieden", bemerkte Kate.

„Nein", gab Neela mit einem Seufzen zu. „Aber ich weiß auch nicht, woran das liegt. Ich meine, ich sehe Mark zwar selten, aber wir haben uns beide freiwillig dafür entschieden und es war uns bewusst, was das bedeuten würde."

„Aber im Grunde sehnst du dich doch danach, ihm so wichtig zu sein, dass er ISASP für dich aufgibt", ergänzte Kate sanft.

„Ich glaube schon." Neela seufzte und begann mit ihrer Halskette zu spielen. „Das klingt so egoistisch!"

„Es ist aber völlig nachvollziehbar und legitim. Jede Frau möchte für einen Mann das wichtigste, die Prinzessin sein. Und auch wenn das kitschig klingt, aber du hast diesen Prinzen verdient, der alles für dich aufgeben würde – auch seinen Beruf."

Kate lächelte ihre Schwipp-Schwägerin in spe an – eine Bezeichnung, die viel unpersönlicher klang, als ihre Beziehung war.

Zugegebenermaßen hatte Kate Neela früher nicht allzu sehr gemocht, doch seit diese mit dem Bruder ihres Manns zusammen war und Kate sie immer besser kennenlernte, hatte sie begonnen, Neela wie eine jüngere Schwester zu lieben.

„Meinst du, Mark ist wirklich der Richtige für mich?" Eine Träne lief über Neelas Wange, doch auch sie wischte sie schnell weg.

„Neela, hör auf, daran zu zweifeln!" Jetzt war es an Kate, die andere aufzumuntern. „Wenn wir hier schon über die O'Ryans reden – Neela, du weißt schon, dass ich eines Tages mit dir verwandt sein will, also stell Marks Liebe zu dir nicht deswegen in Frage!"

Um ehrlich zu sein glaubte Kate sowieso, dass Mark seiner Freundin bald einen Antrag machen würde. Sie hatte da einfach so ein Gefühl, dass er nur nicht wusste, ob Neela bereit wäre, den ASS für ihn aufzugeben.

Whatever It TakesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt