15. Kapitel

81 14 5
                                    

„Kate, Mikey fragt nach dir." Ryder streckte seinen Kopf ins Behandlungszimmer, wo Kate gerade einem siebenjährigen Jungen den Arm eingegipst hatte.

„Ich bin hier gleich fertig", nickte sie und wandte sich ihrem jungen Patienten und seinen Eltern zu.

Sie erklärte ihnen noch, worauf sie in den nächsten Tagen achten mussten, machte einen Termin zur Nachuntersuchung fest und schickte die kleine Familie dann an die Aufnahme, wo eine Krankenschwester die Entlassungspapiere des Jungen fertig machen würde.

Erst dann machte Kate sich endlich auf den Weg zu Michael Williams' Zimmer. Sie klopfte an und betrat den Raum, ohne eine Antwort des Jungen abzuwarten.

„Hey, Jersey, schon Sehnsucht nach mir?", fragte sie, doch ihr Lächeln machte sofort einem besorgten Stirnrunzeln Platz, als sie Mikeys tränenüberströmtes Gesicht sah.

„Mikey?" Kate setzte sich auf die Kante seines Bettes. „Was ist los?"

Mikey schluchzte auf. „Dad war wieder da."

Kates Herz zog sich zusammen. Hatte Mr Williams etwa doch...? Und das im Krankenhaus? „Was hat dein Vater getan, Mikey?" Ihre Stimme zitterte leicht.

„Er hat gesagt, dass Mom –..." Mikeys Worte gingen in seinen Schluchzern unter.

Kate nahm ihn in den Arm und strich sanft über seinen Kopf. Gesagt. Sie konnte nicht leugnen, dass sie erleichtert war. Mr Williams hatte seinen Sohn schon mal nicht geschlagen! Trotzdem fragte sie sich, was ihren kleinen Patienten so zum Weinen brachte.

Schon platzte Mikey damit heraus: „Mom zieht nach New York zurück. Sie will sich von Daddy scheiden lassen!" Hilfesuchend blickte Mikey sie an. „Daddy sagt, sie liebt jemand anderen. Aber wie kann man denn jemand anderen als Daddy lieben?" Wieder füllten sich seine Augen mit Tränen.

Wortlos drückte Kate ihn an sich und blinzelte gegen ihre eigenen Tränen an.

„Doc?", schluchzte Mikey schließlich. „Warum tut Mom uns das an?"

Kate ließ ihn los und blickte ihn traurig an. Es musste furchtbar sein, wenn sich die eigenen Eltern nicht mehr liebten...

Kate war froh, nicht zu wissen, wie es sich anfühlte und gleichzeitig hatte sie das Gefühl, Mikey deswegen keine ausreichende Antwort geben zu können.

„Ich weiß nicht, wieso sie das tut", gestand Kate. „Aber vielleicht dachte sie, es wäre besser, euch zu erzählen, dass sie jemand anderen liebt, anstatt ihn hinter dem Rücken deines Vaters zu treffen und euch die ganze Zeit etwas vorzuspielen."

„Aber so ist es garantiert nicht weniger gemein!" Wüten schlug Mikey auf seine Bettdecke.

„Manchmal ist es für alle Beteiligten besser, wenn die Wahrheit ans Licht kommt, auch wenn sie noch so schmerzhaft sein kann. Aber Lügen sind noch schlimmer, weil sie nicht nur die Beziehung, sondern auch das Vertrauen zwischen deiner Mom und deinem Dad zerstören würden."

„Und was macht die Wahrheit anderes?", hielt Mikey trotzig dagegen.

Kate seufzte. „Ich glaube, je länger man damit wartet, die Wahrheit zu sagen, desto mehr zerstören die vielen Lügen das, was vorher mühevoll an Beziehung und Vertrauen aufgebaut wurde."

„Aber das ist so gemein von Mom!" Verzweifelt blickte Mikey sie an, als würde er erwarten, dass Kate mit wenigen Worten seine ganze Welt wiederherstellen könnte. „Sie kann uns doch nicht einfach so alleine lassen! Wir waren schon immer zu dritt. Ich dachte, sie wäre auch glücklich!"

„Ich kann mir nicht vorstellen, dass deine Mom jemals vorhatte, das zu tun, Mikey. Manche Dinge passieren, weil uns erst viel zu spät auffällt, an welcher Stelle wir den falschen Weg eingeschlagen haben. Aber auf jeden Fall wollte sie dich niemals verletzen!"

Whatever It TakesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt