93. Kapitel

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„Ich weiß, ich wiederhole mich, aber ich will, dass du weißt, dass mir das alles unendlich leid tut und ich es sofort ungeschehen machen würde, wenn ich könnte", schloss Henry seinen Bericht.

Angespannt wartete er auf Kates Reaktion, doch sie sah weiterhin stumm auf den Boden. Überhaupt hatte sie seit Beginn seiner Erzählung nur selten aufgeblickt.

Nervös begann er, mit dem Reisverschluss seiner Strickjacke zu spielen, die er trotz der sommerlichen Temperaturen im überdachten, beheizten Innenhof des Hotels noch immer trug.

Konnte sie nicht bitte etwas sagen? Einfach irgendetwas, damit sie nicht noch länger schweigend nebeneinander sitzen mussten.

Nicht ein einziges Mal hatte sie ihn unterbrochen, hatte nicht einmal die Momente, wo er um Worte gerungen hatte, genutzt, um etwas zu sagen, geschweige denn sonst eine Reaktion zu zeigen.

„Ich weiß nicht, ob du ahnst, wie sehr du mich verletzt hast, Henry", sagte Kate schließlich und hob endlich den Kopf.

Ihre Worte trafen ihn, doch ihr Blick, der ihre Worte als Untertreibung bloßstellte, stach ihm ins Herz. Er wollte etwas antworten, doch irgendetwas sagte ihm, dass es besser wäre, sie erst weiterreden zu lassen.

„Warum hast du mir nichts von Lary erzählt, Henry? Hast du mir schon damals nicht vertraut?"

Henry runzelte die Stirn. Okay, dieser Vorwurf tat wirklich weh. Glaubte sie wirklich, er hätte das alles vor ihr geheim gehalten, weil sie ihm nicht wichtig genug wäre oder er ihr nicht genügen vertraute?

„Nein, Kate." Er legte alle Ehrlichkeit in seinen Blick, um ihr zu zeigen, dass er seine Worte wirklich ernst meinte. „Ich wollte nicht, dass Lary ihre Männer auf dich ansetzt. Zu wissen, dass du verfolgt wurdest, war einfach nur furchtbar."

Noch immer spürte er diese ohnmächtige Wut in sich. "Und nachdem du im Krankenhaus angegriffen worden warst, hat mich die Sorge um dich fast umgebracht."

Ihr skeptischer Blick sprach für sich. Auch ohne ihre Antwort hätte er begriffen, dass sie ihm nicht glaubte. „Schon klar. Deswegen hast du nichts unternommen, sondern einfach zugesehen, wie ich beinahe umgebracht wurde!"

In ihrer Stimme schwang eine Bitterkeit mit, die er noch nie bei ihr gehört hatte und er sah die Tränen in ihren Augen, bevor sie den Kopf abwandte und sich über die Augen wischte.

Henry fuhr sich durch die Haare und atmete laut aus. In ihm brodelten die verschiedensten Emotionen, die er kaum selbst begriff, geschweige denn in Worte würde fassen können.

Wie sollte er sich für etwas entschuldigen, für das es keine Entschuldigung gab? Wie etwas erklären, dass er selbst nicht verstand?

„Das ist wahr, Kate." Er bemühte sich, seine Stimme ruhig zu halten, da sie bereits die Aufmerksamkeit einiger Hotelgäste auf sich gezogen hatten und auch, damit Josh Tucker sie nicht hören konnte.

Wenn er ehrlich war, hemmte ihn die Anwesenheit des Agenten ein wenig und gab ihm das Gefühl, ständig unter Beobachtung zu sein, ein Gefühl, das er aus den letzten Wochen und Monaten nur zu gut kannte.

Aber mittlerweile glaubte er, Lary gut genug zu kennen und einschätzen zu können, um zu wissen, dass die Anwesenheit seines Bruders und dessen Freundes zu ihrem Schutz durchaus nötig sein würde.

Wenn nicht heute, dann morgen oder übermorgen.
Aber irgendwann würde sie kommen.

„Hast du es genossen, zuzusehen? Warst du enttäuscht, mich nicht los zu sein?" Ihre Worte erschreckten ihn.

„Wow, Kate, Stopp!" Entsetzt blickte er sie an und hob abwehrend die Hände. „Hör auf damit, das ist nicht wahr!" Er legte eine Hand unter ihr Kinn, hob ihren Kopf und zwang sie so, ihn anzusehen. „Kate O'Ryan, zu keiner Zeit habe ich es genossen, die wehzutun!", stellte er mit Nachdruck klar.

Eine Träne löste sich aus ihrem linken Auge, perlte an ihrer weichen Haut ab, lief ihre Wange hinunter und tropfte auf seine Hand.

„Kate, bitte, glaub mir." Verzweifelt suchte er ihren Blick, doch sie wich ihm aus und sah wieder auf den Boden.

Sie hatte mehr als das Recht, wütend, verletzt und enttäuscht zu sein – das hatte er definitiv verdient. Doch gleichzeitig hatte er Angst, sie könnte beschließen, dass eine Zukunft mit ihm für sie nicht mehr infrage kam. Er könnte es verstehen, müsste es akzeptieren, aber es würde sein Herz brechen.

„Ich habe nur eine Bitte." Seine Stimme klang ungewohnt heiser. „Ich weiß, es ist viel verlangt und ich gebe dir alle Zeit, die du brauchst, um das zu entscheiden. Bitte, Kate, wenn es auch nur irgendwie möglich sein sollte, dann vergib mir."

Flehentlich blickte er sie an, als ihm siedend heiß einfiel, dass er ihr das schlimmste verschwiegen hatte: Amber.

Aber noch konnte er es ihr nicht antun, ihr das zu erzählen. Das würde seine Chancen auf Vergebung und einen Neuanfang gleich null setzen.

„Ich kann dir nichts versprechen, außer, dass ich darüber nachdenken werde", sagte Kate zögerlich. Einen Moment lang wirkte sie, als wollte sie noch etwas ergänzen, doch dann ließ sie es.

Henry atmete erleichtert auf. Es war immerhin ein Anfang. Sie war nicht aufgesprungen, hatte ihn angeschrien und war weggerannt. Sie saß immer noch neben ihm, hatte ihn ausreden lassen und ihm trotzdem Vergebung in Aussicht gestellt.

„Mehr erwarte ich nicht. Nur, dass du darüber nachdenkst", bestätigte er leise was sie gesagt hatte.

Wenn sie noch immer so gut darin war, zu erkennen, wenn er nicht die ganze Wahrheit sagte, dann würde sie wissen, dass es nicht ganz stimmte, was er gesagt hatte: Ein kleiner Teil seines Herzens hatte Hoffnung geschöpft.

Hoffnung auf einen Neuanfang, mit ihr an seiner Seite und auf ein zweites zweites Jahr ihrer Ehe.

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