48. Kapitel

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Henry blickte stirnrunzelnd von seiner Zeitung auf, als Kate die Tür mit einem ungewöhnlich lauten Knall zuschlug.

Seine Frau machte sich nicht die Mühe, Schuhe und Jacke auszuziehen – etwas, was sie immer tat – sondern stürmte sofort zu ihm ins Wohnzimmer.

Ihre Augen waren weit aufgerissen und sie atmete schwer, als wäre sie gerannt.

„Kate!" Henry sprang auf und lief zu ihr. Er ergriff ihre Oberarme und blickte ihr in die Augen. „Was ist los? Was ist passiert?", fragte er alarmiert.

Kates Blick huschte unruhig hin und her.

„Katy." Henry schaute sie fest an und wartete, bis sie seinen Blick endlich wieder erwiderte.

„Jemand hat mich verfolgt", flüsterte sie mit zitternder Stimme.

Henry schloss die Augen und atmete tief durch. Schon wieder. „Wer? Wo?"

„Vom Krankenhaus hierher. Er war die ganze Zeit hinter mir, bis zum Haus."

Sofort trat er zum Fenster. Er schob die Gardinen zur Seite und blickte auf die Straße, sah allerdings nur die wenigen parkenden Autos in den Einfahrten der Nachbarhäuser. Kein Mensch war zu sehen.

„Sicher, dass nicht einfach jemand in die gleiche Richtung musste, wie du?"

„Ja."

Beim Klang ihrer Stimme, die den Eindruck erweckte, als wäre Kate den Tränen nahe, wandte er sich wieder zu ihr um. Als er sah, wie sie zitterte, schloss er sie in seine Arme und strich ihr sanft über den Rücken. „Hey, alles gut. Du bist in Sicherheit, Katy", versuchte er sie zu beruhigen.

Kate schluchzte auf. „Ich hab Angst, Henry."

Er legte sein Kinn auf ihren Kopf und biss die Zähne zusammen. Jemand verfolgte seine Frau. Das konnte er nicht zulassen!

Dennoch wusste er ganz genau, was passieren könnte, würde er es nicht einfach hinnehmen. Es war eine Warnung an ihn, das merkte er deutlich. Aber was sollte er jetzt tun?

Konnte man überhaupt verhaftet werden, wenn man jemanden verfolgte, ohne dass diese Person unwiderlegbare Beweise dafür hatte?

Henry hatte Kates Verfolger noch nie bemerkt und er war sich nicht sicher, glaubte aber, dass Kate die Einzige war, die ihn bis jetzt überhaupt gesehen hatte.

Eine Verfügung gegen diesen Mann würde da auch nichts bringen, wenn niemand wusste, wer er war geschweige denn, wieso und wann er Kate verfolgte.

Es war eine Tatsache, dass er es tat, doch diese brachte viele, scheinbar unbeantwortbare Fragen mit sich.

„Es wird immer öfter, dass ich ihn sehe", sagte Kate leise.

„Warum bist du dir so sicher, dass er dich verfolgt und nicht einfach hier in der Nähe wohnt und auf einer anderen Station im Krankenhaus arbeitet? Damit hätte er oft den gleichen Weg wie du und wenn er dann noch ähnliche Arbeitszeiten hat... das könnte alles Zufall sein." Er nahm ihre Hand und setzte sich mit ihr auf das Sofa.

„Nein." Kate schüttelte vehement den Kopf. „Du verstehst das nicht, Henry. Ich sehe ihn auch beim Einkaufen oder wenn ich Lynn besuche. Er ist überall, aber immer nur, wenn niemand bei mir ist. Ich weiß nicht, was er von mir will und das macht mir Angst."

Er strich über ihre Wange und spürte, wie sie ihren Kopf leicht gegen seine Hand drückte.

Ihre Augen huschten nicht mehr so unruhig hin und her, wie, als sie völlig aufgelöst hereingestürmt war, stattdessen waren ihre Augenbrauen zusammengezogen und die Art, wie sie sich auf die Lippe biss, zeigte, dass sie gegen die Tränen ankämpfte.

Er spürte das starke Bedürfnis, sie zu beschützen, aber er wusste, dass er das hier nicht konnte und das machte ihn unruhig. „Wie oft siehst du ihn?"

„Fast täglich. Gestern war er nicht da."

Dass er seine Hände zu Fäusten geballt hatte, merkte er erst, als Kate ihre Hand auf seine legte und sanft mit ihrem Daumen streichelte.

„Mach nichts Dummes", flüsterte sie leise.

Sie kannte ihn zu gut. Würde ihm dieser Mann unter die Augen treten, würde Henry im Augenblick nicht für seine Sicherheit garantieren können.

Langsam entkrampfte er seine Finger wieder und sah zu, wie Kate mit ihren Fingerspitzen in seine Handflächen zu malen begann.

„Also hast du ihn wiedererkannt?", hakte er schließlich noch einmal nach, um sicher zu gehen. „Oder konntest du ihn gut genug sehen? Irgendetwas Besonderes an ihm feststellen?"

„Er roch komisch... nach Pfeifenrauch, würde ich sagen. Nein, es war süßlicher. Irgendwie komisch."

Er wollte gar nicht darüber nachdenken, wie nah er ihr gekommen sein musste, damit sie das wissen konnte. Er griff ihre Hand und drückte sie. „Hat er dich angesprochen?"

Sie schüttelte den Kopf, „Nie."

Henry atmete auf. „Okay, gut."

„Aber ich hab trotzdem Angst." Eine Träne löste sich aus ihrem Augenwinkel und lief über ihre Wange.

Er hob eine Hand und strich ihr die Träne aus dem Gesicht. „Ich weiß", sagte er leise.

Er erinnerte sich an die Wut, die ihn völlig überwältigt hatte, als Kate ihm vor einigen Jahren erzählt hatte, wie sie von einem Mann verletzt worden war. Jetzt spürte er Ansätze davon wieder auftauchen.

„Danke, dass du das bist." Sie lehnte ihren Kopf an seine Brust.

Er hob eine Hand und streichelte ihr über den Rücken. Das war doch selbstverständlich, oder sah sie das nicht mehr so?

„Jetzt ist alles in Ordnung, Katy. Es ist alles gut", sagte er, wie um sich selbst davon zu überzeugen. „Du bist in Sicherheit bei mir. Ich sorge dafür, dass er nie wieder kommt."

Er gab ihr einen Kuss auf den Scheitel. Wie sollte er sein Versprechen bloß einhalten?

Er müsste die Polizei rufen und hoffen, dass Kate noch mehr Details wusste, die den Verfolger entlarvten.

Denn wenn nicht würden sie in ernsthafte Schwierigkeiten kommen.

Whatever It TakesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt