88. Kapitel

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Kate hatte den Kopf an die Fensterscheibe gelehnt und schlummerte vor sich hin.

Das gleichmäßige Rauschen des fahrenden Autos wirkte beruhigend, doch sie konnte die Gedanken an, das was heute alles passiert war, nicht recht zur Ruhe bringen, auch wenn ihr Körper müde war und nach Schlaf schrie.

Sie blinzelte, als die Scheinwerfer eines entgegenkommenden Autos sie direkt ins Gesicht blendeten. Als ein Handy zu klingeln begann, brauchte Kate einen Moment, um zu realisieren, dass es ihres war. Sie richtete sich auf und zog ihr Handy aus der Tasche ihres Mantels, den sie selbst im warmen Inneren des Wagens trug.

„Wirst du angerufen?" Mark blickte sie kurz von der Seite her an.

Kate warf einen Blick auf das Display und nickte.

„Wer?" Seine Stimme klang angespannt. Fürchtete er, dass der Anruf von Lary kam und sie so geortet werden konnten?

„Harvey", stellte Kate fest. Ob Charlotte schon in den Wehen lag? Übermorgen war der Geburtstermin, fiel Kate siedend heiß ein. Sie hatte ihrer Schwester doch versprochen, bei der Geburt dabei zu sein. „Darf ich rangehen?" Sie kam sich dumm vor, das zu fragen, aber es war vermutlich berechtigt.

Mark zögerte nur kurz, dann nickte er. „Richte liebe Grüße aus."

„Mach ich." Kate nahm den Anruf entgegen. „Hallo, Harvey?"

„Kate, ein Glück, ich dachte schon, du siehst meinen Anruf wieder nicht."

„Hast du schon einmal angerufen?", fragte Kate stirnrunzelnd. Sie hatte in den letzten Stunden nicht auf ihr Handy gesehen. Es war einfach anderes wichtig gewesen.

„Einmal? Dreimal!", verbesserte Harvey.

„Ist alles in Ordnung? Wie geht es Charlotte?", fragte Kate alarmiert.

„Ihr geht es gut." Harvey atmete laut aus. Seine Stimme klang gleich viel entspannter. „Es tut mir leid, dass ich dich erst jetzt erwische, immerhin wollte Charlotte eigentlich, dass du dabei bist, aber es ging alles so schnell und dann hab ich vergessen, es noch einmal zu probieren."

„Ist das Baby da?", fragte Kate. Ihre Stimme klang vor Aufregung höher als sonst, obwohl sie gleichzeitig noch etwas rau war von ihren Versuchen, im Auto zu schlafen.

„Ja." Sie könnte Harvey förmlich lächeln hören. „Unserer kleinen Tochter geht es gut. Sie ist lebendig, hat zwei Arme, zwei Beine, eine überaus kräftige Stimme...", witzelte er.

„Das freut mich so!" Kate traten Tränen in die Augen. Sie legte eine Hand auf ihren Bauch und fragte sich unwillkürlich, wie es wohl sein würde, wenn Henry Charlotte anrufen würde, weil sie, Kate, ihr Baby bekommen hatte. Würde es überhaupt Henry sein, der anrufen würde?

„Kannst du vorbeikommen?"

Kate biss sich auf die Lippe. Warum musste Charlotte ausgerechnet jetzt ihr Baby bekommen? „Warte kurz." Sie legte ihr Handy an die Brust und sah Mark bittend an. „Charlotte hat ihr Baby bekommen."

Er warf ihr einen flüchtigen Blick zu. „Wie geht es den beiden? Ist alles in Ordnung?"

„Ja." Sie nickte. „Harvey fragt, ob ich vorbeikommen kann", erklärte sie zögerlich.

Mark warf einen Blick in den Rückspiegel und nahm so vermutlich Blickkontakt zu Josh auf. „Das geht jetzt nicht, Kate. Wir müssen uns erst mal um unseren Gefangenen und dann um Henry und dich kümmern. Heute und morgen wird das definitiv nichts."

Obwohl sie diese Antwort bereits erwartet hatte, wurde sie von einer Welle der Enttäuschung und hilfloser Verzweiflung überrascht. Darüber würde sie später definitiv noch mit den beiden diskutieren.

Sie sah an Marks Blick, dass er ihr nicht ganz die Wahrheit sagte. Wie lange würden sie wirklich unterwegs sein? Unruhe stieg in ihre auf und umklammerte ihr Herz mit kalten Fingern.

Charlotte verließ sich auf sie. Schon als kleine Mädchen hatten sie sich ausgemalt, wie sich die eine um die andere kümmern würde, wenn sie Mutter würde.

Und was würde aus Mikey werden, wenn sie nicht da war?

Zögerlich hob sie ihr Handy wieder an ihr Ohr. Nachdenken und mit den Agenten diskutieren konnte sie später, jetzt wollte sie erst mal die ganzen Details über ihre kleine Nichte hören. „Harvey?"

„Ja? Was ist denn los bei dir?"

„Wir sind gerade im Auto, wir sind nicht Zuhause", umschrieb sie es vorsichtig, da ihr nicht klar war, wie viel sie verraten durfte. „Ich weiß noch nicht, wann wir zurück sind, aber ich werde dann so schnell wie möglich zu euch kommen. Die Kleine ist zwei Tage zu früh, oder?", wechselte sie schnell das Thema.

„Ja", bestätigte Harvey. „Am 25. Januar ist ab jetzt Geburtstagsfeier angesagt."

Kate lächelte. „Das klingt super. Aber jetzt spann mich nicht so auf die Folter – wie heißt sie?"

„Eigentlich wollten wir das erst sagen, wenn du da bist", erwiderte Harvey zögerlich.

„Bitte?"

„Na gut. Charlotte schläft gerade, aber sie wird mir später bestimmt den Kopf abreißen, dass nicht sie es dir sagen durfte."

„Sie muss ja nicht wissen, dass ich es schon weiß", erwiderte Kate belustigt.

Harvey lachte leise. „Also gut. Der Familienzuwachs heißt Ashlynn Courtney McLucas."

„Ashlynn Courtney McLucas", wiederholte Kate leise. Ein Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus. „Das habt ihr wunderschön ausgesucht."

„Danke."

Kate blickte auf als Mark sie antippte. Er bedeutete ihr, aufzulegen. Sie wollte nicht auflegen.

Trotzdem verabschiedete sie sich von Harvey, der ein wenig enttäuscht wirkte, und legte dann auf.

„Ashlynn?", wiederholte Mark.

Kate nickte. „Ja", antwortete sie knapp. Sie war gerade nicht mehr sonderlich gut auf ihn zu sprechen.

„Schöner Name."

Kate zuckte die Schultern und blickte aus dem Fenster. In ihrem Kopf kreisten tausende Fragen, doch eine von ihnen tauchte immer wieder auf: Was lief hier eigentlich?

Whatever It TakesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt