„Hey Schatz. Mikeys Vater ist hier. Ich schicke ihn zu dir nach oben, ja?"
Kate wechselte den Telefonhörer auf die andere Seite und klemmte ihn zwischen Kopf und Schulter. So hatte sie die Hände frei, um das Krankenblatt, das vor ihr lag, fertig auszufüllen. „Ist in Ordnung, Henry, danke."
Sie lächelte. Seit sie mit Henry vor sechs Jahren zusammengekommen war, nutzte er wirklich jede Gelegenheit, mit ihr zu telefonieren oder sie zu sehen und das liebte sie unglaublich.
Es war ihr unbegreiflich, dass Henry sie so sehr liebte, wie sie es eigentlich gar nicht verdiente und doch war seine Liebe eine große Konstante in ihrem Leben – ähnlich der Liebe, die Jesus ihr entgegenbrachte – wenn sie auch nicht so überwältigend stark und vollkommen sein konnte.
„Wir sehen uns heute Abend, Henry." Sie lächelte. „Ich lege jetzt auf."
„Okay."
„Okay." Kate wartete. Dass Henry noch nicht aufgelegt hatte, hörte sie an dem leisen Atmen, dass durch die Leitung drang.
„Ich liebe dich, Katy", sagte er schließlich mit leicht heiserer Stimme.
Kate musste lächeln. Noch nie hatte jemand ihren Namen mit solcher Liebe ausgesprochen. „Ich liebe dich auch."
„Mr Williams geht zum Aufzug" meldete Henry etwas unvermittelt.
„Dann kommt er gleich."
„Ja."
„Bis nachher, Henry." Kate strich sich eine Strähne aus dem Gesicht. Sie sah, wie die Türen des Fahrstuhls auseinander glitten und mehrere Personen ausstiegen.
Ein Mann Anfang vierzig blieb ein wenig ratlos stehen und kam dann zum Empfangsbereich der pädiatrischen Station hinüber, wo Kate am Tresen lehnte. „Er ist da."
„Ist gut, ich muss auch weitermachen. Ich liebe dich."
„Ich weiß. Ich dich auch", lachte Kate leise und legte auf. In diesem Moment blieb der Mann auch schon vor ihr stehen.
„Entschuldigung?"
„Ja?", fragte Kate lächelnd.
„Ich bin Brian Williams. Mein Sohn liegt hier auf Station mit einem gebrochenen Bein." Der Mann sah ziemlich durch den Wind aus, war blass und wirkte ein wenig durcheinander.
„Ist alles in Ordnung mit Ihnen, Mr Williams? Möchten Sie sich setzten? Soll ich Ihnen etwas zu trinken holen?", fragte Kate besorgt.
„Nein, es geht schon." Ablehnend hob der Mann die Hand und schüttelte den Kopf. „Ich würde nur gerne zu meinem Sohn. Ich wurde auf Arbeit angerufen, wissen Sie, und ich mache mir Sorgen um ihn."
„Gut." Kate reichte einer der Schwestern das Krankenblatt, das sie vervollständigt hatte über den Tresen und steckte den Kugelschreiber wieder in die Tasche ihres Arztkittels. „Ich begleite Sie, ich wollte sowieso noch einmal nach Michael sehen."
Sie ging dem Mann voran den Gang entlang bis zu Mikeys Zimmer, klopfte an die Tür und wartete, bis Mikey fröhlich „Herein" rief.
Vor Mr Williams betrat sie das Zimmer und hielt dem Mann die Tür auf.
„Dad!" Mikey richtete sich in seinem Bett auf und strahlte glücklich, als er seinen Vater erblickte. Mr Williams schloss seinen Sohn fest in die Arme.
Als Kate die beiden zusammen sah, verwarf sie sofort die Idee, Mikey könnte von seinem Vater geschlagen werden.
Die Zuneigung zwischen den beiden war greifbar, eine solche schreckliche Tat somit für sie ausgeschlossen. Aber woher kamen dann die Blutergüsse an seinen Armen und, laut Henry, auch an seinen Beinen, Bauch und Rücken?
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Whatever It Takes
Teen FictionEs ist ein Jahr her, dass Henry O'Ryan Kate McKinnley heiratete und noch immer ist sie die Frau seines Lebens - bis ein Unfall das Leben des jungen Ehepaars komplett auf den Kopf stellt. Henry sitzt im Rollstuhl - doch als wäre das nicht genug, wird...