Capitolo tre

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Felicia Ricci

Neugierig gehe ich die Treppe herunter und sehe schwarze Lackschuhe.
Puh, die müssten teuer gewesen sein.
Meine Augen wandern immer weiter höher und erblicken nun einen Mann.
Wie erstarrt, bleibe ich auf dem Treppenabsatz stehen und mustere den vor mir stehenden Mann. Er trägt einen engen Anzug, wodurch man deutlich seine Muskeln sehen kann, und sieht aus wie ein Engel.
Seine Hände sind tätowiert und sein Hals ebenfalls. Ganz strenge und markante Gesichtszüge hat er, welche von einem Dreitagebart geschmückt werden.
Plötzlich fällt mir auf, dass auch er mich mit seinen eisgrauen Augen anstarrt. Seine buschigen schwarzen Augenbrauen zieht er zusammen und mustert mich ausgiebig.
Ok... langsam wird das unangenehm. Ich habe zwar auch gestarrt, aber nicht so intensiv! Da denkt man ja, dass er mir durch die Seele blicken kann.
„Das ist meine Tochter, Signor Monti", stellt mich mein Vater ihm vor und unterbricht somit, zum Glück, die peinliche Stille.
Dieser „signor Monti" räuspert sich und fixiert mich immernoch mit seinem Blick.
Amar tritt hervor und stellt sich dicht vor mich hin.
„Freut uns, Sie kennenzulernen, Monti. Mi chiamo Amar Ricci", stellt sich nun mein Bruder vor, doch ich weiß ganz genau wieso er das tat. Er wollte nicht, dass dieser Kerl mich weiterhin so fixiert. Und dafür bin ich ihm dankbar. In solchen Augenblicken würde ich ihn am liebsten umarmen und hauen.
Natürlich aus Liebe.
Innerlich grinse ich darüber. Ich kann schon echt ein Teufel sein...
„Kommen Sie. Hier entlang", versucht mein Papa ihn ins Wohnzimmer zu führen.
Beim Weggehen starrt mich dieser Monti immernoch an.
Als er weg durch den Haupteingang ist, dreht sich Amar blitzschnell zu mir um und mault mich direkt an.
„Da bist du selber Schuld! Was ziehst du dich auch so an! Mama meinte, nur etwas fein machen. Aber no, la mia sorella muss sich auftakeln! So typisch!".
Ich verdrehte die Augen und gehe einfach direkt hinterher.
Ich muss wissen, was da gesagt wird.
Amar packt mich plötzlich am Arm und hält mich daran auf, mich ins Wohnzimmer zu denen zu verfrachten.
„Lass los! Ich will zuhören!", keifte ich ihn leise an.
„Ich doch auch! Wir sollen nicht mit rein. Also müssen wir hier leise lauschen, Feli", flüstert er kaum hörbar und beginnt  schon sich an den Türrahmen zu pressen.
Ich tue ihm nach und versuche sogar kaum zu atmen.
„Sie haben eine Menge von Schulden, Ricci", spricht der Mann mit einer kratzigen dunklen Stimme, zu meinem Vater.
„J-ja, ma der Staat hat mir alles weg genommen. Non lo so( ich weiß nicht), wie ich das bewältigen soll. Ich habe due bambini (2 Kinder). Ich brauche Hilfe", beklagt sich mein Papa.
„Was bieten sie mir?"
„Alles, was sie wollen. Nur bitte, machen Sie unsere Schulden wett. Sonst sind wir verloren!"
Eine lange Pause kommt bevor der Mann weiter spricht mit einem nachdenklichen Ton.
„Was macht Ihre Tochter? Wie ist ihr Name? Wie alt?"
„Meine Tochter heißt Felicia Ricci, ist heute 20 Jahre alt geworden und studiert medicina".
Erneut eine lange Pause.
„Ich möchte sie. Im Gegenzug bekommt ihr jeden Monat 20.000 € für 10 Jahre lang", spricht der Mann klar und deutlich.
Geschockt sehen Amar und ich uns an und plötzlich ergreift er meine Hand.
„Das lasse ich nicht zu, Feli", knurrt er und zieht mich zu sich.
Vorsichtig lauschen wir weiter und hoffen einfach nur, dass mein Vater ihn rausjagt.
„Was habt Ihr mit ihr vor?", fragt er ihn statt ihn zum Teufel zu jagen.
Der Schock sitzt tief. Das kann ich auf jeden Fall sagen.
„Ihr wird niemals was passieren. Ich brauche eine Frau, um mein Imperium zu stützen. Sie wird es gut haben. Lehnen Sie ab, nehme ich ihnen alles, was ihnen lieb ist. Bei ihrem arroganten Sohn fange ich an".
Wie vom Teufel gejagt pirscht Amar ins Wohnzimmer und packt diesen unverschämten Mann am Kragen.
„Was sagst du da, du mieser Wichser?!", brüllt mein Bruder ihn an.
Meine Mama versucht Amar weg zu ziehen, doch keine Chance. Mein Bruder ist viel zu stark, um sich von jemandem wegreißen zu lassen.
„Lass lieber los, Ricci. Ich kenne dein Geheimnis", flüstert Monti zu meinem Bruder und grinst ekelig dabei.
Amar blickt ihn fragend an und lockert seinen Griff etwas.
Was geht jetzt ab?
„Deine Kleine sitzt bei mir im Auto...", verrät Monti und weiß nicht, was er damit ausgelöst hat.
Amar brüllt laut und flucht durch das gesamte Haus und zertrümmert unseren kleinen Glastisch. Er zersplittert in tausend kleine Stücke und hinterlässt ein unangenehmes Geräusch.
„Wieso hast du sie?!", schreit Amar ihn an.
„Sie ist schwanger. Kann das sein?", provoziert Monti ihn weiter.
„Überlasst mir Felicia und ich werde euch verschonen und belohnen. Sie wird es gut haben bei mir", traut er sich tatsächlich zu wiederholen.
Ich habe jetzt erwartet, dass Amar erneut auf ihn los geht, doch er steht dort, genau wie meine Eltern, mit einem undefinierbaren Blick.
„Ihr habt doch nicht etwa vor, ihm das zu erlauben, oder?!", frage ich sie total fassungslos. Angst schleicht sich durch meine Knochen und macht mir das Stehen schwer.
Sie schweigen.
Sie schweigen einfach.
Meine Familie überlässt mich einem wildfremden, der total krank zu sein scheint?
Triumphierend richtet sich dieser Monti auf und kommt mit sicheren Schritten auf mich zu. Ich will flüchten doch er hat mich schon am Handgelenk ergriffen.
Voller Angst blicke ich ihm in seine leeren Augen. Nichts ist zu erkennen. Kein Mitleid. Keine Wut. Nichtmal Neugierde. Einfach nichts.
Ich drehe mich panisch zu meiner Familie um und sehe sie hilfesuchend an.
„Bitte, helft mir !", brülle ich schon förmlich und versuche mich aus dem festen, steinharten Griff von diesem Kerl zu befreien, doch statt dass er locker ließ, drückte er immer fester zu, sodass Ich das Gefühl habe, mein Knochen würde gleich jede Sekunde zersplittern.
Ohne Vorwarnung zog mich Signor Monti aus dem Haus zu einem schwarzen Minivan Bus mit getönten Scheiben.
Ich höre noch gedämpfte Schreie von meinem Bruder, welcher laut flucht und meine Eltern beleidigt. Wie konnten sie nur?
Auch Amar war schuldig!
Monti macht den Kofferraum auf und bevor ich mich währen konnte, erscheint ein blutiges Gesicht von einem jungen Mädchen.
„Raus!", befiehlt Monti dem Mädchen hart und duldet keine Widerrede oder langsames Handeln.
Sofort rappelt sich das Mädchen auf und rennt humpelnd zu meinem Haus zurück.
Wie in Trance beobachten Monti und ich das Mädchen, welches stürmisch von meinem Bruder empfangen wird. Er weint und klammert sich an ihr fest.
Plötzlich sieht er in meine Augen und erstarrt.
„Es tut mir leid", flüstert er mit seinem Mund zu mir runter auf die Straße.
Stumm laufen mir die Tränen über die Wange.
„Du hast mich verraten, Amar", flüstere ich und empfange eine bittere Enttäuschung, gefolgt von der netten Verzweiflung.
Dieser scheiss Kerl der sich Signor Monti nennt, drängt mich zur Beifahrertür, schubst mich auf den Sitz und schnallt mich an.
Wenige Sekunden später sitzt er auf der Fahrerseite und startet rasch den Motor, bevor er rasend davon rauscht. Traurig betrachte ich den Rückspiegel und schaue durch ihn zu meinem Haus. Dahin, wo ich eigentlich beschützt werden sollte, von meiner Familie.
Doch, was war in so einer kurzen Zeit nur passiert? Wie würde ich meine Freunde erreichen können?
Enttäuscht und frustriert lasse ich mich in den Ledersitz rutschen und lasse den dunklen Himmel auf mich wirken, der durch die Windschutzscheibe blickt.

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