Capitolo sessantatre

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Felicia Ricci

Ich kann gar nicht in Worte fassen, wie gut es tut, Wasser auf sich zu spüren.
Warmes Wasser prallt auf meiner Haut ab und stärkt mich wieder.
Ich schaue an die Decke, wo bereits Dampf ist, und wünsche mir einfach nur einen Mann, der mich liebt und beschützt. Wieso gerate ich immer nur in die Hände von Verrückten?
Ich drehe den Wasserhahn ab, schnappe mir ein Handtuch und schaue in den riesigen langen Spiegel vor mir.
Geschockt klappt mir mein Mund auf.
Was ist das denn?!
Ich bin ja abgemagert?!
Tiefe Augenringe zieren mein Gesicht.
Spindeldürr.
Knochen malen sich deutlich ab und meine Haut sieht fragil aus. Leicht zu zerreißen. Angeekelt schüttel ich mich und trockne mich ab.
Ich sehe verdammt nochmal ekelig aus. Das bin ich nicht gewöhnt! Wie konnte das nur so weit kommen mit mir?

Laut hämmert jemand gegen die Badezimmertür und reißt sie, ohne eine Antwort abzuwarten, auf.
Gino.
„Raus!", schreie ich ihn an.
Mir ist es mittlerweile egal, wie ich mit ihnen rede. Sie werden mir so oder so weh tun, also kann ich wenigstens um meine Privatsphäre kämpfen!
Zumal ich nicht ansehnlich aussehe.
„Also, erstens...", beginnt er ruhig, kneift seine Augen zusammen und legt seinen Kopf in den Nacken.
„SCHREI MICH NIE WIEDER AN!", brüllt er durch das ganze Bad und greift sich aufgebracht an seine Schläfen.
„zweitens, beeilst du dich bitte? Wir müssen gleich los. Draußen liegen Kleider und Schuhe. Unterwäsche ist aus, sorry"
Fassungslos starre ich ihn an. Wie konnte es mir nur entgehen, dass er so verrückt ist?
Ich nicke einfach. Habe ich eine andere Wahl?
Nein.
Ich laufe mit einem Handtuch bedeckt an ihm vorbei und schaue auf die 3 Kleider, welche auf dem weißen Kingsize-Bett ausgebreitet sind.
Ich muss nicht lange überlegen.
Ich weiß was ich anziehe.

Mein Spiegelbild präsentiert eine halbwegs zurechtgemachte Frau, dünn und zerbrechlich, jedoch aufgemacht.

Ich muss sagen, ich sehe nicht aus wie sonst- ist ja klar-, aber wenigstens konnte ich mich etwas zurecht machen. Meine Augenringe sind abgedeckt, meine schwarzen Haare zu einem engen Zopf und mein Körper von einem sehr engen weißen Satinkleid betucht.
Schlichte weiße HighHeels zieren meine Füße.
Besser hätte ich mich nicht aufhübschen können. Dazu fehlte mir a die Motivation, b die Mittel und c der Anlass.
Ob es wirklich eine Hochzeit ist?

Gino und Lorenzo stürmen in das Zimmer und schauen mich erstaunt an.
„Nett", pfeift Lorenzo. Ekelhafter Sack.
Wie gerne ich die umbringen würde. Das würde mich so aufheitern! Sie stehen auf meiner Liste ganz oben. Danach reihen sich die anderen Wichser an.
Monti und co.
Versteht sich.
„Auf gehts, Braut", schnurrt Gino und erntet dafür einen mörderischen Blick von mir.

„Wir sind da".
„Schön", murmel ich pissig. Alleine, wenn ich die Stimme von denen höre, wird mir kotzübel und ich verspüre den Drang sie mit meinen Fäusten zu erschlagen. Bis nur noch Matsche übrig ist. Das wäre es!
Ein Lächeln umspielt meine Lippen.
„Oh, lächelst du? Wegen mir?", trällert Gino.
Ich war wohl so tief in meinen Mordvorstellungen versunken, dass ich nicht mitbekommen habe, wie er mir bereits die Tür von seinem BMW x5 geöffnet hat und mir die Hand erwartungsvoll hinhält. Nein, schmink dir das ab, Freundchen.
Ich stoße mich vom Sitz ab und knalle mit meiner Schulter seine widerliche Hand weg.
Er reißt die Augen auf und funkelt mich wutentbrannt an.
1:0 für mich, du Wichser.

Wir betreten zu dritt den Saal. Ja, Saal. Es ist eine riesige Veranstaltung. Naja, ist ja auch eine Hochzeit. Nur das fragwürdige daran ist: wo ist das Brautpaar? Weder eine Frau im weißen Kleid sehe ich, noch einen Mann, der im schwarzen Anzug neben ihr steht.
Ich bin glaube ich sogar die Einzige hier, die ein weißes Kleid trägt.
Man könnte meinen, dass ich heirate.
Um gottes Willen.
„Wer ist denn die reizende Dame?", ertönt eine kratzige Stimme und ich sehe in ein faltiges Männergesicht.
Ich korrigiere: in ein faltiges schmieriges Männer Gesicht.
Angewidert rümpfe ich die Nase, als mir sein Alkoholkonsum deutlich durch die Nase geht.
Super. Sind hier alle alkoholisiert?
„Verzieh dich", knurrt Lorenzo und der Typ verschwindet sofort unter den laut lachenden Menschen.
Sind sie wirklich alle glücklich? Oder werden sie, wie ich, gezwungen hier zu tanzen? Ich sehe hier außerdem kaum Frauen? Sind diese kriminellen Penner etwa antifeministisch?
Also, so wie die Typen mich bis jetzt behandelt haben, kann ich das nur bejahen.
Mal sehen.

Wir laufen auf eine Bühne zu, um die mehrere edle Stühle und prunkvolle Mamortische verteilt sind.
Lorenzo umgreift grob meinen Arm und deut mich auf den Tisch, genau in der Mitte, zu.
„Setzt euch. Bin gleich zurück", murmelt er gedankenabwesend und verschwindet in der Menge.
Gino schaut ihm unsicher hinterher, setzt sich aber hin und zieht mich mit sich runter.
„Tu, was man dir sagt, Felicia!"
Du blöder Wichser!

Nach paar Minuten wird es leiser und die Tische um uns herum befüllen sich bis es ganz im Saal verstummt.
Auch Lorenzo ist jetzt da und hat sich neben mich gesetzt.
Er hat seinen Kiefer angespannt und schaut nervös hin und her.
Ein unangenehmes Gefühl beschleicht mich. Hier stimmt was nicht.
Alle Blicke sind zur Bühne gerichtet und plötzlich steht ein Rücken zu uns.
Ein weißes Hemd spannt sich über seinen Rücken und bildet deutlich seine Muskeln ab.
Schwarze Haare...
Oh Gott.
Er dreht sich langsam um und seine grauen Augen stechen in meine. Mir bleibt die Luft zum Atmen weg. Panisch will ich aufspringen, doch sofort zerrt mich Lorenzo knurrend runter.
Unterm Tisch zieht er ein schwarzes Messer hervor und sieht mich warnend an.
„Bleib ja still sitzen, Kleine. Zwing mich nicht dich hier und jetzt abzustechen!", grölt er leise in mein Ohr und legt das Messer auf meinem Bein ab.
Ich kann hier nicht bleiben.
Auf keinen Fall.
Das bedeutet nichts Gutes!
Ich spüre Ginos kritischen Blick auf mir, doch ich blende alles und jeden aus.
Mein Atem wird schwer und ich konzentriere mich darauf, keine Panikattacke zu bekommen.
Langsam wandern meine Augen wieder zur Bühne auf und fixieren ihn.
So wie er mich.
Ein Blickduell.
Allein zwischen mir und ihm.
Wie damals.

„Ich begrüße Sie alle. Herzlich Willkommen zu unserem heutigen Event", trällert er sorgenfrei und starrt mich dabei weiterhin an, ohne auch nur einmal seinen Blick von mir zu lösen und in das Publikum zu schauen. Nein.
Ich gehöre einzig und allein ihm.
Das zeigt mir sein Blick.

Die Menge jubelt, applaudiert und ruft ihm Glückwünsche zu.
„Ich will sofort weg!", keife ich Lorenzo in dem Getümmel an.
Sein Griff um mein Oberschenkel wird kräftiger, bis es richtig anfängt zu zwirbeln. Schmerzerfüllt zische ich auf und starre wutentbrannt in seine widerlichen toten Augen.
„Benimm dich.m, Weib!"
Dieser Hurensohn.
„Beginnen wir. Meine rechte Hand, Silo, wird die Ware präsentieren. Danach wird abgestimmt und verhandelt", verkündet er und läuft die Stufen von der Bühne hinab und steuert auf unseren Tisch zu.
Mein Herz rast. Droht rauszuspringen und zu zerplatzen.
Ich presse mich immer fester in den Stuhl.
Lorenzo erhebt sich und reicht ihm die Hand.
„Aurelio Monti. Freut mich dich zu sehen, alter Freund", begrüßt Lorenzo ihn und lächelt ihn gespielt an.
Sogar die beiden spielen ein Spiel.
Das ist doch nicht zu übersehen!
Aurelio nickt nur und schaut mich dann wild an.
Seine Augen sprechen Bände. Sie brennen, drohen mich aufzufressen.
„Ich hoffe, dir gefällt die Show. Extra für dich", haucht er und tritt langsam rückwärts einige Schritte zurück.
Welche Show?

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