Capitolo sessantaquattro

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Felicia Ricci

„Was meint er??", fiepe ich panisch. Ich traue ihm nicht. Er ist doch ein Monster.
Lorenzo steuert auf mich zu und setzt sich wieder dicht neben mich.
„Was passiert hier, Enzo", knurrt Gino von der Seite.
„Warts ab", erwidert dieser nur genervt und schaut wieder nach vorne.
Als ich dies auch tu, fallen mir beinahe meine Augen raus.
Frauen, nummerierte Frauen, tragen Schilder mit Zahlen mit sich, und laufen nacheinander über die Bühne.
Ihr Körper ist mit Flecken übersät und zeigt deutliche Verletzungen. Oh Gott.
„Schreiben Sie nun bitte ihren Favorit auf den Zettel, der vor euch liegt", ertönt Silos Stimme.
Erschrocken blicke ich umher und sehe ihn dann tatsächlich in der Ecke mit einem Mikrofon stehen.
Er schaut auch mich an. Dreht sich weg.
Alles klar. Und du wolltest mein Freund sein? Alles Ärsche.
„Nimm Nummer 23", murmelt Gino zu Lorenzo.
Es reicht.
„Was bist du nur für ein Mensch?! Wie konntest du mir all die Jahre nur vorgaukeln, du seist ein liebenswürdiger Freund?!", zische ich ihn an.
Er zuckt mit den Schultern.
Auch Lorenzo schaut ihn fragend an, wendet sich dann aber wieder den armen Frauen zu.
Was wird hier nur betrieben?!
„So, dein Part", pustet Lorenzo, steht auf und zieht mich am Arm hoch.
Panisch schüttele ich den Kopf. Was hat er vor?!
„Geh da hoch. Weigerst du dich, schieße ich jeden unschuldigen Menschen hier im Raum ab. Das soll doch sicherlich nicht wegen dir passieren, oder?", droht er mir und verdammt, er hat einen wunden Punkt getroffen. Niemals würde ich mein Leben über das der anderen stellen.
Er gibt mir einen Schubser und somit falle ich einige Schritte vorwärts und tapse gedemütigt die Stufen zur Bühne hinauf.
Habe ich schon mal erwähnt, dass ich mein Leben hasse? Nein? Ich hasse es.

„Nummer 1", verkündet Silo und zeigt auf mich. Plötzlich ertönen gierige Rufe, ein Brüllen nach dem anderen.
Als Monti die Bühne hinauf gepirscht kommt verstummt jeder sofort. Es ist mucksmäuschenstill.
Ich glaube sogar, dass einige den Atem angehalten haben.
Die Frauen neben mir zittern und senken wegen Aurelio die Köpfe.
Oh nein, du machst mir keine Angst!
Trotzig recke ich mein Kinn hoch und geschocktes Flüstern entsteht sofort.
Sie murmeln alle und schütteln geschockt den Kopf über mich, als wäre ich hier die wahnsinnige!
„Du hast 2 Möglichkeiten. Entweder, du kommst freiwillig mit mir mit, oder ich lasse zu, dass dich dreckige Säcke kaufen und Gott weiß was mit dir anstellen", meint er flüsternd zu mir und streicht mir sanft über mein Schlüsselbein. Sofort stellen sich mir die Nackenhaare auf.
„Niemals", knurre ich. Lorenzo würde das sowieso nicht zu lassen.
A- außer er hat es arrangiert?
„Weiß Lorenzo von alldem?", flüster ich ihm zu und hoffe nur das Gegenteil.
„Ja. Er hatte den Plan"
„Was bekommt er dafür?", frage ich etwas lauter und sofort spannt er sich an.
„Später. Entscheide dich jetzt", zischt er und nimmt Abstand zu mir.
Einige Frauen atmen erleichtert aus und entspannen sich etwas.
Abwartend schauen Lorenzo und Aurelio mich an.
Ich spiele da nicht mit! Bei deren kranken Spiel kann man doch nur verlieren?!
Es ist wie in einem Teufelskreis. Es endet nicht. Es beginnt nur von vorne. Immer und immer wieder.
„Ich will Nummer 1", wirft ein junger Mann in die Runde. Plötzlich kommt wer anders und tritt aus der Menge hervor.
„Ich will 1. 100.000€!", schreit der Typ, der um einiges älter aussieht.
Panisch schaue ich zu Aurelio, der mich wütend anstarrt und sich anspannt.
Ich will hier nicht sein!
„Also ich biete 500.000€", ruft ein anderer.
Plötzlich wird es still.
Lorenzo erhebt sich. Alle senken den Kopf und treten zurück, bis auf die Männer, die mich kaufen wollen. Oh Gott, wie sich das anhört!
„Gib mir 15 Millionen und sie gehört dir", ertönt seine bebende Stimme.
Ein Raunen und Murmeln geht durch den Saal.
Gino springt plötzlich auf und haut auf den Tisch.
„Du hast das alles geplant!", brüllt er und zeigt dabei auf mich und Aurelio abwechselnd.
„Sie bleibt bei mir!", fügt er schreiend hinzu und alle reißen schockiert die Augen auf.
Aurelio lockert seine Krawatte und läuft unglaublich langsam, beinahe in Zeitlupe, die Treppen zu uns herunter.
„Klein Botega, vor paar Wochen wurdest du von Signor Cabello mit einer Waffe bedroht, weshalb du wimmernd am Boden lagst. Meinst du nicht, du lässt das hier die wahren Männer klären?", ruft Aurelio laut und deutlich, damit auch jeder dies verstehen konnte.
Autsch. Das saß.
Aber einen moment!
Wieso hat Ian ihn mit einer Waffe bedroht?! Was ist da alles abgegangen?
„Du verfluchter Hu-"
„Nanana, soll ich dich etwa vor allen hier umbringen?", haucht Aurelio gefährlich und ja- ich sehe es in seinem Gesichtsausdruck. Er ist sehr kurz davor seine Kontrolle zu verlieren.
„Wir machen weiter mit dem Kauf an Signora Ricci", schreit Aurelio in die Runde und sofort beginnt das Getümmel wieder.
Fassungslos starre ich ihn an.
Und sofort erinnere ich mich an seine Worte.
Verkauft werden, oder mit ihm gehen.
Wo sterbe ich eher?
Ich weiß es nicht. Meine Überlebenschancen fallen bei beidem eher gering aus. Aber welche Wahl habe ich?
Ich muss zwischen ihnen wählen.

Plötzlich tritt ein schmieriger, dicker Glatzkopf hervor und sieht mich neugierig an aus seinen faltigen leeren Augen.
„Ich überbiete alles. Ich nehme sie", ruft er laut dazwischen und alle schauen ihn frech an.
Silo schaut Aurelio fragend an, welcher nur mich anstarrt und auf seine Uhr tippt.
Ich muss mich wohl jetzt entscheiden.
Ich habe verloren.
Dann werde ich mich wohl verkaufen lassen.
Ich schaue angewidert zu dem alten Kerl und nicke langsam.
Allerdings, grinst mein innerer Teufel. Ich habe somit Lorenzo einen Strich durch die Rechnung gemacht und sogar Gino.
Aber vor allem: Aurelio Monti.
Ich wage einen Blick zu ihm.
Sein Gesicht ist feuerrot. Sein Kiefer ist angespannt und seine Adern drohen beinahe zu zerplatzen. Ja, und wie ich ihm einen Strich durch die Rechnung gezogen habe!
Doch ehe ich reagieren konnte, zückt er brüllend seine Knarre und schießt ohne Erbamen auf den Typen ein, der mich kaufen wollte. Es ertönen mehrere Schüsse.
Es bricht die Hölle auf Erden aus.
Panisch stolpere ich auch noch über meine eigenen Füße. Ich muss hier weg! Das ist meine Chance!
Ich renne so schnell, wie man eben auf HighHeels rennen kann, und stoße dabei mit einer harten Brust zusammen.
Diese Person umgreift grob meinen Oberarm und presst mich an seine Brust. Vom Geruch her, weiß ich sofort, wer das ist.
Aurelio.
„SEID SOFORT ALLE LEISE!", brüllt er tobend und richtet die Waffe nach vorne.
Alle bleiben, wie angewurzelt, stehen und verneigen sich vor ihm.
„Verschwindet alle, der Kauf wird verschoben. Aber sie ist nicht zu haben!", fügt er knurrend hinzu.
Alle verbeugen sich und eilen zügig davon.
Nach wenigen Minuten ist der Saal leer.
Im Zentrum des Geschehens stehen nur noch Aurelio, Silo, Gino und Lorenzo.
Jedoch sind Silo und Gino nur stille Zuschauer, denen der Mund verboten wurde.
Lorenzo und Aurelio hingegen schauen sich wütend an.
„Gib mir erst das Geld!", knurrt Lorenzo und spannt sich an.
„Ich müsste dir eigentlich rein gar nichts geben, Enzo. Nichts. Ich stehe über dir", meint Aurelio beißend und zieht sich endgültig seine Krawatte ab.
„Du willst sie? Dann zahl für sie! So lauten die Regeln, Lio", kontert Lorenzo.
„Silo, gib es ihm", knurrt er und umgreift mich nur noch fester. Verdammt, mein Knochen wird gleich zerspringen!

Silo läuft lässig auf Lorenzo zu und hält ihm einen Aktenkoffer entgegen. Er lässt den Koffer aufspringen und tausende von Geldscheinen springen ihm entgegen.
„Sollte das eine Fälschung sein, weißt du was passiert!", droht Lorenzo ihm.
Lachend legt Aurelio seinen Kopf in den Nacken und ein lauter Schuss ertönt.
Schreiend presse ich mich an Aurelios Brust. Wurde er angeschossen?! Panisch suche ich Aurelios Körper nach eine Wunde ab, finde jedoch nichts.
Als ich wieder nach vorne schaue, liegt Gino regungslos am Boden. Blut, viel Blut, um ihn herum und verteilt sich immer mehr am Boden.
„War mir eine Ehre Geschäfte mit dir zu machen, Monti", säuselt Lorenzo und steckt seine Waffe wieder ein.
Mein Mund klappt auf.
Hat er- hat er seinen Bruder umgebracht?!
Ein Teil von mir will sich weinend auf Gino stürzen und ihn bemitleiden, jedoch ist das nicht Gino. Das ist ein Monster, welches zu sehr von Macht und Gier besessen war.
Gino ist Geschichte für mich.
Hoffentlich ist der Teufel gnädig mit seiner Seele.
Aurelio und Lorenzo verabschieden sich und dann ist er verschwunden.
Ich höre noch seine immer leiser werdenden Schritte auf dem Mamor. Ihn sehen, tue ich nicht mehr.
Aber wo wir schon dabei sind.
Leider gottes, sehe ich aber eines sehr deutlich. Ich bin wieder bei Aurelio.
Und als wäre das nicht das Schlimmste-

Er geht auf sein Knie, holt aus seinem Jackett eine Schachtel heraus und öffnet sie langsam zögernd.
Ein großer Diamantring.
Seine großen Augen treffen auf meine. Er hält mir die Schachtel näher hin und räuspert sich verlegen.
„Heirate mich".

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