Capitolo ventisei

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Felicia Ricci

„Ich verstehe dich echt nicht! Wieso willst du ihn jetzt suchen?", meckert Jasper mich wieder an und kommt mir die ganze Zeit hinterher. Ich ignoriere die Frage und ziehe mir meine Winterjacke an, weil es echt verdammt arschkalt draußen ist. Und Aurelio hat doch nur ein Tshirt an...
„Ja dann geh dahin und lass dich wieder verletzen!"
Das reicht mir!
„Jasper! Ja, er hat mich verletzt! Aber ich ihn auch eben. Und das ist nicht meine Art. So möchte ich niemals sein, also suche ich ihn jetzt und entschuldige mich", zische ich wütend zurück und rechne mit einer Diskussion, aber er nickt verstehend und lockert sich etwas.
„Du bist ein guter Mensch. Zu Gut", flüstert er und steigt die Treppen rauf.
Er winkt mir leicht zu, bevor er in mein Zimmer geht.
Mit einem Blick auf die Uhr, welche zeigt dass es 16 Uhr ist und somit schon dunkel draußen ist, verlasse ich das Haus.
Wenn Nathanael anruft, dann kann ich ihn ja zurück rufen.
Sofort kommen Gewissensbisse. Fuck. Ich habe Gino vergessen anzurufen. Hier ist einfach so viel los, ich vergesse es einfach. Hoffentlich nimmt er mir das nicht übel. Erst Jasper bricht in mein Haus ein, dann Aurelio, und nebenbei mache ich mir Gedanken, warum Nathan so lange weg ist! Er ist sonst immer nur 2-3 Tage maximal weg. Aber sobald ich diese Sorge äußern würde, würde ich den größten Streit provozieren.
Er sagt dann immer „stell mich nie wieder in Frage". Naja, dann belasse ich es auch dabei. Ruhe lässt es mir trotzdem nicht. Ganz und gar nicht. Aber eins nach dem anderen. Ich suche jetzt erstmal Aurelio, entschuldige mich, dann gehe ich Nachhause und rufe Gino an. Wenn alles erledigt ist und ich wieder etwas atmen kann, werde ich mit Nathan sprechen.
Na dann, auf gehts.

-

Langsam habe ich ehrlich keine Lust mehr. Ich latsche jetzt schon durch den Wald seit 15 Minuten in der Kälte und niemand ist hier.
Gestresst lasse ich mich auf einer Bank neben mir sinken und atme erstmal durch. Wo könnte er denn sein?
Plötzlich knacken Äste hinter mir und das Rascheln der Blätter wird immer lauter. Panisch springe ich auf und schaue, wer da ist.
„Hallo?", rufe ich laut und mache mich schon bereit, wie der Teufel gleich zu rennen.
Das Knacken stoppt und eine unheimliche Stille trifft ein. Ich sehe nichtmal etwas, weil es einfach zu dunkel ist. Gerade eben sehe ich die Umrisse meiner Hand. Ich bin echt dumm einfach.
Langsam gehe ich einige Schritte zurück und versuche nicht laut zu atmen. Das wäre fatal, wenn ich wegen meiner lauten Atmung geschnappt werde.
Aus dem Nichts packt mich jemand an meiner Schulter und ich brülle laut auf, wie eine verrückte.
„SEI LEISE!", schreit er mich an.
Oh mein Gott. Er ist es!
Ich springe in seine angespannten Arme und verarbeite den Schock erstmal.
„Mach das nie wieder, Aurelio", murmel ich in seine Brust und atme hektisch ein und aus. Ich hab echt gedacht, meine Seele verlässt meinen Körper gleich.
Plötzlich spüre ich, wie Aurelio sanft meinen Rücken streichelt und mich hoch hebt. Fragend beuge ich mich nach hinten, um ihn anzugucken.
„Was soll das werden?"
Er zuckt mit den Schultern und beginnt zurück zu laufen.
„Siehst du überhaupt was?"
Genervt atmet er aus und ignoriert mich wieder.
„Wo warst du?"
„Verdammt, du fragst und redest echt viel. Sag doch einfach, dass du mich vermisst hast und du nicht willst, dass ich für immer gehe", zischt er und mit einem Mal, stoße ich mich von ihm runter. Wütend schauen wir uns beide an, und werden nur durch das Mondlicht ein wenig erhellt. Seine eisgrauen Augen funkeln und ziehen meine in seinen Bann.
Da vergesse ich fast wieder, was ich eigentlich sagen wollte.
„Ich bin verheiratet, Aurelio"
„Na und?! Ist er hier? Wo ist er? Warum ist er nicht bei dir?", fragt er laut und sucht demonstrativ hinter mir nach ihm. So ein Idiot.
„Er hat Termine. Geschäftsreise"
„Geil. Und dann lässt man Frau und Kind ohne Schutz zurück, obwohl man ihre ganze Vergangenheit kennt. Tollen Mann hast du da. Das würde ich niemals machen"
„Weißt du auch warum, Aurelio? Weil du nämlich niemals mein Mann sein wirst!!", keife ich ihn an. Ja, vielleicht etwas zu grob, aber anders versteht er es nicht.
„Doch, das werde ich. Ich bin inzwischen 32 Jahre alt. Ich bin reifer geworden. Und ich werde dich nicht noch einmal verlassen oder weg schicken. Niemals", haucht er und kommt mir näher.
„Das musst du aber. Anders geht es nicht", flüstere ich und spüre seinen brennenden Blick auf mir.
„Ich liebe dich", murmelt er schüchtern und hält den Blick stand.
Mein Mund wird ganz trocken. Was hat er gesagt? Er liebt dich, Felicia.
Tränen schießen in meine Augen und sein Gesicht hellt sich auf.
„Nimm diese Worte nie wieder in deinen Mund!", zische ich verletzt und will gehen.
„Wieso? Weil ich es dir sonst schwerer mache?", schreit er von hinten belustigt.
„Nein! Weil du keine Gefühle hast! Hättest du welche, dann hättest du mich niemals verwundet weggeschickt, ohne mir irgendetwas zu geben. Weder essen, noch ein Handy, noch hast du mir ein verficktes Taxi gerufen! Wegen dir traf ich Nathan und wegen dir, kam es zu einer Hochzeit! Ich wollte gar nicht! Ich war so sehr in dich verliebt, warum auch immer, dass ich nichts mehr wollte!!", schreie ich ihn verbittert an und ich war noch lange nicht fertig. Geschockt steht er da und hört zu.
Ich habe eine Menge zu erzählen. Danach kann er tun was er will!
„Im ersten Jahr, habe ich 18 kg verloren. Ich war magersüchtig, Aurelio. Du hast mir mein Medizinstudium genommen, wofür ich hart gekämpft habe, du hast mir meine Bindung zu meiner Familie genommen, von der ich nie wieder mehr was gehört habe und du hast mir mein Herz geraubt, es genommen und mit einem Hammer unendlich oft drauf gehauen, bis es nur noch ein Haufen von Splittern war. Mit dem was übrig geblieben ist, kann man nichts mehr anfangen. Du hast mir ein Glück genommen, Aurelio Monti, und das werde ich dir niemals verzeihen", weine ich aus tiefstem Herzen heraus und lasse einen gebrochenen Aurelio zurück.
Ich spüre, wie mein Herz schneller schlägt und versucht, das ganze Blut durch meinen Körper zu schicken. Alles ist lebendiger und ich weiß auch den Grund dafür. Nach fast 8 Jahren, habe ich das erste mal ausgesprochen, was ich so lange für mich behalten habe. Das erste mal, dass jemand zugehört hat und nicht gleich wieder auf Geschäftsreise war.
Ich bin erleichtert.
Ich glaube, wenn ich das mit diesem Botega Kartell geregelt habe, werde ich einfach ein neues Leben aufbauen.
Ohne Nathan, mit Jasper.
Ohne Aurelio Monti.
Diese Liebe, diese Verbundenheit sollte nicht sein. Sie hätte sich niemals entwickeln dürfen.
Aurelio hat ab heute mein Herz verlassen. Sowie er mich aus seinem verbannt hat vor vielen Jahren.

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