Stinkend wie wir drei waren liefen wir mit unserer Ausbeute in die Küche. Ein paar unseres Begrüßungskomitees folgten uns, um uns zu helfen oder um uns einzureden, ihnen das Einräumen zu überlassen, damit wir uns frisch machen gehen könnten, doch keiner von uns wollte dem so wirklich zustimmen. Helfen, natürlich, doch irgendwie sahen wir alle drei es in unserer Verantwortung, unsere Mission mit zu Ende zu bringen und dazu gehörte dieser ziemlich harmlose Part nun mal dazu. Weswegen wir nun mit zu vielen Leuten in der Küche standen und um drei Rücksäcke herumwuselten.
"Alles klar, Schluss jetzt", verließ mich schon sehr bald die Geduld. Ich war schmutzig, ich roch fürchterlich, ich war müde as fuck und durch diesen nervenaufreibenden halben Tag extrem ausgelaugt und aufgekratzt. Sie sollten sich verziehen!
"Nathaniel, Pia, bleibt gerne hier, aber ich bitte den Rest von euch, zu gehen. Das ist mir grad viel zu voll und stressig, okay?"
Wahrscheinlich war ich damit in ein Fettnäpfchen getreten, denn ein paar der nicht Genannten sahen mich an, als wäre ich ihnen auf den Schwanz getreten, doch im Endeffekt machten sie doch den Anschein, mich und meine Motivation hinter den Worten nachvollziehen und akzeptieren zu können und verschwanden. Ein Glück.
"Ein Glück", seufzte Svea neben mir und verdutzt schaute ich sie an. Wieso sprach sie das aus, was ich genau in dem Moment dachte? Wie gruselig. Sie bemerkte meinen Blick und quälte sich zu einem kleinen Lächeln. "Ich hab nicht gern so viele Menschen um mich herum."
Verstehend nickte ich. "Darum hab ich sie ja auch weggeschickt. Also, nicht wegen dir, sondern weil wir alle fix und fertig sind und das grad nicht gebrauchen können."
Sie kratzte sich ein wenig Dreck von der Wange, der womöglich zu jucken angefangen hatte und wandte sich dann wieder ihrer Tasche zu. Ich tat es ihr gleich und breitete sämtlichen Inhalt auf der Arbeitsfläche aus. Ein paar Sachen waren ja schon weggeräumt worden und doch erfreute mich der Anblick unserer Ausbeute. Es so vor mir zu sehen zeugte dann doch von mehr, als es sich erst angefühlt hatte. Ein gutes Gefühl, dass der Stress sich gelohnt hatte.
"Nathaniel, würdest du mir mal eben helfen?", fragte Viktor neben mir, in den Armen hielt er einige Hygieneartikel, aber noch längst nicht alle. Wahrscheinlich fragte er ihn, weil der Blondschopf als – zumindest beliebtester – Herr des Hauses die größte Ahnung besitzen sollte, wo das alles verstaut werden sollte und konnte. Und hilfsbereit wie er stets war, willigte er natürlich ein. Wodurch nur noch die reine Frauenpower in der Küche verblieb, um die Lebensmittel sowohl hier, als auch im Vorratsraum zu verstauen.
"Pia, könntest du vielleicht mal?" Ich zeigte mit der Cornflakespackung nach oben auf einen Hängeschrank. "Ich mag mit meinen verdreckten Klamotten nicht auf der Arbeitsfläche herumturnen."
"Sicher."
Ich bedankte mich und drückte ihr die Packung in die Hand. Genau in dem Moment, als ich mich den wenigen verbliebenen Nahrungsmitteln zudrehen wollte, sah ich, wie sich Sveas Rucksack, den sie nach oben auf die Arbeitsplatte gestellt hatte, um besser heranzukommen, sich gen Boden verabschiedete. Mit einer reflexartigen, flinken Bewegung schnellte ich einen Schritt nach vorn und fing die Tasche in der Luft auf. Dessen restlicher Inhalt fiel allerdings doch der Erdanziehungskraft zum Opfer. Die Blondine erschreckte sich bei dem Lärm der aufkommenden Konserven und fluchte dann leise auf einer Sprache, die ich nicht verstand. Schwedisch? Meinte sie nicht mal, sie wäre halb Schwedin? Skandinavisch klang es auf jeden Fall.
Ich bückte mich, um die heruntergefallenen Sachen aufzuheben, als mein Blick an einer quadratischen Packung hängen blieb. Verschmitzt grinsend stellte ich die Dosen in meiner Hand ab und blickte zu Svea herab, die sich ebenfalls ans Aufsammeln gemacht hatte. Als sie meinen Blick bemerkte, wusste sie genau, weshalb ich sie so anschaute. Ein roter Schleier legte sich über ihr Gesicht. Irgendwie stachelte mich das noch mehr an.
"Na, was haben wir denn Schönes vor?", fragte ich schelmisch und hob eine Braue empor. Die Blauäugige wandte den Blick ab, räusperte sich so unauffällig, wie es möglich war und sammelte weiter ihren Kram zusammen, als ob nichts wäre und vor allem nichts unangenehm wäre.
"N-Nichts, wieso?"
Ihr Gesicht verriet mir, dass sie sich noch im gleichen Moment dafür verfluchte, ein „wieso" hinterher gehängt zu haben. Tja, ihr Pech~
"Nun", sinnierte ich spielerisch, "wenn ich Kondome mit mir rumschleppe, bereite ich mich normalerweise schon vorsorglich auf etwas vor~"
"Ich habe sie in einem der Häuser gefunden..."
"Das unterstreicht nur das, was ich soeben gesagt habe!", lachte ich.
Svea machte den Eindruck, im Erdboden verschwinden zu wollen. "Viktor sagte, ich solle sie einstecken..."
Ich tat so, als würde ich nachdenken und machte ein zustimmendes Geräusch. "Ja, Viktor scheint äußerst vorausschauend zu sein." Der Blick, den ich ihr daraufhin zuwarf, schien ihr nicht zu gefallen. "Vielleicht hat er da ja an wen ganz Bestimmten gedacht. Jemanden, dessen Verbindung zu dir sehr intensiv zu sein scheint~"
"Was redest du da?", murmelte sie, es war nicht ganz ersichtlich, ob sie anfing, verärgert zu sein. Abhalten ließ mich das allerdings nicht davon, sie weiter zu ärgern. Meine Aufmerksamkeit wanderte kurz zu dem Ablageplatz, an dem vor Kurzem noch die Hygieneartikel nebeneinander gereiht waren, dann zur Küchentür, aus der innerhalb von zehn Minuten schon so einige Leute verschwunden waren, bevor ich mich wieder zu ihr umdrehte und sie angrinste. Einfach nur angrinste, nichts dazu sagte. Sie war nicht dumm, sie verstand sicherlich, was ich andeuten wollte.
Svea versteifte sich und sah mich mit großen Augen an. "W-Was, Nath?", hauchte sie ungläubig. "Nein! Er ist-... W-Wir sind-"
Wenn ich mich bisher noch zurückhalten konnte, war spätestens jetzt Ende damit. Ich brach in Gelächter aus und legte ihr beschwichtigend eine Hand auf die Schulter. Zwischen meinen Anfällen presste ich eine kaum verständliche Entschuldigung heraus und widmete mich dann wieder den letzten Beutestücken zu, noch immer vor mich hinglucksend. Svea war super. Ich kannte sie zwar nicht besonders gut, aber sie hatte etwas an sich, das es mir sehr leicht machte, sie zu mögen. Und mir das Gefühl gab, mich auf sie verlassen zu können. Und am wichtigsten, sie ärgern zu können, ohne eventuell davon ausgehen zu müssen, dass sie es mir allzu krumm nahm, he.
"War mir doch, dass dieses glockenhelle Lachen nur von einer Person stammen kann", ertönte eine Stimme an der Tür und wie vom Schlag getroffen machte ich eine glanzvoll dämliche Umdrehung in die Richtung, aus der sie kam, verschluckte mich dabei fast an meinem eigenen erstickten Lachen. Wahrscheinlich wäre ich volle Kanne hingeflogen, wenn meine eine Hand nicht noch rechtzeitig die Arbeitsplatte zu fassen bekommen hätte.
"Lys!", schrie ich ihn halb an. "Lass das doch endlich, du weißt doch mit am besten, wie schreckhaft ich bin!"
Die Blondine neben mir zischelte etwas undeutlich, doch eindeutig schadenfroh und dank der Worte "kleine Strafen" konnte ich mir schon denken, was es war. Und ich schätzte, sie hatte Recht damit. Ich beruhigte mich wieder und musste aufgrund ihres Spruches sogar schmunzeln.
"Wo warst du?", fragte ich an Lys gerichtet und widmete meine Aufmerksamkeit der Tüte, die ich eben vor Schreck hatte fallen lassen. "Du hast uns gar nicht mit den anderen empfangen."
"Tut mir leid, ich war duschen."
Ich schielte zu ihm herüber und erkannte wie dumm meine Frage war, weil ich sie mir auch hätte schenken können, wenn ich ihn mir nur genauer angeschaut hätte. Die feuchten Haare, die ihm entweder an der Stirn klebten oder wegen des Trockenrubbelns mit einem Handtuch halb wild vom Kopf abstanden, waren Indizien genug.
"Hättest du 15 Minuten gewartet, hätten wir das auch zusammen tun können, lol", scherzte ich beiläufig und reichte Pia die Tüte, die ich soeben aufgehoben hatte, als ich wegen ihres verblüfften Blickes erstarrte, mit einem Schlag realisierte, was ich soeben gesagt hatte. Ich hatte mit Lysander gesprochen, Lysander! Einem Typen und nicht mit irgendeiner Freundin!
Knallrot angelaufen ruderte ich wild mit den Armen. "Nein, so meinte ich das nicht! Das wollte ich nicht-... Ich meine, äh, ich wollte-... Das war...!" Ich hatte absolut keine Ahnung, wie ich aus der Nummer wieder herauskommen sollte. Das war mir nur so herausgerutscht! Ein Scherz!
Svea lachte neben mir. Lachte sie mich aus??
"Ich, äh..." Der Silberschopf, genauso hochrot angelaufen wie ich, stammelte etwas vor sich hin und kratzte sich unsicher im Nacken. Wow, das sah süß aus. "Ihr scheint meine Hilfe wohl nicht mehr zu benötigen, also würde ich... Ich schaue, wo ich sonst helfen kann, in Ordnung?"
Die Frage galt wohl mir. Zumindest blickte er mich direkt an, ein kleines, verlegenes Lächeln schlich sich auf seine Lippen und ich musste mich abwenden und so tun, die Tüte in meinen Händen nun selbst wegräumen zu wollen. Ich war mir sicher, dass das aber nur nach einem sehr kläglichen Versuch, mich lässig von der Situation abzuwenden, aussah. Ich nuschelte eine jämmerliche Bekundung meiner Zustimmung, die mich selbst tierisch ankotzte und hörte, wie er die Küche wieder verließ. Meine Ohren rauschten und mein Herz hämmerte so laut, dass ich mir sicher war, dass die anderen beiden es hören konnten.
"Hier, Kyra", ertönte es neben mir und schwerfällig drehte ich mich halb um. Der kleine Blondschopf nahm meine Hand in ihre und legte etwas hinein. Ihre Lippen verzogen sich zu einem diabolischen Schmunzeln, als sie hinzufügte: "Du wirst die wohl eher brauchen, als ich."
Ich erkannte die quadratische Verpackung und alles, was ich dazu hätte sagen können, erstickte in einem Anfall heißer, brodelnder und tiefgreifender Scham.
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Endless Death
FanfictionZwei Menschen, zwei Orte, ein Schicksal. Verdammt, sowas geschah doch normalerweise nur in Horrorfilmen! Doch für Kyra war es brutale Realität geworden. Als Zeugin von Patient 0 floh sie nun gemeinsam mit ihrem Bruder vor der rasant um sich greifend...