Das Special beinhaltete ein *Trommelwirbel* Was wäre wenn (es keine Zombies gegeben hätte) AU! (Natürlich viel zu spät hochgeladen, das Special war anlässig zum 5-jährigen Bestehen auf FF.de)
__________________________________________________________________
Ich stand in der Turnhalle, umringt von meinen umherwuselnden Klassenkameraden. Vor mir stand die bereits zum größten Teil aufgebaute Bühne für das Theaterstück heute Abend. Zum Glück war ich nur eine Notfallbesetzung, wenn auch von Dornröschen selbst. Aber Amber würde unter keinen Umständen ihren großen Auftritt verpassen und mich hatte Mr Miller sowieso nur in die Rolle gedrängt, weil mir die Farbe des Kleides doch so toll stehen würde. Urgh. Dieser Kerl war so unglaublich unangenehm. Ich sah mich um, Kentin trug gerade mit Castiel eine Holzplatte durch die Hallentür, Pia und Iris hängten Girlanden an die Wände. Ich sollte -
„Sveezy", Nath kam aus den Umkleiden auf mich zu, die Stirn in Falten gelegt und sichtbar unzufrieden.
„Was ist los?", ich sah ihn an, runzelte die Stirn.
„Es ist Amber... sie", er seufzte, „hat eine Creme mit Mandelöl benutzt."
Er brauchte das Dilemma gar nicht aussprechen. Sie war allergisch gegen Nüsse und hatte sicherlich bereits rote Pusteln am ganzen Körper.
„Och nöö", mir war sofort bewusst, was das hieß. Tja, ich hatte mich ja in Sicherheit gewogen. Selbst Schuld.
„Rosa muss das Kostüm für dich anpassen, du sollst bitte so schnell wie möglich zu ihr kommen", er deutete mit seinem Daumen über seine Schulter hinweg in die Richtung aus der er kam.
Ich sah ihn für einen Augenblick einfach nur an. Ich fühlte mich verarscht. Ich wollte doch gar kein Theater spielen. Ich hasste es im Mittelpunkt zu stehen und auf einer Bühne tat ich das zwangsweise. Außerdem würde die Turnhalle so fürchterlich voll sein... das war auch ohne Stress anstrengend genug. Mensch, ich hatte mich darauf eingestellt den ganzen Vormittag Luftballons aufzublasen und später vielleicht von der Direktorin als Vorzeigesprachschülerin hergezeigt zu werden oder ihren Hund zu babysitten oder mich mit Essen vollzustopfen, aber dieses Szenario war schlimmer. Ich seufzte, ditschte Nath gegen den Oberarm und drückte mich enger an ihm vorbei als ich müsste. Er war eben nun mal so angenehm warm und sein Deo... ich hätte gern mein Gesicht in sein Oberteil gedrückt und es dort gelassen, sagen wir es so. Eine Hand wühlte mir durch die Haare, zerzauste meinen Zopf.
„Ey!", ich funkelte Nath finster an, aber er lachte.
„Rosa wird dich eh später frisieren."
Gespielt und völlig übertrieben empört drehte ich mich weg, warf meinen Zopf über meine Schulter wieder nach hinten und stolzierte dann in die Damen-Umkleide. Rosa war schnell zu hören, sie klang alles andere als glücklich.
„Wirklich nicht Sveas Schuld, aber warum müssen die beiden Besetzungen von Dornröschen nur so unterschiedlich gebaut sein? Das um zu nähen wird eine knappe Sache!"
Ich trat in den Raum, Alexy war bei ihr.
„Tut mir leid, dass ich dir solche Arbeit mache, Rosa", ich trat an sie heran.
„Oh! Hast du mich gehört?" Sie sprang mit einem Maßband in der Hand auf. Ich nickte.
„Wie gesagt, echt nicht deine Schuld", sie schüttelte den Kopf. Ihr Blick wanderte zu meinen Schuhen. Schwarze Turnschuhe. Nicht unbedingt geeignet für eine Prinzessin.
„Welche Schuhgröße hast du?"
„36." Meine Antwort entlockte ihr ein Seufzen.
„Meinst du, du schaffst es in 38 zu laufen?
„Vielleicht? Ist ja nicht so viel..." Ich zuckte mit den Schultern.
„Wenn du stolpern solltest, überspiel es einfach, sodass es gewollt aussieht. Eine tollpatschige Dornröschen."
„Ich versuche mir lieber möglichst nicht die Beine zu brechen, denke ich", scherzte ich. Das konnte ja lustig werden. Zum Glück lag ich die meiste Zeit einfach rum. Rosa schmunzelte und Alexy gluckste.
„Ich geh dann mal", er verabschiedete sich und ging.
„Ich muss deine Maße nehmen, dafür musst du dich ausziehen", Rosa rollte schwungvoll etwas vom Maßband ab.
„Schon klar."
Ich zog mich also bis auf die Unterwäsche aus, bevor sie anfing meine Maße zu nehmen. Mir war kalt und sie musste mehrmals eine Spanne messen, weil ich durch das Zittern zu sehr zuckte, weshalb sich das ganze länger ausdehnte als es hätte müssen. Sie schrieb sich die Zahlen auf und dann konnte ich mich auch schon wieder anziehen. Endlich. Anfang September war mir eindeutig zu kalt für längere Zeit in Unterwäsche in diesen ausgekühlten Umkleiden.
„Geh erst einmal zurück zu den anderen. Ich brauch hier Ruhe beim Nähen." Sie grinste mich an und deutete nach draußen. Ich nickte und schlüpfte wieder in meinen Schuh, bevor ich wieder in die Turnhalle ging.
Dort war das erste, was ich bemerkte die Unruhe, die herrschte. Ich fand Armin in dem Durcheinander und ging zu ihm.
„Wasn los, Armin?", ich sah durch die Traube unserer Klassenkameraden sowieso nichts.
„Kentin hat sich eines der Bretter aufm Fuß fallen lassen", er verzog voller Mitgefühl das Gesicht, ich tat es ihm gleich. Ich wich zur Seite, als die Gruppe sich aufteilte. Alexy und Lysander stützten ihn und halfen ihm weg – auf die Krankenstation – wie ich vermutete.
„Na zum Glück ist das Kostüm Kentin ein wenig zu groß, hm?", Armin sah mich an und seine Mimik wandelte sich immer mehr in ein Grinsen.
„Wieso?", meine Augenbrauen zogen sich zusammen.
„Wer ist Kentins Ersatz?", er grinste so breit, wie sein Gesicht es her gab. Nathaniels Gesicht ploppte in meinem Kopf auf. Ich behielt das „Och nö" für mich. Es war so klar, was das Theaterstück in so einer Kombination in unserer Klasse wieder auslösen würde. Nämlich Spekulationen und Witze. Wie anstrengend. Ich seufzte also nur und schaute mich in der Halle um. Nath war nirgends zu sehen. Vielleicht war er bei Amber, vielleicht auch bei der Direktorin, ich konnte nur raten, denn Armin packte meinen Arm und zog mich mit sich in eine Turnhallenecke. Er winkte Viola und Kim dazu, die gerade etwas zu besprechen schienen. Zu meiner Überraschung hatte er mehrere Packungen Luftballons bei sich, die alle weiß, dunkelblau oder Lila waren und somit perfekt zur restlichen Deko des Theaterstück passten.
„Kannst du Gedanken lesen?", ich lachte.
„Wieso?", gluckste er.
„Ich habe vorhin noch darüber nachgedacht, dass ich gerne Luftballons aufblasen würde um danach meine Ruhe zu haben."
„Nun... jetzt musst du aber auf die Bühne und dich von Nath wachküsse-", Armin grinste für meinen Geschmack zu breit, ich fiel ihm ins Wort.
„ER küsst mich doch ÜBERHAUPT NICHT!", zischte ich.
So wie er und Kim grinsten, hatte ich diese Diskussion allerdings schon verloren, bevor sie überhaupt begann. Also riss ich ihm eine Packung Ballons aus der Hand, ließ mich auf den Boden sinken und begann damit sie aufzublasen. Ich ignorierte die amüsierten Blicke der anderen, bis mir schließlich eine Sache einfiel.
„Hat überhaupt jemand Nath informiert, dass er Kentin vertreten muss?", fragte ich in die Runde.
„Ach, jetzt plötzlich doch so interessiert?", auf Armins Gestichel hin verdrehte ich nur die Augen, „Ich hab ihm geschrieben, mach dir keine Gedanken um deinen Prinzen."
„Sonst geh ihn doch ruhig suchen", lächelte mir Viola zu.
„Muss ich nicht, der ist schon groß", ich schmunzelte sie an und dennoch war ich dabei mir Gedanken zu machen. Was, wenn ihn die Nachricht von Armin aus irgendeinen Grund nicht erreichte? Aber ich weigerte mich zuzugeben, dass ich ihn suchen wollte. Nath kam zurecht und er würde schon nicht bis heute Abend kurz vor der Vorstellung verschwunden bleiben. Statt durch die Schule zu laufen und Nath zu suchen, blieb ich also bei den dreien und pustete Luftballons auf. Mit Armins Albernheiten war das eine Angelegenheit voller Lachen und daraus resultierenden Bauchkrämpfen. Ich hatte letztendlich zu diesem Zeitpunkt mehr Spaß als ich es während des Aufbauens erwartet hätte. Die Sorge um Naths Erscheinen beim Theaterstück war in Vergessenheit geraten. Erst als wir anfingen die Ballons aufzuhängen, wand Armin sich wieder an mich.
„Hey, du bist beim Aufhängen wirklich keine große Hilfe, nichts für Ungut... magst du vielleicht doch Nath suchen gehen?"
Ich blinzelte ein paar Mal.
„Kann ich machen...", irritiert musterte ich ihn, aber er lächelte nur ohne mir mehr zu verraten. Ich drehte mich also um und verließ die Turnhalle. Draußen zog ich den Reißverschluss meiner Jacke zu und sah mich auf dem Schulhof um. Andere Klassen hatten Essensstände aufgebaut und waren dabei alles für das Fest vorzubereiten, das anlässlich des 100. Jubiläums unserer Schule zusammen mit dem Tag der offenen Tür veranstaltet wurde. Unsere Klasse hatte das große Los gezogen ein Theaterstück als Abendunterhaltung aufführen zu dürfen. Eine Parallelklasse hatte uns beim Bühnenbau unterstützt und ich fragte mich, wie die Organisation eines Theaterstücks oder einer Bühne vom Aufwand mit einem Crêpestand verglichen werden konnte. Da sich beschweren aber nichts nutzte, hatten wir uns dem Schicksal ergeben und das Beste daraus gemacht. Auf dem Weg zum Schulgebäude begegnete ich dem Klassensprecher einer Parallelklasse. Er redete gerade mit einem seiner Klassenkameraden, aber ich sprach ihn dennoch an.
„Mike, hast du zufällig Nathaniel gesehen?" Er drehte sich zu mir und legte den Kopf schief.
„Hm, vor so zwanzig Minuten vielleicht hat er was mit der Direx besprochen, aber keine Ahnung wo er jetzt ist", er zuckte mit den Schultern und wand sich wieder seinem Kumpel zu.
„Okay, danke", ich setzte mich wieder in Gang und betrat die Schule, in der aktuell nicht weniger herumgewuselt wurde als in der Turnhalle oder auf dem Schulhof. Alles war voller Leben, Leute lachten und das hing wahrscheinlich nur bedingt mit den Vorbereitungen des Fest zusammen. Nath so zu finden würde nicht einfach werden. Es dauerte auf jeden Fall lange genug, um vorher Maddison über den Weg zu laufen. Ihr böser Blick und ihr abschätziges „Hallo Svea, ich hab gehört du musst im Theaterstück einspringen?", brachten mich nur zum Verdrehen der Augen. Ich wusste bis heute nicht, warum sie mich so verachtete. SIE hatte mit Nath Schluss gemacht, nicht andersherum und ich hatte damit erst recht nichts zu tun. Ich seufzte also ein halbherziges Hallo zurück und ging an ihr vorbei. Viel Zeit wollte ich wirklich nicht in ihre Launen investieren. Das Durcheinander an Stimmen ließ es nicht zu, irgendetwas genaueres heraus zu filtern, durch die Gänge folgte mir also nur ein lautes Summen. Letzten Endes fand ich Nath vor der Krankenstation, wo er mit einem Kerl aus einer Parallelklasse sprach. Dieser verabschiedete sich allerdings als er mich sah.
„Hast du mich gesucht?", er schmunzelte.
„Ja. Hast du Armins Nachricht bekommen?" Ich deutete auf sein Handy, das er gerade in der Hand hielt und lehnte mich an den Spind neben mir. Er nickte.
„Hab ihm schon geantwortet und war gerade bei Kentin."
„Wie geht es seinem Fuß?"
„Das wird heute nichts mehr mit dem Gehen. Er wird abgeholt und zum Arzt gefahren." Nath schüttelte den Kopf. Ihm war wohl klar, worauf ich mehr oder weniger hinaus wollte.
„Der arme Kerl", ich verzog mein Gesicht.
„Ja, aber das wird wieder", Nath schmunzelte und lehnte sich etwas weiter in meine Richtung, „dann muss ich wohl auch einspringen."
Ich nickte und konnte das Grinsen nicht zurückhalten.
„Tja, jetzt haben wir zusammen das Theater. Im wahrsten Sinne des Wortes."
Ich lachte und er schüttelte amüsiert den Kopf.
„Lass uns zurück zu den anderen gehen, Sveezy", er ging bereits vor und ich folgte ihm.
In der Turnhalle angekommen, half Nath noch beim Aufhängen der restlichen Ballons und Girlanden, während ich mit ein paar anderen die Stuhlreihen aufstellte. Schließlich kam Rosa aus den Umkleiden. Sie drückte Nath eine Tasche in die Hand, mit der Aufforderung es anzuprobieren, während sie mich mit sich zog. Auch ich sollte mein Kostüm anprobieren. Nach ihren Anpassungen passte es mir nun, aber mein Blick wanderte zu den Schuhen, die auf einer der Sitzbänke standen.
„Probier sie an, trag sie am besten auch bei der Generalprobe... und jetzt", sie drückte mir die Schuhe in die Hand. Ich seufzte, setzte mich und zog die Pumps an, nachdem ich meine Schuhe und Strümpfe ausgezogen hatte. Der Versuch zu laufen funktionierte eigentlich recht gut, da die Schuhe wenigstens recht schmal geschnitten waren. Trotzdem steckte mir Rosalia ein wenig Watte in die Schuhe. Die restliche Zeit bis zum Fest verbrachten wir mit weiteren Dekorationen, Textübungen und einer Generalprobe. Ich genoss das Zusammenarbeiten mit Nath und den anderen, ohne dass wir Druck aufgrund einer Benotung oder ähnlichem hatten.
Als das Fest dann losging, verzogen wir uns auf den Schulhof, mit der Ermahnung von Rosa für mich, ja eine Stunde vorm Auftritt in den Umkleiden zu sein. Nath erzählte mir, dass seine Mutter nicht kommen würde, weil sie bei Amber bleiben würde und über seinen Vater mussten wir gar nicht erst reden. Wir trafen uns also mit meinen Eltern, futterten dabei alle einen Crêpe und nachdem meine Eltern beschlossen hatten sich die Stände in Ruhe ansehen zu wollen, begleiteten wir sie. Während mein Vater Nath und mich nur für das Pech auslachte, dass wir nun beide tatsächlich für unsere Rolle einspringen mussten, sah meine Mutter es positiv. Wir machten es immerhin zusammen. Es wäre für uns beide deutlich unangenehmer, müsste das nur einer von uns. Ich kam mit Kentin nicht so richtig zurecht, seitdem er von der Gehirnwäsche-Akademie zurück war und für Nath – und Amber auch – wäre es wirklich unangenehm gewesen, so tun zu müssen als würden sie ihr Geschwisterkind küssen. Auch wenn sie das nicht getan hätten. Allein das Implizieren innerhalb des Theaterstücks wäre befremdlich für sie gewesen. Wir hatten noch eine schöne Zeit, bis es schließlich zumindest für mich Zeit wurde in die Umkleide zu gehen. Nath ließ ich noch ein wenig bei meinen Eltern zurück. Rosa empfing mich mit einem Lächeln. Ich zog mich also um, bekam wegen der dann doch recht kühlen Temperaturen dort eine Decke über die Schultern gelegt, ehe Rosalia mir zusammen mit Alexy die Haare und zu meiner Überraschung auch ein Make-Up machten. Kurz vor dem Auftritt hatte ich dann eine wirklich schöne halboffene Frisur mit ein paar sanften Locken, Sternenaccessoires und einer Krone. Das Make-Up war stark, aber gefiel mir erschreckend gut. Smokey-Eyes mit Glitzer konnte ich anscheinend tragen. Nur künstliche Wimpern verweigerte ich den beiden. Hinter der Bühne war es durch die Vorhänge und mit den ganzen Leuten dort und vor der Bühne zum Glück um einiges wärmer. Als ich dort ankam, war Nath schon da und spielte offensichtlich nervös an dem Hut herum, der zu seinem Kostüm gehörte. In dem er übrigens zum Anbeißen aussah. So als hätte Rosa es für ihn geschneidert und nicht für Kentin. Mir wurde warm. Das waren unangemessene Gedanken gegenüber des besten Freundes, ich sollte mich lieber konzentrieren... aber dann würde ich endgültig nervös werden... zu spät. Nath musterte mich, kaum dass er mich bemerkte genau. Rosa verabschiedete sich um nach vorne zu gehen und ihren Freund zu begrüßen, versicherte uns aber später hinter der Bühne zu sein. Dabei war das Theaterstück doch von vorne bestimmt ansehnlicher mit der Kulisse und allem... aber vielleicht war es ja eine Sache des Stolzes oder einfach die Besonderheit, alles aus einer anderen Perspektive zu sehen?
„Du siehst umwerfend aus", Nath war so rot geworden, wie ich ihn lange nicht mehr gesehen hatte, hatte sich zu mir vorgebeugt. Mein Gesicht begann zu glühen.
„Ist wirklich ungewohnt...", meine Mundwinkel zogen sich nach oben, „danke."
„Na, ihr beiden?", Iris kam zu uns, grinsend über beide Ohren und bereits in ihrem Königinnen-Kostüm, „Nervös?"
Ich nickte nur.
„Blind vor einer Menschenmenge liegen, ein Traum."
„So wirklich wohl fühl ich mich nicht dabei", schmunzelte Nath, sein Blick immer noch auf mir. Ich schloss die Augen, atmete durch. Das würde schon werden. Doch mein Magen sagte was anderes, die kalten Hände und die aufgestellten Nackenhaare auch.
Das Theaterstück begann, eingeleitet von Melody als Erzählerin, raste mein Puls noch einmal ein wenig mehr. Der Beginn, Iris und Lysander als Königspaar, Li die böse Hexe, Carla die gute, wie fremdgesteuert spielte ich meinen Teil, stolperte zum Glück nicht, bevor ich passend zum Geräusch des Bühnenteams an die Requisitenspindel packte und dann zu Boden sank. Die Bühne wurde dunkel. Es wurde vereinzelt geklatscht, ich stand auf, zwei Leute, ich konnte in der Dunkelheit nicht erkennen wer, trugen ein kleines Podest mit einer bodenlangen Decke herbei und legten ein Kissen ab. Melody stand als einzige beleuchtete Person auf der Bühne, erzählte ihre Überleitung. Ich legte mich mit dem Rücken auf das Podest, der auch für Amber lang genug gewesen wäre und platzierte meine Hände auf dem Bauch. Nun hieß es warten. Das Licht ging wieder an, war auch mit geschlossenen Augen blendend hell. Das Gefühl – wahrscheinlich – angestarrt zu werden war mir unangenehm und ich wollte mich bewegen können, auf meinen Lippen kauen, irgendwas, aber ich durfte nicht. Deshalb versuchte ich mich zu beruhigen, atmete gleichmäßig und langsam, hörte meinen Klassenkameraden zu wie sie ihre Rollen spielten, lauschte den Soundeffekten und wurde noch ein Stückchen aufmerksamer, als das erste mal Naths Stimme im Streit mit seinem Königsvater, Castiel, erklang. Schließlich hörte ich den gestellten Kampf gegen die Dornen und den Armin-Drachen, dann die Schritte auf mich zu. Mein Herz begann zu hämmern, ein Schatten wurde auf mich geworfen. Nath sagte den Satz, der ankündigen sollte, was er jetzt tun würde, kniete sich der Geräusche nach hin, ich öffnete vorsichtig ein Auge, erwartete wie in der Probe ein Grinsen und eine herausgestreckte Zunge. Doch ich hörte nur ein leises Fluchen und Knacken und dann... Naths weiche und warme Lippen. Hinter der Bühne konnte ich gedämpft Gekicher und Gelächter hören und mein Gesicht glühte. Naths ebenso, als sich unsere Blicke trafen. Seine Lippen waren auf meinen. Das. War. Ein. Kuss. Am schockierendsten für mich war jedoch, wie sehr ich ihn beibehalten, nein sogar vertiefen wollte. Nath wollte hochschnellen, aber ich hielt ihn fest, löste erst dann den Kontakt unserer Lippen und ließ ihn langsam los.
„Ist passiert, jetzt bleib professionell", flüsterte ich ihm zu, ahnungslos woher die Ruhe kam, wo mein Gesicht doch immer noch eine Herdplatte war, wo mein Gehirn doch nach mehr Küssen verlangte. Er schluckte hörbar, wischte sich die Hand ab und setzte den Hut wieder auf. Ich gähnte wie einstudiert völlig übertrieben, streckte mich und blinzelte Nath aus großen Augen ein „Wer seid Ihr?" entgegen. Er sprach seinen Text erstaunlich gefasst, hielt meine Hand wie vorgesehen, deutete den Handkuss an, auf den Rosa im Drehbuch bestanden hatte und half mir schließlich auf. Hinter dem Vorhang war es immer noch unruhig, so sehr, dass es bestimmt auch vor der Bühne zumindest in der ersten bis zweiten Reihe zu hören war. Naths Hand war warm. Er führte mich in die Mitte der Bühne und Melody kam dazu. Als sie mit steifem Gesicht ankündigte, dass mit der Prinzessin auch der Rest des königlichen Hofes erwacht war und das allseits bekannte „Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute" ausgesprochen hatte, kamen nach und nach die anderen Schauspieler auf die Bühne. Wie im Theater üblich stellten wir uns alle in einer Reihe auf, doch auch die Bühnencrew wurde nach vorne gezerrt und mit Naths großer Hand noch in meiner, verbeugten wir uns unter dem Applaus der Zuschauer zweimal. Trotz meines ursprünglichen Widerwillens blubberte Stolz in meiner Brust. Dann schlossen sich die Vorhänge, wie ich feststellte, dank zweier Lehrerkräfte, die anstelle der Bühnenleute eingesprungen waren. Sofort hielt Nath meine beiden Hände.
„Ich schwöre dir, es war ei-", er wurde von einem Kuss auf die Wange unterbrochen.
„Weiß ich doch", lachte ich, „und jetzt geh dich schnell umziehen, wenn du nicht von Fragen zerfleischt werden willst."
Als wäre das ein Startsignal gewesen, hastete ich davon in Richtung der Umkleiden. Nach kurzem Zögern hörte ich, wie Nath mir mit schnellen Füßen folgte, mich schnell überholte, was nicht überraschend war und zu den Umkleiden mitzog. Diese ganze Situation war einfach absurd.
Ich hatte nicht bedacht, dass die anderen Mädchen sich ebenfalls dort umziehen würden und so wurde ich nur noch halb im Kleid steckend dennoch ausgefragt. Nachdem ich mehrmals erklärt hatte, warum ich den Kuss nur so langsam gelöst hatte, weil es nämlich sonst dem Publikum aufgefallen wäre und natürlich nicht, weil ich ihn beibehalten wollte, keineswegs, entließen sie mich wieder in die Freiheit. Ich machte mir nicht die Mühe mich abzuschminken oder die Frisur zu lösen, schlüpfte zurück in meine Jogginghose, das Sweatshirt und die Turnschuhe, ehe ich die Umkleide verließ um wieder hinter die Bühne zu gehen. Ich hatte da einen Gedanken während des Umziehens. Mit dem Glück nicht angequatscht zu werden, ging ich zu dem Podest, auf dem ich so lange lag. Nach kurzem Fühlen fand ich tatsächlich was. Nath war tatsächlich die Platte unter der Hand weggebrochen - weil es eben doch kein massives Holz war, wie ich dachte, sondern eine eigene Konstruktion, die nur aus Sperrholz bestand. Na zum Glück hatte sie mich getragen... Ich sollte Nath suchen und ihm erzählen warum das Missgeschick, das mir viel zu sehr gefiel, passiert war. Außerdem würde ich mit Mama über das Geschehen heute reden müssen, ich bekam meine Gedanken gerade absolut nicht geordnet. In Gedanken versunken stolperte ich fast über meine eigenen Füße, als ich plötzlich eine Grundschülerin am Arm hängen hatte. Jemand rief ein entsetztes „LEONIE!"
„Du bist die Prinzessin! Du bist soooo hübsch! Hat der Prinz dich wirklich geküsst? Bist du beim Warten eingeschlafen auf der Bühne?" Sie bombardierte mich mit Fragen, was mich völlig überfordert vor mich hin blinzeln ließ. Wo kam sie denn her?
DU LIEST GERADE
Endless Death
FanfictionZwei Menschen, zwei Orte, ein Schicksal. Verdammt, sowas geschah doch normalerweise nur in Horrorfilmen! Doch für Kyra war es brutale Realität geworden. Als Zeugin von Patient 0 floh sie nun gemeinsam mit ihrem Bruder vor der rasant um sich greifend...