Kapitel 68 - Heimweh - Svea

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Ich sah Kim hinterher, als sie mit ihren Krücken aus dem Wohnzimmer verschwand. Während ich es ihr nicht verübeln konnte, dass sie aus dieser Situation entkommen wollte, beneidete ich sie darum, dass sie sich das traute. Ich konnte mich gerade nicht rühren, in meinem Kopf sprangen gesprochene Sätze der vergangenen Minuten umher. Unbewusst war mir vielleicht bewusst gewesen, dass wir auch bei Überlebenden durchaus vorsichtig sein mussten, aber diese Gewissheit zu haben, war niederschmetternd. Menschen waren nun einmal... Menschen. Das sollte mich nicht mehr schocken. Wenn ich früher dachte, dass die Apokalypsenfilme teilweise übertrieben waren in der Dummheit der Menschen, dachte ich jetzt, dass sie sogar noch untertrieben haben könnten. Es war demotivierend und traurig. Wieso waren Menschen nicht in der Lage an einem Strang zu ziehen? Wir waren doch angeblich so intelligent. Ach ja, aus genau demselben Grund, aus dem das Militär Überlebende erschoss. Menschen waren feige und egoistisch und würden es immer bleiben. Davon konnte sich keiner freisprechen. Die Frage war aber, wie sehr man dieses Verhalten bei sich selbst tolerierte. Ich hörte nicht weiter zu. Nicht, weil mich nicht interessierte, was die Rückkehrer durchgestanden hatten, sondern weil sie gar nicht mehr zu Wort kamen. Jemand klatschte einmal laut in die Hände.
„Das reicht jetzt!", Mrs Jacott hatte die Aufmerksamkeit auf sich gelenkt, „Lassen Sie die Vier erst einmal in Ruhe. Sie haben eine Menge zu verdauen und sollten sich ausruhen. Ich bitte Sie, den anderen Ihre Aufgaben für heute beziehungsweise bis zu Ihrer Genesung abzunehmen."
Damit stand sie von ihrem Platz neben Amber und Li am Tisch auf und ging. Sie hatte mehr Interesse an der Gemeinschaft gezeigt, als ich ihr zugetraut hätte, ganz anders als ihr Mann, der genauso desinteressiert gewesen war, dass die vier überlebt hatten, wie ich gedacht hatte. Vielleicht sogar stärker als sogar ich ihm zugetraut hatte. Er schien sogar zornig darüber zu sein, dass sie zurückgekehrt waren. Zumindest war das der Eindruck, den ich gewonnen hatte, als ich ihn vor dieser, ich nannte es mal Versammlung, im Foyer gesehen hatte. Sowohl das, als ich die Situation mit den anderen Überlebenden machte mich wütend. Warum waren Menschen nur so? Aber ich war auch niedergeschlagen und antriebslos und sowieso alles gleichzeitig. Anstrengend war das. Durch Mrs Jacotts Ansage ausgelöst, leerte sich das Wohnzimmer langsam. Amber erregte meine Aufmerksamkeit, als sie in meine, nein, Naths Richtung kam.
„Nath, komm, ich muss was mit dir besprechen", sie zupfte ihm am Ärmel und er stand von der Sofakante auf, neben der ich auf dem Boden kniete, da auf dem Sofa kein Platz mehr gewesen war. Sein Blick traf meinen mit gehobenen Augenbrauen und großen Augen. Er sah überrumpelt aus. Seine Schwester zog ihn jedenfalls aus dem Wohnzimmer, ließ Li zurück und ich hörte wie sie ihn anwies schneller zu machen, als sie die Treppe nach oben nahmen. Ich musste schmunzeln, in solchen Momenten wirkten die beiden durchaus vertraut miteinander und wieder einmal fand ich es schade, ein Einzelkind zu sein... wobei, unter normalen Umständen hatte ich das schade gefunden. Nun, wo ich dieses Geschwisterkind wahrscheinlich betrauern müsste... Die Sorge um meine Eltern reichte mir. Als ich sie das letzte mal sprach, waren sie zwar in Sicherheit, aber wer sagte, dass das immer noch so war? Jetzt wo auf dem Sofa wieder Platz war, setzte ich mich endlich zu Armin und verdrängte die Gedanken an Themen, die ich nicht beeinflussen konnte. Ich hatte ihn noch gar nicht richtig sprechen können. Viola saß auch bei ihm. Dake hatte sich bereits verzogen und John stand abseits mit Kyra. Sie schienen zu diskutieren, aber ich wollte nicht lauschen, hörte nur etwas in Richtung schlafen heraus. Oh ja, das sollten sie alle unbedingt. Ich könnte vor der Party heute Abend, sollte sie denn stattfinden, auf jeden Fall auch noch ein wenig guten Schlaf gebrauchen. Ich legte Armin eine Hand auf die Schulter.
„Schön, dass du wieder da bist", ich musste mich nicht mal zwingen zu lächeln. Die Erleichterung spürte ich deutlich.
„Auf jeden, Svea", Armin grinste verzog dann aber das Gesicht. Das tat mit dem dicken Auge wohl weh.
„Lass dich drücken?", er hielt seine Arme auf und ich musste lachen.
„Du musst nicht alles fragen", ich legte meine Arme um ihn und stupste ihm gegen den Hinterkopf, „Brauchtest du aber wirklich ein – ach ne, vergiss es", ich schüttelte den Kopf, als wir die Umarmung gelöst hatten.
„Hä?", er sah mich irritiert an.
„Der Spruch funktioniert auf Englisch nicht, mein Gehirn hat mal wieder bilinguale Wortwitze erschaffen."
„Erzähl ruhig, Svea. Ich bin neugierig." Viola lächelte mich an. Es war schön, dass sie das wieder konnte.
„Ach, im Deutschen nennt man Armins Veilchen ein blaues Auge und nicht ein schwarzes und ich wollte nur scherzen, dass er doch schon zwei hat und kein drittes braucht", ich schüttelte über meinen eigenen verkorksten Humor den Kopf. Armin lachte, während Viola nur schief lächelte.
„Wenn man Witze erklärt sind sie nicht mehr witzig", ich zuckte mit den Schultern, musste dann aber gähnen.
„Auch müde? Dabei konntest du doch schlafen." Armin grinste mich an und zog Viola an sich.
„Voller Albträume und ständig aufwachend, ja. Nicht sehr erholsam." Ich rollte mit den Augen.
„Ohhh, hast du vor Sorge um mich Albträume gehabt?", Armin feixte, aber es ließ mein Temperament kurz aufblubbern.
„Natürlich! Du tust ja so, als wärst du mir egal!", ich verschränkte die Arme vor meiner Brust.
„Bin ich nicht, aber im Vergleich zu Nath stink ich ab~", er fing an zu säuseln. Mein Gesichtsausdruck kühlte ab. Ich doch auch gegenüber Viola, was ist sein Punkt?
„Musst du nicht schlafen oder so?"
„Doch und das werde ich auch", er stand auf, und fing an zu kichern, „und Alexy hat alles verpennt... Kommst du mit Vio?"
Sein Blick legte sich auf seine Freundin. Sie nickte und stand ebenfalls auf.
„Schlaft gut, ihr beiden", ich lächelte und winkte beiläufig.
„Du solltest auch noch ein wenig schlafen", Viola lächelte. Ich zuckte mit den Schultern.
„Mal schauen."
Doch anstatt schlafen zu gehen, ging ich erst einmal in den Wintergarten. Egal wie müde ich war, Flip wollte in den Garten. Castiel war schon da und streichelte Demon, der seinen Kopf auf Castiels Bein gelegt hatte. Flip war schnell bei mir. Ich streichelte über seinen Kopf und rubbelte schließlich seinen Hals.
„Guten Morgen~", trällerte ich ihm zu.
„Wir sollten die beiden füttern", kam es nur knapp von Castiel. Das taten wir auch und als die Hunde im Garten umher rannten, machte ich es mir auf dem Sofa im Wintergarten bequem. Mit angelehnter Tür und einer Decke war es gar nicht so kalt. Ich hatte das Buch, das ich gestern Abend gelesen hatte dort vergessen und griff nun wieder danach um vielleicht wirklich zu lesen – und nicht nur immer wieder in Gedanken versinken. Nun, nein. Ich las nicht. Zumindest nicht viel, denn ich war schneller als ich gucken konnte eingeschlafen.
Ich wurde dann von leisen Stimmen geweckt - beziehungsweise versucht leisen Stimmen.
„Psst... leise! Sie schläft!"
Nein, Devi. Jetzt nicht mehr.
„Es sagt doch niemand was!", Josh' ‚Flüstern' war noch lauter.
„Seid doch ruhig...", nur Sarahs Lautstärke konnte man wirklich flüstern nennen.
„Was macht ihr?", meine Stimme war ein wenig kratzig, als ich mich aufrichtete und die Kinder ansah.
„Wir wollten gucken, ob du schläfst", Devi sah mich aus großen Augen an. Sie schienen mich nicht aus einer Schlafphase gerissen zu haben, ich fühlte mich ein wenig erholter als zuvor.
„Nun, jetzt nicht mehr", ich streckte mich einmal, „Wollt ihr im Garten spielen?"
Sie nickten enthusiastisch. Ich hatte eine Idee.
„Wollt ihr mit den Hunden spielen?"
„JA!"

Endless DeathWo Geschichten leben. Entdecke jetzt