Kapitel 69 - Partyphase 1 - Kyra

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Es war schon fast dunkel, als ich wieder erwachte. Nachdem ich nach den Erzählungen von John und Co. sicher war, nicht schlafen gehen zu können, versuchte ich das Gespräch mit meinem Bruder zu suchen. Dieser allerdings war überhaupt nicht in Stimmung, über das Geschehende zu sprechen und hatte mich mit aller Macht, doch der höchstmöglichen, ihm typischen Freundlichkeit abgeblockt. Er war verdammt müde und wollte mit seinen Gedanken und Schuldgefühlen allein sein. Ich konnte ihn verstehen. Zwar wollte ich es nicht akzeptieren, aber ich musste es, also zwang ich mich dazu. John war so. Ich auch, schließlich waren wir aus dem gleichen Fleisch und Blut geschaffen. Wir trugen die Dinge lieber mit uns selber aus und wenn es nur die erste Zeit betraf. Wir wussten es theoretisch beide besser, aber das hieß ja nicht, dass wir es auch gleich besser machten. Vielleicht brauchten wir das einfach, bevor wir uns jemandem anderen öffnen konnten, vielleicht waren wir auch einfach nur lernresistent und schadeten uns dadurch mehr, als das unser Zurückziehen uns nutzte. Jedenfalls war klar, dass er Zeit für sich haben wollte und das ich nichts Weiteres aus ihm herausbekommen würde, ehe wir uns beide nicht ordentlich ausgeruht hätten. Weswegen ich mich letzten Endes widerwillig dazu brachte, mich schlafen zu legen. Die Tatsache, dass es beinahe schon wieder dunkel, es somit wohl zwischen 18 und 19 Uhr abends war, bestätigte, dass mein Körper dies auch dringend benötigt hatte. Zwar fühlte ich mich noch immer wie gerädert und da bald die Party losgehen sollte, befürchtete ich, meinen Schlafrythmus noch zusätzlich zu zerstören, allerdings konnte ich nicht leugnen, mich trotz alledem besser zu fühlen, ausgeschlafener, mehr Energie zu besitzen schien. Nicht so viel, wie ich es gewohnt war oder gern hätte und ich sah mich jetzt schon in nur wenigen Stunden vor Müdigkeit und Alkoholeinfluss geradezu zusammenklappen, und doch war es eine Besserung und daran sollte ich festhalten und arbeiten, damit es weiter bergauf ging.
   Schlaftrunken schwang ich die Beine aus dem Bett, gähnte ausgiebig. Mein Magen knurrte, was nicht weiter verwunderlich war, da ich bestimmt das letzte Mal vor knapp 24 Stunden gegessen hatte. Wir waren hier zwar alle auf einer kleinen Diätkur, doch war es wichtig, zumindest regelmäßig am Morgen und Abend unsere kleine Ration zu uns zu nehmen, um einigermaßen kräftig und gesund zu bleiben. An die Größe der Mahlzeiten konnte man sich gewöhnen, Hungerphasen sollten wir hingegen vermeiden. Beziehungsweise ich. Da es bereits fast dunkel war, müsste das Abendessen auch schon fertig oder zumindest im Gange sein. Ich sollte auf einen Happen vorbeischauen und dann meine Hilfe bei den Partyvorbereitungen anbieten. Wenn ich schon vorhatte, mir ordentlich die Kante zu geben, sollte ich auch ein wenig was dafür tun.

Nun gut... Jetzt saß ich zwar hier und aß meine geschmackvolle Erbsensuppe - danke hierbei an Alexy und Leigh für das Nutzen von Gewürzen - , doch meine Aufmerksamkeit wurde von jemandem anderen gänzlich beansprucht. Beziehungsweise drei jemanden. Drei blonde Jemanden, die ich niemals in diesem Zusammenhang hier vermutet hätte.
   "Was habe ich bitte verpasst?", nuschelte ich mehr zu mir selbst mit Erbsen zwischen den Zähnen. Nur wenige Worte schwappten zu dem Tisch, an dem ich saß, herüber, doch genug, um zu wissen, dass Amber, Nath und ihre Mutter sich über die Party unterhielten. Ich dachte, unser Vorhaben sollte aus offensichtlichen Gründen vor den alten Jacotts geheim gehalten werden??
   "Du meinst wegen Mrs. Jacott?", fragte Svea, die einzige, die neben mir so spät respektive in diesem Moment noch mit mir hier aß. Selbst die beiden "Köche" waren bereits fertig. Sie saß mir gegenüber, der jetzt leere Teller vor ihrer Nase. "Ich habe auch nicht schlecht gestaunt, als Nath mir erzählte, dass Amber ihre Mutter mit seinem Einverständnis in unser Vorhaben eingeweiht hat." Die Blauäugige warf einen Blick zu den drei hinüber, die in diesem Moment aus dem Wohnzimmer heraus gingen. Vielleicht in die Küche? Ich wartete einen Augenblick ab und erblickte sie dann in der Tat kurz in der Durchreiche, die die Küche mit dem Wohnzimmer verband. Ob und was sie besprachen war nicht ersichtlich.
   Mit großen Augen schaute ich dann Svea an, die Fragen in meinem Kopf konnte sie wahrscheinlich prima erahnen.
   "Mrs. Jacott scheint aus 'unerklärlichen' Gründen wohl mehr auf unserer Seite als der ihres Mannes zu sein."
   Ich zog die Brauen zusammen und legte den Kopf schief. Bitte was? "Warum sollte sie das sein? Er ist ihr Ehemann."
   Über ihr Gesicht huschte ein verächtlicher Ausdruck, doch er war so schnell wieder verschwunden, dass ich mir nicht sicher war, ob ich ihn mir nicht nur eingebildet hatte. Svea blickte sich kurz um, bevor sie leise zischte: "Weil ihr Mann ein widerliches, undankbares Arschloch ist und ihr das womöglich auch endlich langsam klar wird."
   Natürlich lag sie nicht falsch. Aber es erschreckte mich, dass sie es einfach so aussprach. Wobei, warum eigentlich? Dieses Schwein hatte seinem Sohn sehr wahrscheinlich furchtbare Dinge angetan - Herrgott, er wollte ihn nicht einmal ins Haus lassen! -, ebenso ihr, dessen wurde ich selbst Zeuge, natürlich hatte sie keinerlei Grund übrig, mit ihrem Hass auf diesen Mann hinterm Zaun zu halten. Solange sie nur sicherging, dass es nicht die falschen Leute mitbekamen, sollte mir das durchaus Recht sein. Er sollte meinetwegen vor die Hunde gehen, er war nur ein unnötiges Maul, das gestopft werden musste und zusätzlich endliche Nerven kostete.
   Ich schüttelte den Kopf, um den Gedanken an diesen schrecklichen Mann für einen Moment beiseite zu schieben. "Und weißt du auch, worüber die sprechen?", fragte ich sie ein wenig zu neugierig und schob mir einen weiteren Löffel Suppe in den Mund.
   "Soweit ich weiß über den geplanten Alkoholkonsum. Welchen wir nutzen können und so."
   "Nicht wahr! Du meinst doch nicht etwa unter anderem den Vorrat, von dem du gestern vor unserem Rundgang gesprochen hast? Den im Keller?"
   Svea zuckte mit den Schultern. "Ich weiß nur, dass sie das zur Sprache bringen wollten. Wir werden sicher noch erfahren, was sich daraus ergibt."
   "Wäre schon nice, wenn Mrs. Jacott uns da was einrichten könnte", brummte ich mit dem Blick auf meinen noch halbvollen Teller. Als sie darauf nichts antwortete, blickte ich wieder auf. Mit nachdenklichem Gesichtsausdruck schaute sie in die Leere und ich fügte hinzu: "Du kannst ruhig aufstehen, wenn du willst."
   Das intensive Oceanblau ihrer Augen fing meinen Blick ab und sah mir so tief in meine Seele, wie der Ocean selbst es wohl war. Zumindest fühlte es sich so an. Ein kaum erkennbares Lächeln zierte ihre Lippen, als sie kopfschüttelnd nach ihrem Glas Wasser griff und auf dem halben Weg zu ihren Lippen entgegnete: "Ich bin es gewohnt zu warten, bis jeder aufgegessen hat."
   Während sie trank und danach wieder ihren Gedanken nachhing, erkannte ich nichts an ihr, was von einem Widerwillen ihrer Worte zeugen könnte, also beließ ich es dabei und aß im Stillschweigen meine Suppe auf. Sie machte bei Weitem nicht satt, da ich allerdings schon seit einer ganzen Weile an Appetitlosigkeit litt, störte mich das nur mäßig. Hauptsache, ich trank genug. Am heutigen Abend vorzugsweise zu viel Alkohol.
   Nachdem ich aufgegessen hatte, brachten wir unser Geschirr in die Küche und boten unsere Hilfe bei den Vorbereitungen der Party an. Bis sicher war, dass Mr. Jacott sich in sein Schlafzimmer verzogen hatte und uns nicht mehr böse überraschen könnte, waren es nur sehr subtile Vorbereitungen, das Bereitlegen von Decken und Spielen zum Beispiel. Alkohol wurde draußen in der Nähe des Wintergartens versteckt, damit dieser sich abkühlen konnte. Der Kühlschrank wäre zu risikoreich gewesen. Im gleichen Atemzug kümmerten wir uns um die Tiere und räumten Dinge aus dem Weg, die bei etwas wilderem Verhalten zu Bruch gehen könnten. Das sollten wir auf jeden Fall ganz dringend vermeiden, irgendetwas kaputt zu machen, wenn wir uns keinen krassen Stress mit dem Hausteufel einfädeln wollten. Es war schon gefährlich genug, so etwas hinter seinem Rücken und zu seinem sehr klaren Missfallen zu organisieren. Es war zwar nicht so, als würden nicht schon seit Anbeginn genug Leute ständig seine Regeln brechen, ich allen voran, und bisher kamen wir immer damit durch, doch als Einzelperson war es auch viel leichter aufzupassen, dass er einen eben nicht dabei erwischte. So viele Leute auf einem Haufen allerdings waren nicht mal eben zu vertuschen.
   Jedoch... Wenn ich so darüber nachdachte... Selbst wenn er uns erwischen sollte, was sollte er schon groß tun? Wir waren über 20, er hingegen war ganz allein. Er müsste intelligent genug sein, sich nicht mit einem ganzen Schwarm Halbstarker anzulegen.

Endless DeathWo Geschichten leben. Entdecke jetzt