Kapitel 20 - Mittagsschläfchen - Svea

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Ich wachte morgens mit pochendem Schädel auf und verspürte das Bedürfnis, liegen zu bleiben. Flip hatte sich irgendwann zu mir gesellt und kuschelte sich an mich. Mir ging es miserabel und bekam nicht einmal meine Augen vollständig auf, also vergrub ich mein Gesicht in Flips weichem Fell und verharrte in meinen warmen Decken. Es dauerte nicht lange, bis ich wieder einschlief und erst wieder erwachte, als der Raum von der unverwechselbaren Stille des Alleinseins erfüllt war. Ich blinzelte benommen, bis ich Flips leises Winseln gemeinsam mit der sanften Berührung meiner Hand bemerkte. Meine Augen öffneten sich nur langsam - und erblickten dann flüssiges Gold. Meine Hand war von einer deutlich größeren umschlossen, herrlich warm und vertraut und ich war unsagbar erleichtert, dass Nathaniel es war, der mich in so einem erbärmlichen Zustand sah. Es brauchte noch einige Blinzler, bis ich scharf sah. Er setzte mich vorsichtig auf.
„Guten Morgen, Sveezy...", seine Stimme war sanft und er ließ meine Hand nicht los, wofür ich ihm wirklich dankbar war. Ich murrte mit anhaltenden Kopfschmerzen.
„Moin, Nath..."
„Du machst dein Kopfschmerzgesicht...", er blickte mich ruhig an.
Ich hoffte, mein Blick wäre Antwort genug und wurde nicht enttäuscht.
„Dann werde ich nicht viel sprechen. Du hast das Frühstück verpasst und ich wollte dir was vorbeibringen."
Ich erahnte einen Teller mit belegtem Brot auf der Fensterbank über uns.
„Danke... Wie spät ist es denn?", reden war wirklich ätzend.
„Kurz nach Zehn", er reichte mir den Teller und ließ meine Hand los. Ich begann langsam, zu essen. Er setzte sich neben mich und lehnte sich gegen Wand. Flip gähnte und machte sich davon. Es war still während ich aß. Nath saß in einem marineblau-weiß gestreiften T-Shirt neben mir und schwieg genauso wie ich es tat. Mir ging es etwas besser, nachdem ich etwas gegessen hatte, aber die gestrige Nacht lastete noch auf mir. Ohne es wirklich zu merken, legte ich meinen Kopf auf Naths Schulter ab. Ich bemerkte, wie sein Kopf sich in meine Richtung drehte und dachte mir noch nichts dabei.
„Die Erlebnisse gestern setzen mir mehr zu als ich zugeben mag", ich raunte bloß. Er brummte zustimmend.
„So geht es jedem von uns..."
„Du hast aber nicht deinen gesamten Mageninhalt ausgekotzt...", ich konnte ihn dabei einfach nicht ansehen. Es war mir furchtbar peinlich und trotzdem schüttete ich meinem besten Freund das Herz aus. Nath schwieg kurz, doch dann zog er mich sanft an sich und ich legte meinen Kopf auf seinem warmen und aktuell gestreiften Brustkorb ab.
„Die Realität hat mich überfahren wie ein Bulldozer...", sein Herzschlag war so entspannend.
„Jeder geht damit anders um, Sveezy. Du hast dich erbrochen, ich hab die ganze Nacht nicht geschlafen und die anderen werden da auch irgendwie daran nagen. Jeder reagiert da anders. Das muss dir nicht unangenehm sein", er fuhr beruhigend über meinen Rücken. Ich schloss die Augen. Er war so herrlich warm.
„Ich will aber nicht schwach sein...", es würde mich wundern, hätte er mich verstanden.
„Das hatten wir doch schon einmal", sein Oberkörper vibrierte bei seinem leisen Lachen kurz wie ein Kätzchen, „Wenn wir keine Momente der Schwäche haben können, gehen wir kaputt."
Das ganze Leben ist ein ewiges Wiederanfangen", es rollte mir regelrecht von der Zunge.
„War das ein Zitat? Oder kam deine innere Dichterin und Denkerin durch?", Nath schien es aber verstanden zu haben. Auch wenn es Deutsch war.
„Ein Zitat. Von Hugo von Hofmannsthal", ich schmiegte meine Wange an sein Shirt. Nath roch so vertraut nach... positiven Dingen. Unerklärlicher Weise nach alten Büchern und Lakritz... einfach toll. Sein Griff um mich wurde ein wenig enger und er stütze sein Kinn auf meinem Kopf ab. Wir blieben so eine Weile sitzen, bis Nath anfing zu gähnen.
„Da ist jemand müde...", ich schmunzelte. Er nickte bloß und rieb sich ein Auge. Meine Arme legten sich zögerlich um seinen Oberkörper. Es wurde still im Schlafraum der Mädchen und wir beide genossen die Stille. Die Schüsse draußen blendeten wir gänzlich aus und konzentrierten uns auf die Atmung des anderen. Es tat gut zu wissen, dass es Nath wie mir ging und auch ihn die frischen Erinnerungen quälten. Es dauerte nicht sehr lange, bis sich Nathaniels Atmung veränderte und langsam und gleichmäßig wurde. Mein bester Freund war tatsächlich eingeschlafen. Ich drückte mich enger an ihn und umarmte ihn fester, um mich von ihm unbemerkt wirklich an ihn zu kuscheln. Es tat gut und war tröstlich, aber ich ließ es nur zu, wenn wir alleine waren - im Gegensatz zu früher im Kindergarten oder in der Grundschule, wo ich wirklich verschmust ihm gegenüber war. Ich traute mich nicht, mich zu bewegen, weil ich ihn auf keinen Fall wecken wollte und so war es naheliegend, dass auch ich wieder einschlief.

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