Kapitel 59 - Spiel der Karten und Noten - Kyra

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"Alter, Castiel, komm mal klar!", schimpfte ich, als er sich zum wiederholten Male aufregte. "Das ist eine Mensch-ärgere-dich-nicht-Variante, also hör endlich auf, dich zu ärgern!"
    "Warum habe ich überhaupt zugestimmt, so'n Kinderkack mitzuspielen? Und dann auch noch im Team mit der da!" Aufgebracht zeigte der Teufelskopf auf meine beste Freundin Laeti. Genervt blickte ich zu meinem Partner Lysander herüber, der nur resigniert mit den Schultern zuckte. Er hatte wahrscheinlich genauso wenig Bock, groß Energie in Castiels kindische Wutanfälle zu stecken, wie ich. Nur mit dem kleinen Unterschied, dass er dann meist tatsächlich nicht wirklich etwas hineinsteckte und ihn austoben ließ, während ich die schlechte Angewohnheit besaß, trotzdem noch Öl ins Feuer zu gießen. Selbst bei einem süßen, kleinen Kartenspiel wie jenes, das vor unserer Nase lag. Es hieß Dog, ein Kartenspiel nach dem Mensch-ärgere-dich-nicht-Prinzip, das man aber in Teams und bis zu sechs Leuten spielen konnte, und war obendrein eines meiner liebsten Gesellschaftsspiele. Natürlich besaßen die Jacotts ein solches Spiel nicht. In einem Anflug von Langeweile hatte ich Nathaniel vor wenigen Tagen gefragt, ob sie zufälligerweise ein paar Spiele besitzen würden. Doch wie die Rabeneltern, die seine waren, hatten sie wohl ab dem Grundschulalter ihrer Kinder aufgehört, mit ihnen zu spielen. Zumindest würden die handvoll eingestaubten Kinderspiele auf dem Dachboden dafür sprechen. Ansonsten vegetierten hier noch wenige klassische Brettspiele wie Schach und Dame vor sich hin, da diese wohl in praktisch jedem Haushalt vorhanden waren. Allerdings... bei diesen fühlte ich mich zu sehr an unseren letzten Spieleabend in der Schule erinnert und damit auch an meinen halben Nervenzusammenbruch, so dass mir Langeweile schieben eindeutig attraktiver vorkam. Dementsprechend war das Dog-Spiel aus einem der umliegenden Nachbarshäusern gestern ein äußerst glücklicher Fund. Ich kam mir ziemlich bescheuert vor, bei unserem Beutezug, der logischerweise auf Nahrung ausgelegt war, ausgerechnet ein Brettspiel mitzunehmen, aber irgendeine Seele meinte einst zu mir, dass Langeweile schädlich für die Psyche sei und obwohl ich der Meinung war, dass mir ein bisschen Langeweile wohl kaum noch schaden könnte bei all dem, was ich schon erleben musste, hatte ich nicht wirklich einen Grund dazu, das herauszufordern. Nicht, wenn es sich vermeiden ließ. Und nun saßen wir hier, mitten im Spiel, ich mit Lysander am Gewinnen, doch beinahe auch wünschend, das Spiel niemals gefunden zu haben.
    "Also erstens ist das kein 'Kinderkack', sondern ein sogar relativ anspruchsvolles Kartenspiel, da es Teamfähigkeit und Stategievermögen voraussetzt, um zu gewinnen", pflaumte ich Castiel an. "Und zweitens bist du doch nur sauer, weil du dich wegen Laetis schmeichelhafter Avancen so anlenken lässt, dass ihr am Verlieren seid."
    "Ich bin am Verlieren, weil deine Freundin sich null auf das Spiel konzentriert und du mir Lys vor der Nase weggeschnappt hast!"
    "Ich wusste gar nicht, dass du 'nen Besitzanspruch auf ihn hast. Oder seid ihr zusammen?"
   Ein Kugelschreiber flog mir gegen den Kopf. "Au!", fauchte ich ihn laut an und rieb mir die schmerzende Stelle.
    Der Rothaarige plärrte weiter: "Nein, aber als mein bester Freund sind wir als Team vorgeschrieben!"
    "Zufälligerweise ist er auch mein bester Freund, du Idiot!"
    Der Silberschopf hob genervt eine Augenbraue. "Komisch, irgendwie bin ich bislang immer davon ausgegangen, ich sei eine freie Person mit einem freiem Willen."
    Pia, die neben ihm saß, legte ihm amüsiert eine Hand auf die Schulter. "Vergiss es", meinte sie grinsend. "Wenn dieses alte Ehepaar sich um dich streitet, wirst du komplett übergangen. Da kann man glatt neidisch werden~" Bedeutungsschwanger blickte sie zu mir herüber und zwinkerte. Ich wusste nicht, was das bedeuten sollte, was mich allerdings nicht davon abhielt, rot zu werden.
    "Ich hatte zwar schon die leise Vermutung, aber bedeutet das, dass ihr ein Paar seid?", fragte nun der elfjährige Thomas neben mir und blickte uns beide aus seinen klugen seegrünen Augen an. Ein zu lautes, einstimmiges "Nein!" von Castiel und mir ertönte, wovon sich der Gingerjunge jedoch nicht verunsichern ließ. "Aber dann wart ihr es sicherlich mal, nicht wahr? Vielleicht solltet ihr es nochmal miteinander versuchen. Diese intensive Anziehungskraft zwischen euch ist noch immer ersichtlich."
    Ich ließ meinen Kopf mit der Stirn voran auf den Tisch fallen, wodurch ein paar der Spielfiguren umfielen. Mühsam stützte ich mich auf mein Kinn und stellte welche wieder auf, den Rest übernahm Laeti. Nebenbei hörte ich den Teufelskopf mit Iris kleinem Bruder schimpfen, wobei ich mir nun größte Mühe gab, diesen Blödsinn nur noch zu ignorieren. Hoffentlich konnte ich später darüber lachen, gerade war es nur nervenaufreibend.
    Wieder mit der Stirn auf der Tischplatte gestützt, schaute ich unterm Tisch in meine Handkarten und überlegte, was ich gleich - oder nachher - als nächstes tun würde, sobald Prinzessin Castiel sich wieder eingekriegt und beschlossen hatte, wie ein einigermaßen normaler Mensch weiterzuspielen.

Endless DeathWo Geschichten leben. Entdecke jetzt