Kapitel 21 - Psychische Rotation - Kyra

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"Kia, schau mal! Ein Einhörnchen!"
   Vorsichtig hob ich den Kopf an, um Devi auf meinen Schultern nicht zum Stürzen zu bringen und schaute in die Richtung, in die sie mir ihrer kleinen Hand zeigte. Auf einem der Bäume, der an der Mauer des Schulgeländes grenzte, sprang ein kleines, rot-braunes Wesen von Ast zu Ast Richtung Stamm.
   "EiCHhörnchen", korrigierte ich sie sanft, das Tier beobachtend.
   "Eiiinnnhörnchen", versuchte sie es erneut. Ich konnte nur lächeln. Ich hob sie von meinen Schultern runter und wiederholte ein paar Mal ruhig, aber deutlich die Aussprache vom ch, bis sie es schließlich hinbekam. Sie war so stolz auf sich, es erwärmte mein kaputtes Herz.
   "Wieso kannst du das nicht, das ist doch so leicht", meinte der kleine Junge aus der Gruppe, aus der die rothaarige Mutter stammte, fast schon überheblich zu Devi. Namen waren zwar nicht so meine Sache, aber er hier hieß Josh. Er sprach nun ebenfalls den Tiernamen aus und es klang auch richtig, weshalb die Braunhaarige beleidigt die Wangen aufblies. Bevor sie sich streiten konnten, wandte ich mich in der Hocke dem blonden Jungen zu.
   "Weißt du, es gibt viele, denen etwas leichter fällt, als anderen. Und diese sind dann wieder in etwas anderem sehr gut. Als ich so alt war wie ihr und sogar noch ein paar Jahre länger, da hatte ich große Probleme mit dem Sprechen. Meine Aussprache war lange nicht so gut, wie es deine oder die von Devi ist."
   Nun sagte auch das andere Mädchen, Sarah war ihr Name, etwas, wenn auch schüchtern: "Aber... du klingst doch ganz normal."
   Ich lächelte sie freundlich an. "Ich hatte viel Hilfe. Und Übung macht den Meister."
   "Schaut! Das Ein... Eichhörnchen!", rief Devi und wollte auf es zulaufen, doch hielt ich sie zurück. "Langsam, Devi, sonst verjagst du es. Sammelt doch ein paar Eicheln und versucht es damit ganz leise und ruhig zu füttern, vielleicht habt ihr ja Glück."
   Die Kinder taten wie geheißen und blieben sogar einige Meter vom Eichhörnchen entfernt, das in der Nähe des Baumes etwas verbuddelte. Es war niedlich, wie sie versuchten, es anzulocken, auch wenn ich bezweifelte, das ihnen das gelingen würde.
   "Du kannst gut mit Kindern umgehen."
   Ich drehte meinen Kopf von den Kindern weg und schaute der rothaarigen Frau ins Gesicht, deren Name ich wieder vergessen hatte. Diese Vorstellungsrunde war vielleicht eine ganz nette Idee, aber um mir ihre Namen auch alle merken zu können, würde ich wohl noch ein bisschen brauchen.
   "Möchtest oder besser gesagt wolltest du auch mal Kinder haben?", fuhr sie mit einem Zahnpasta-Lächeln fort. Ich konnte diese Frage nicht wirklich beantworten. Ich hatte mir nie wirklich Gedanken darum gemacht, hätte wohl gesehen, was die Zeit so mit sich brachte, aber wirklich mich als Mutter vorstellen konnte ich mir wohl noch nie. "Glaube nicht" war dementsprechend meine Antwort.
   Josh, Sarah und Devi kamen zu mir und der rothaarigen Frau zurückgelaufen und sahen dabei ein bisschen aus wie Figuren aus der Gummibärchenbande.
   "Kia! Eichhörnchen sind sooooo niedlich!" Die Braunhaarige hüpfte vor mir auf und ab.
   "Mir hat es aus der Hand gefressen!", freute sich Josh.
   "Gar nicht wahr!", fuhr Devi ihn an, ihre kindlichen, hellblauen Augen blitzten auf. "Es hat sich gar nicht an uns ran getraut!"
   Sie wirbelte wieder zu mir herum, nun strahlten ihre Augen voller Faszination. "Aber wir konnten die Nüsse zu dem süßen, kleinen Eichhörnchen hinwerfen und sie hat sie genommen und dann verbuddelt!"
   "Wie schön", lächelte ich liebevoll.
   Jemand zupfte an meiner Hose und als ich runterschaute, blickten mir wie treudoof große, braune Augen entgegen. "Warum verbuddeln Eichhörnchen Nüsse?", fragte Sarah leise, aber mit einer typischen kindlichen Neugierde.
   "Warum?" Meine Lippen zierten noch immer ein sanftes Lächeln, was ich nicht so recht verstand, aber das musste ich auch nicht. Hauptsache, es war da. "Soll ich euch das anhand einer kleinen Geschichte erzählen?"
   Drei Paar freudig glitzernde Kinderaugen strahlten mir entgegen, während sie einvernehmlich "Jaaaaa!" riefen. Also nahm ich Sarah, sowie Devi an die Hand und führte die drei weiter zum Beachvolleyballfeld der Schule, wie es bereits zu Anfang der Plan war, während ich begann, den Kindern eine Geschichte über ein kleines Eichhörnchen im Herbst zu erzählen, dass sich auf seinen langen Schlaf im Winter vorbereitete.

Endless DeathWo Geschichten leben. Entdecke jetzt