Mit einem Surren zog ich meinen Karategürtel eng. Die Fliesen der Umkleide unter mir waren staubig und kalt, aber das ignorierte ich. Zum Glück hatte ich meine Karatesachen am Tag des Ausbruches dabeigehabt, weil ich nach der Schule zum Training wollte. Ich wüsste nicht, was ich tun sollte, hätte ich kein Karate mehr machen können – ich wäre absolut unausgelastet gewesen, schätze ich. Andere Sportarten hatten bei mir einfach nicht die gleiche Wirkung wie die japanische Kampfsportart. Noch einmal zog ich mein Haargummi fest, dann ging ich mit Füßen, die leise Tapsgeräusche auf dem Boden hinterließen, in die Sporthalle.
Die anderen bauten sich gerade ein Volleyballnetz auf. Es mochte merkwürdig sein, während einer Zombieapokalypse Volleyball zu spielen, aber wir brauchten einfach eine Beschäftigung, um uns abzulenken. Außerdem war es wohl nicht verkehrt sich fit und eine gewisse Normalität zu halten.Ich grüßte Armin mit einem Klaps in den Nacken, ignorierte sein Murren und lief zwei Runden in der Halle. Ich war überrascht, dass Nath nicht da war, genauso Rosalia und Alexy. Sonst waren alle anwesend, selbst unser Diven. Ich stoppte und begann meine Dehnübungen, sprach etwas mit Pia, die sich ebenfalls dehnen wollte. Wenn auch für das Volleyballspielen.
„Weißt du wo Nath, Rosa und Alexy sind?", ich sah sie an, während ich meinen Spagat machte.
„Rosalia hatte mir erzählt, die drei wollten die Lagerräume durchsuchen, ob sie etwas Nützliches finden", sie sah mir offensichtlich fasziniert zu, „Tut das nicht weh?"
„Ah okay, das klingt vernünftig", ich schmunzelte, „Nö, ist alles Übungssache!"
„Hey, Svea! Beine spreizen kannst du bestimmt nicht nur für einen Spagat gut, hm?!", Ambers gerufener Versuch mich zu provozieren ließ mich grinsen.
„Tatsächlich nicht, Amber! Aber wenn das zusammenhängt müsstest du ja auch einen können!", ich erhob mich langsam und antwortete ihr in derselben Lautstärke, „Aber für Tritte ist es auch praktisch!"
In der Halle hörte man Lachen. Ich wusste, Nath würde nicht lachen, wenn ich seine Zwillingsschwester als Mädchen hinstellte, das die Beine schnell spreizte, aber ich ließ das absolut nicht auf mir sitzen. Es hätte ihm aber auch nicht gefallen, wenn sie so über mich sprach. Nathaniel wusste um meine schlechten Erfahrungen, was das männliche Geschlecht anging und ich befürchtete, Amber hatte es auch irgendwie mitbekommen. Wusste sie, dass mein erster fester Freund letztes Jahr mich absolut verarscht hatte, nur um mich ins Bett zu kriegen? Und dass er es geschafft hatte? Die Erinnerung tat weh. Ich hatte ihn wirklich gemocht. Es war zwar Vergangenheit und ich darüber hinweg, aber das unschöne Gefühl, benutzt worden zu sein, blieb. Zum Glück ging er auf eine andere Schule. Vielleicht war er inzwischen auch tot. War ich grausam, weil mir dieser Gedanke nicht schlimm vorkam? Amber wand sich von mir mit wütendem, aber auch hochrotem Gesicht ab.
Sie begannen schließlich mit der Teameinteilung und ich widmete mich meinem eigenen Training. Natürlich hatte ich keinen Trainingspartner und so fiel ein Sparring weg, aber das war auch nicht dramatisch. Ich konnte meine Schläge und Tritte auch so üben. Ich war konzentriert auf mein Training, als Nath, Rosa und Alexy zurückkamen. Sie waren alle mit einem Karton beladen. Alle drei stellten ihre Pappkiste ab und die Klasse unterbrach ihr Spiel um sich zu versammeln. Auch ich näherte mich den Pappkartons. Naths und mein Blick trafen sich kurz, er blickte an mir hinunter und registrierte meinen Karateanzug. Er lächelte mich kurz an, ich schmunzelte zurück.
„Was habt ihr da?", Kentin beäugte die Kartons fragend.
„Wir haben Kleidung gefunden. Aus der Zeit, an der es an unserer Schule eine Uniform gab.", Alexy strahlte.
„Mit Wechselkleidung sollten wird unsere endlich gründlich waschen können.", Rosalia schmunzelte. Alle, selbst der, der sich noch so wenig für seinen Körpergeruch interessierte, seufzte erleichtert. Ich, der ihr Stolz als Karateka verbat, den Anzug außerhalb des Trainings zu tragen, war ebenfalls froh darüber.
„Sehen wir doch mal genauer nach.", Nath hockte sich hin und öffnete die erste Pappschachtel. Wir erblickten lange Sporthosen für Männer, klischeebehaftet in Dunkelblau.
„Das sind mehr als genug für alle.", Alexy wirkte zufrieden. Im nächsten Karton waren Herren T-Shirts in weiß. Bevor wir entschieden, wie die Sachen aufgeteilt wurden, öffneten wir die letzte Kiste. In ihr befanden sich noch mehr T-Shirts für Männer und ein Haufen von roten, kurzen Hosen, die Bezeichnung Hotpants, war wohl angebrachter. Sie waren eindeutig für Frauen ausgelegt.Von T-Shirts in Frauengrößen, war nichts zu sehen. Wir untersuchten alle Kisten genau, da waren absolut keine Oberteile für Damen.
„Und nun?", Kim hielt sich eines der weißen Shirts vor den Oberkörper. Es war sichtlich zu groß, selbst ihr und sie war die größte und auch kräftigste von uns. Es würde mich nicht wundern, wenn es mir bis zu den Knien reichen würde.
„Gibt es unterschiedliche Größen?", ich hockte mich zu Rosa.
„Männergrößen S bis L"
„Männer S wäre so Frauen M?", ich sah zwischen den Jungs hin und her, auf eine Antwort wartend. Allesamt zuckten sie nur ratlos mit den Schultern. Ich seufzte. Was hatte ich auch erwartet?
Es lief darauf hinaus, dass wir die Kisten erst einmal zur Seite stellten und die anderen ihr Spiel weiter spielten. Rosalia und Alexy machten nun die Schiedsrichter und Nath setzte sich auf die Bank, an der ich mich erneut dehnte.
„Obwohl du schon so lange Karate machst, hab ich dich noch nie dabei gesehen.", er schaute mir mit einem faszinierten Gesichtsausdruck zu. Ich begann, leise zu lachen.
„Ich dehne mich nur.", mein Grinsen wurde schief, „Und das liegt daran, dass du bis vor kurzem sehr auf die Schule fixierst warst."
Er kratzte sich verlegen am Kopf und versäumte auf meine Dehnen zu antworten. Ich unterbrach mein Training.
„Ist ja nicht schlimm, das mit der Schule.", ich lächelte und spürte Melodys bohrenden Blick im Rücken. Daraufhin verdrehte ich die Augen und setzte mich einfach zu ihm.
„Alles etwas unwirklich, hm?", er beobachtete unsere Klassenkameraden bei ihrem Spiel.
„Ja...", ich stützte meine Ellenbögen auf meinen Knien ab und legte mein Kinn auf meine Handflächen, während ich seinem Blick folgte, „Eine Zombieapokalypse und wir spielen Volleyball. Das ist, als wären wir so ein Hentai Splatter Anime oder so."
Wir lachten beide leise.
„Gehen die nicht meistens gut aus?", ich schielte aus dem Augenwinkel zu ihm hinüber. Er zuckte anscheinend ratlos mit den Schultern. Wir seufzten beide. Kurz darauf erhob ich mich von der Bank.
„Ich werde mal weitermachen, bevor ich abkühle.", leicht lächelnd sah ich Nath an. Er hatte seine Mundwinkel ebenfalls leicht erhoben, hatte aber auch eine gewisse Sorge in den bernsteinfarbenen Augen. Zumindest erschien es mir so. Das schmerzende Zusammenziehen meines Herzens ignorierend, drehte ich mich um und joggte locker zu einer der dicken Sturzschutzmatten, die an die Sporthallenwände gelehnt waren. Ich trat und schlug gegen die Matte, ging mein gesamtes Repertoire durch. Dabei fokussierte ich mich darauf, präzise zu treffen und technisch einwandfrei zu sein. Ich unterbrach mein Training nur einmal, als Unruhe in der Sporthalle aufkam. Armin hatte Viola mit dem Ball am Kopf getroffen, als er aber mit ihr die Halle verließ um ihren Kopf zu kühlen und sein Missgeschick wieder gutzumachen, war ich beruhigt und übte weiter.So ging das noch etwa eine halbe Stunde, dann stoppte ich. Etwa eineinhalb Stunden Training sollten reichen. Also verabschiedete ich mich von Nath, schnappe mir eins der kleinsten Herren T-Shirts und einer der Hotpants, sagte Rosalia, dass ich mir jeweils eins der Kleidungstücke genommen hatte und ging in Richtung der Damenumkleiden und Duschen. Ich musste an Viola denken. Hatte sie sich doch schlimmer verletzt, als befürchtet oder warum waren die beiden so lange weg? Leise öffnete ich die Tür zu den Umkleiden und wollte gerade laut meine Stimme erheben, um zu fragen, ob die beiden in den Duschen waren, als ich ein Geräusch vernahm, das aus einer Schuldusche einfach nur falsch klang. Ein unterdrücktes Gemisch aus Seufzen und... Stöhnen. Passierte das gerade ernsthaft? Die beiden?! Ausgerechnet sie? Damit hätte ich wohl kaum gerechnet. Mir reichte es, sie gehört zu haben, sehen musste ich sie jetzt nicht unbedingt und ich entschied, einfach bei den Jungs duschen zu gehen. Peinlich berührt verließ ich die Frauenumkleide noch leiser, als ich gekommen war und vergaß zum Glück nicht, meine Sachen mitzunehmen. Mit einem verschwitzten, nicht nur vor Anstrengung roten Gesicht, huschte ich schnell in die Herrenumkleide, direkt durch zu den Duschen. Eilig spülte ich den Schweiß von meinem Körper, dabei grübelte ich über das, was ich eben gehört hatte. Ich konnte es mir nicht erklären. Armin schätzte ich nicht als zimperlich ein, aber Viola? Sie war doch kein Mädchen, dass bei so etwas schnell zur Sache kommen würde... ich konnte nur mutmaßen, dass diese Ausnahmesituation, die nun einmal unleugbar herrscht, das ausgelöst hatte. Ich stellte das Wasser ab und trocknete mich mit dem Handtuch aus meiner Karatetasche ab, bevor ich mir das viel zu große T-Shirt, das mir mit meinen 1,53m tatsächlich fast bis zu den Knien reichte und die rote Hotpants, die wenigstens passte, aber völlig unter dem T-Shirt verschwand, an. Meine Unterwäsche ließ ich aus, auch wenn mir das etwas unangenehm war. Ich hoffte einfach, dass das bei meiner bescheidenen Oberweite nicht auffiel. Heute Abend würde ich meine Sachen waschen und sie über Nacht trocknen lassen. Ich zog mir meine Socken und Schuhe an und verließ die Herrenumkleide dann eilig, nicht ohne vorher im Spiegel zu überprüfen, ob mein fehlender BH auffiel. Tat er nicht.
Noch immer irritiert und etwas beschämt darüber, Viola und Armin gehört zu haben, verließ ich die Sporthalle und trat auf den Schulhof. Man hörte in der Entfernung Schüsse, zum Glück kratzten aktuell keine Untoten an unserem schützenden Tor. Die Luft stank nach Rauch und das trübe Wetter machte die Weltuntergangsatmosphäre perfekt. Mir war kalt, also wickelte ich mir meinen kuscheligen, beigen Schal um den Hals – es würde bald Herbst werden. Ich seufzte und ging wieder in das Schulgebäude. Ein Blick auf mein Handy verriet mir, dass es 13:49 Uhr war. Um 14:30 Uhr aßen wir alle in der Regel zusammen. Keine neuen Nachrichten von meinen Eltern. Mein Hintergrundbild trieb mir Tränen in die Augen, die ich sofort wegwischte. Flip... Ehe ich mich versah, stellte ich wieder den Standardhintergrund ein. Mit mieser Laune zog ich mich in den Mädchenschlafraum auf mein Lager aus Decken zurück. Zu dem Zeitpunkt brauchte ich einfach Zeit für mich. Und absolute Stille.
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Credits to @Nastalia (on FF.de) :'D
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Endless Death
FanficZwei Menschen, zwei Orte, ein Schicksal. Verdammt, sowas geschah doch normalerweise nur in Horrorfilmen! Doch für Kyra war es brutale Realität geworden. Als Zeugin von Patient 0 floh sie nun gemeinsam mit ihrem Bruder vor der rasant um sich greifend...