Als mir dieser blondierte Lackaffe unter die Augen trat, erstarrte ich. Dann sah ich rot und sprang auf. Erinnerungsfetzen huschten an meinen Augen vorbei. Eine Schlittschuhbahn, die ich mit Viola besucht hatte. Eine Gruppe Jungs, besonders dieser eine, von dem ich das Gefühl hatte, dass er mich öfter ansah. Seine Kumpels, die ihn neckten und anstupsten. Davon besonders dieser eine mit den blondierten Haaren, dessen Englisch irgendwie nicht so klang, als wäre er von hier. Aber auch nicht so als wäre es nicht seine Muttersprache. Kurz darauf sprach mich dieser großgewachsene Brillenträger an und das Unheil nahm sehr langsam seinen Lauf. Die Bombe platzte erst ein halbes Jahr später und die Narben schmerzten noch heute.
„Was machst du hier?! DU, ausgerechnet DU! Du Lackaffe, du Schwein, du hinterfotziges Arschloch!"
Mein Englisch mischte sich mit Deutsch und Schwedisch.
„Svea... was?", Naths Stimme drang nur leise zu mir durch, so sehr raste mein Herz und so heftig rauschte das Blut in meinen Ohren. Es platzte ein letzter Knoten in mir. Ich begann zu schreien ohne zu wissen, was mir über die Lippen kam.
„Svea, woher kennst du ihn, was hat Dake dir getan?", presste Nath zwischen zwei meiner Atemzüge hervor. Konnte er es sich wirklich nicht denken?!
Ich bemerkte nur am Rande, dass Kyra dazukam, aber es war mir egal. Nichts interessierte mich, mein Zorn vernichtete alles, was neben ihm existieren wollte.
„Verstehst du's nicht?!", ich kam mir vor wie ein ausbrechender Vulkan, als ich Nath anschrie „Er sollte nicht hier sein! Er ist widerlich! ER ist mit schuldig daran, dass Simon mich von vorne bis hinten verarscht hat!"
„Wie Simon, was? Hä?", der Australier wirkte verständnislos auf mich, als ich ihn wieder ansah, was mich nur noch zorniger machte.
„Tu' nicht so, als hättest du keine Ahnung wovon ich spreche! DU bist schuld, dass er mich überhaupt angesprochen hat! Wegen dir hab ich ihn überhaupt erst kennengelernt!"
Simon hatte es mir erzählt, als wir relativ frisch zusammen waren. Dake hatte ihm den letzten Schubs gegeben mich anzusprechen. Ich hatte einen Tunnelblick und es brodelte in mir, meine Sicht war verschwommen. Er war schuld! Er, er, er, er! Und bei diesem Weiberheld würde es mich nicht mal wundern, wenn er Simon zu dieser Wette verleitet hatte!
„Was geht bei dir? Ich weiß, ihr habt euch getrennt, aber so schlimm kann's deinen Stolz doch nicht verletzt haben!"
Mir blieb die Luft weg und ich starrte ihn einfach nur an, bevor ich erneut anfing zu schreien.
„Meinen Stolz?! MEINEN STOLZ?! ER HAT NICHT MEINEN STOLZ VERLETZT, DU RANZIGE KAKERLAKE!"
Ehe ich mich versah, hatte ich den Abstand zwischen uns überbrückt und packte ihn grob am Oberteil um ihn zu mir hinunterzuziehen. Ich zitterte vor Wut.
„HAST DU ÜBERHAUPT IRGENDEINE IDEE, WAS ER GETAN HAT?!"
Ich hatte das Gefühl zu glühen, als ich ihn schüttelte und anschrie.
„Svea!", ein Paar Arme schloss sich um mich und zerrte mich von Dake weg. Erst mit Nathaniels Wärme und Geruch um mich herum bemerkte ich, dass ich weinte.
„MÄDEL! Was ist verkehrt mit dir?!", der Surfer sah mich völlig entsetzt an. Mein Körper bebte.
„WAS IST VERKEHRT MIT EUCH, SOLCHE WETTEN ABZUSCHLIEẞEN?!", ich schluchzte und mich überkam ein Schwall an Verzweiflung und Trauer.
„Was für Wetten bitteschön?!", Dakotas ahnungsloser Blick ließ mich für einen Sekundenbruchteil zweifeln. Hatte er wirklich keine Ahnung? Ich fiel in ein Loch, auf dessen Boden sich allerdings Feuer befand und mich sofort wieder in Brand setzte. Es machte keinen Unterschied! Er war Simons Freund und hatte das Video wahrscheinlich auch gesehen!
„ALS OB DU KEINE AHNUNG HÄTTEST! ER HAT UNS FÜR 'NE SCHEIẞWETTE BEIM SEX GEFILMT, DU ARSCH! UND ES DANN MIT SEINER SCHULE GETEILT ALS WÄRE ES EIN BESCHISSENES KATZENVIDEO!"
Es platzte einfach aus mir hinaus. Dake erblasste. Erst als es mir über die Lippen gekommen war, realisierte ich wieder, wer das alles sicherlich mitbekommen haben musste. Ich wurde überschwemmt von Scham. Nathaniel hielt mich noch immer fest, als ich vor lauter Weinen kaum noch atmen konnte. Ich wurde von allen Seiten angestarrt. Kyra sah mich mit einem Gesichtsausdruck an, den ich nicht deuten konnte. Castiel stand in der Tür zum Garten. In der Tür, die in den Wintergarten führte, standen John und der Schwarzhaarige, dessen Namen ich nicht kannte. Ein Gedanke stach auf mich ein, als ich meinen Kopf nach vorne fallen ließ.
„Er darf einfach nicht auch hier sein, er darf einfach nicht", ich hatte keine Kraft mehr zum Schreien, aber ich war sicherlich noch für Kyra und Dake zu verstehen. Auf keinen Fall würde ich mit ihm unter einem Dach bleiben. Ich würde lieber von den Zombies draußen zerfleischt und gefressen werden, als eine Sekunde länger hier zu bleiben sollte er hier sein.
Es war ein paar Sekunden lang totenstill.
„Er darf nicht, er darf nicht, er darf nicht, er darf nicht!"
Ich schüttelte den Kopf, zitterte, meine Augen quollen über vor Tränen.
„Bitte. Was. Hat. Simon. Gemacht."
Auch durch meine Wut und Trauer hörte ich den Unglauben in Dakes Stimme, als Nath mich wortlos an seine Brust zog und ich mir einfach nur noch meine Seele aus dem Leib weinte.
„Ich schwöre dir, damit hatte ich nichts zu tun! Ich wusste davon nichts!"
Ich hörte ihn nur zur Hälfte, wenn überhaupt.
„Er ist nicht hier!"
Dieser Kerl hatte mein Vertrauen nicht, kein Freund Simons hatte das!
„Lüg mich nicht an! Wieso sollte ich dir glauben?!", ich befreite mich aus Nathaniels Griff.
„Svea-", Nathaniel umschloss mein Handgelenk, aber ich schüttelte seine Hand von mich. Wieso hatte er mir nichts gesagt?
„Svea, Dake sagt die Wahrheit. Zumindest was Simon betrifft."
Es war das erste Mal, dass Kyra etwas sagte. Ich starrte ihr entgegen. Mein Magen glühte, doch ihre ruhige Stimme schien den Zorn dort einzusperren.
„Aber ihr seid doch zusammen hier angekommen!", ich versuchte, sie nicht anzuschreien, aber meine Stimme zitterte und wurde eindeutig lauter.
„Das stimmt, ja. Die drei wurden von einer Herde Zombies verfolgt und wir halfen ihnen, bevor wir zusammen flohen."
„Und dann soll er nicht hier sein?!", ich machte einen Schritt auf sie zu, „War ihm Sicherheit zu langweilig oder was?!"
Ich wurde wieder lauter.
„Er ist tot, Svea."
Stille. Alles um mich herum wurde still.
„Genau! Er wurde Minuten, nachdem wir uns überhaupt begegnet sind gebissen! Sie haben sich einander nicht mal vorgestellt!"
„Er ist tot?", plötzlich entwich meiner Stimme jede Kraft. Ich wagte es fast nicht das zu glauben. Über Simons Tod verspürte ich nicht einen Funken Traurigkeit. Sollte ich mich dafür schämen?
„Ja! Dein Freund hier hat ihn erschossen!"
Dake deutete mit seinem Finger hinter mich. Ich drehte mich ruckartig zu Nathaniel um. Er sah mich mit Augen voller Scham an.
„Du hast was?", erst war meine Stimme nur ein leises Murmeln, dann kochte plötzlich unbändige Wut in mir auf.
„Wieso hast du das getan?! Warum befleckst du deine Hände für jemanden wie ihn mit Blut?!"
Ich stürzte mich auf ihn, doch hatte nicht das geringste Bedürfnis, Gewalt gegen ihn anzuwenden. Meine Finger krallten sich schmerzhaft in sein Oberteil und ich lehnte mich an ihn. Jede Kraft hatte meinen Körper verlassen.
„Wieso?", flüsterte ich.
„Du bist jetzt aufgebracht und wütend, aber ich kenne dich, Svea", er zog mich enger an sich, „Sobald du dich beruhigt hast, wirst du nicht mal ihm gönnen zu so einem Ding zu werden. Im Gegensatz zu mir."
„Du denkst zu gut von mir", ich schüttelte den Kopf. Seine Hand wanderte an mein Kinn und zwang mich sanft ihn anzusehen. Er lächelte mich traurig an.
„Nein, du hast ein gutes Herz", er seufzte, „Manchmal schon zu gut. Du wünscht niemanden so etwas Grausames. Nicht mal ihm."
Meine Sicht verschwamm erneut und die wahrscheinlich murmelgroßen Tränen kullerten unkontrolliert.
„Das wusste ich. Außerdem würdest du nicht wollen, dass er oder sein Körper noch mehr Menschen weh tut. Auf welche Art auch immer."
Er legte seine Arme um mich und ich nahm seine Wärme dankend an.
„Das ja, aber... gerade sehe ich nicht, dass ich es ihm nicht gönnen würde."
„Jetzt bist du ja auch noch nicht ruhig", er strich mir über den Rücken. Obwohl seine Nähe mir gut tat, löste ich mich aus seiner Umarmung.
„Ich... muss nachdenken", ich wand mich von ihm ab, besah Dake noch einmal mit einem eisigen Blick, bevor er zu Kyra schweifte und ihren traf.
„Bitte entschuldige die Unannehmlichkeiten", ich schob mich an Castiel vorbei ohne ihn ansehen zu können und ging in den Garten.
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Endless Death
Fiksi PenggemarZwei Menschen, zwei Orte, ein Schicksal. Verdammt, sowas geschah doch normalerweise nur in Horrorfilmen! Doch für Kyra war es brutale Realität geworden. Als Zeugin von Patient 0 floh sie nun gemeinsam mit ihrem Bruder vor der rasant um sich greifend...