Die Ruhe vor dem Sturm

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Saums Sicht

Ich sank auf das Sofa des Probenraums und atmete tief durch. Die Sonne strahlte durch die großen Fenster, und der Raum war erfüllt von der kraftvollen Stimme von Angelina. Sie stand auf vor mir und sang mit einer Intensität, die mich völlig mitriss. Der Song „Engel" von Rammstein hallte durch den Raum und füllte jede Ecke mit einem energiegeladenem Sound.„Wie war das?", fragte Angelina, nachdem sie die Strophe beendet hatte. Ihr Gesicht war von einem strahlenden Lächeln erleuchtet, als sie nach meiner Meinung suchte. „Unglaublich", antwortete ich und klatschte begeistert. „Du bringst so viel Energie und Leidenschaft in den Song. Es ist beeindruckend, wirklich. Also wenn du nicht the Voice gewinnst... wer dann?" Angelina trat näher zu mir und setzte sich auf das Sofa, das mir gegenüberstand und fing an zu grinsen. „Das freut mich wirklich zu hören... vor allem von jemandem wie dir. Ich gebe mein Bestes, um die Emotionen des Songs rüberzubringen." „Das merkt man auf jeden Fall", sagte ich und griff nach meiner Gitarre. „Vielleicht könnten wir ein bisschen an der Intensität arbeiten, besonders bei der Bridge... sollen wir es mal zusammen probieren?" Angelina nickte und ihr Lächeln wurde breiter. „Ja klar!" Strahlte sie, stand von der Couch auf und setzte sich neben mich. Wir begannen, die Bridge zu proben, und Angelina schien sich voll und ganz in den Song zu vertiefen. Ihre Stimme war kraftvoll und präzise, und ich konnte nicht anders, als mich von ihrem Engagement mitreißen zu lassen. 

Während der Pausen unterhielten wir uns, lachten und sprachen über Gott und die Welt. Ich verstand mich sehr gut mit ihr, weshalb die Zeit auch sehr schnell verstrich. „Du bist echt ein Meister der Ablenkung", sagte Angelina, während wir eine kurze Pause machten. Sie saß mir wieder gegenüber und grinste mich an. „Ich hätte nie gedacht, dass ich so viel Spaß bei einer Probe haben könnte..." „Ich versuche nur, die Dinge ein bisschen aufzulockern", antwortete ich und zwinkerte ihr zu. „Ich bin wirklich froh, dass ich mich damals für dein Team entschieden habe... obwohl es für mich sowieso schon klar war." lächelte Angelina. "Team Samu ist immer die bessere Wahl... das sollte jeder Wissen" lachte ich und griff nach meinem Handy, das auf dem Tisch lag. „Es ist immer schön, mit jemandem zusammenzuarbeiten, der so positiv ist." Während ich mein Handy ansah, bemerkte ich die verpassten Anrufe von Smudo, die immer wieder aufleuchteten. Aber ich war so vertieft in das Gespräch mit Angelina und in die Probe, dass ich die verpassten Anrufe und den niedrigen Akku meines Handys völlig ignorierte. „Mein Handy ist fast leer", bemerkte ich beiläufig, als ich den Akku-Status sah, der bedrohlich nahe bei null war. „Aber ich denke, das können wir später regeln. Es läuft viel zu gut." Angelina lachte und schüttelte den Kopf. „Manchmal muss man einfach den Moment genießen, ohne sich um alles andere zu kümmern. Hab ich Recht?" „Genau", stimmte ich zu und konzentrierte mich wieder auf die Probe. „Lass uns den letzten Durchgang noch perfektionieren. Es ist wirklich erstaunlich, wie gut wir heute zusammenarbeiten." Die Stunden vergingen wie im Flug. Wir probten weiter, lachten und unterhielten uns. Die Zeit verging so schnell, dass ich die verpassten Anrufe und den fast leeren Akku meines Handys völlig aus den Augen verlor. Es war einfach zu angenehm, die Zeit mit Angelina zu verbringen. Aus irgendeinem Grund fühlte ich mich während der ganzen Probe einfach nur glücklich... wir hatten viel Spaß miteinander und vergaß den ganzen Stress um mich herum. „Das war echt klasse", sagte ich, als wir die Probe schließlich beendet hatten. „Ich denke, wir haben heute wirklich gute Arbeit geleistet." Angelina packte ihre Sachen zusammen und sah mich mit einem zufriedenen Lächeln an. „Ja, das war echt super! Ich bin dir wirklich sehr dankbar Samu! Ohne dich wäre ich nicht dort, wo ich jetzt bin." "Ach komm... du bist gerade mal am Anfang deiner Karriere... wir wollen dich bis auf die Spitze bringen! Was hältst du davon, wenn wir auf unsere gelungene Probe anstoßen?" „Das klingt nach einem Plan! Ich könnte jetzt auf jedenfall etwas Alkohol vertragen", lachte sie und stand auf. „Ich kenne da eine gute Bar nicht weit von hier.. wir können uns ja kurz reinsetzen und ein zwei Sachen trinken... aber nicht allzu lang. In meinem Alter muss man schonmal etwas früher schlafen gehen" „verständlich... du hast deine besten Jahre ja leider schon hinter dir", lachte Angelina und griff nach ihrer Tasche. Ich zog eine Augenbraue hoch und griff nach meinem Handy. Als wir den Probenraum verließen und uns auf den Weg zur Bar machten, versuchte ich mein Handy anzuschalten... jedoch vergebens. Der Akku war komplett tot. Und für einen kurzen moment bekam ich Schuldgefühle wegen Emely... ich hatte ihr den ganzen Tag nicht geschrieben. Aber sie war wahrscheinlich genauso beschäftigt wie ich... deshalb machte ich mir keine weiteren Gedanken darüber und freute mich einfach darauf, sie nachher wieder in meinen Armen zu haben. Doch nun standen erstmal ein paar Drinks mit Angelina an. 

Die Bar war gemütlich und einladend, mit warmem Licht, das sanft auf die Holztische und -stühle fiel. Der leichte Lärm der Gespräche und das leise Hintergrundrauschen trugen zur entspannten Atmosphäre bei. Angelina und ich hatten uns an einen kleinen Tisch in der Ecke gesetzt, somit konnte man auch den Blick auf den Fernseher an der Wand nicht vermeiden. „Ich hoffe, der Old Fashioned ist nach deinem Geschmack... bist du nicht eher ein Bier Trinker?", sagte Angelina, als der Kellner unsere Drinks brachte. Sie nahm ihren Mojito entgegen und nahm einen ersten Schluck. „Schmeckt perfekt", erwiderte ich und genoss den kräftigen Geschmack des Cocktails. „ich stehe auf deutsches Bier... doch manchmal habe ich auch nichts gegen einen guten Cocktail einzuwenden." lächelte ich. Wir plauderten entspannt weiter, und die Zeit verging wie im Flug.

Plötzlich lenkte der Fernseher meine Aufmerksamkeit auf sich. Der Nachrichtenbericht, der gerade lief, zeigte Bilder von einem schweren Unfall. Das Bild war zunächst unscharf, aber dann erkannte ich das völlig zerstörte Auto und eine verzweifelte Person, die neben dem Fahrzeug kniete und versuchte, einer verletzten Person zu helfen. „Samu, ist das nicht Michi Beck da unten?" Angelina deutete auf den Fernseher und sah mich fragend an. Mein Herz begann schneller zu schlagen, als ich die Szene genauer betrachtete. Der Anblick des bewusstlosen Körpers im Auto und Michis verzweifeltes Bemühen, das Blut zu stoppen, brachte mich sofort in Panik. „Oh mein Gott", murmelte ich, während mir das Herz bis zum Hals schlug. „Das kann nicht wahr sein." Angelina sah mich besorgt an. „Samu, was ist los?" „Ich... ich muss sofort gehen", sagte ich hastig und stand auf. „Es tut mir leid, aber ich muss herausfinden, was los ist." „Samu, was ist passiert?" Angelina versuchte, mich aufzuhalten, doch ich war bereits auf dem Weg zur Tür. „Ich weiß es nicht genau", sagte ich über die Schulter, „aber ich muss ins Krankenhaus. Es ist dringend." Ich stürmte aus der Bar und zog mein Handy heraus, um ein Taxi zu rufen...und schon wieder vergaß ich, dass mein Akku leer war. Auf einmal traf es mich wie einen Blitz... deshalb hatte Smudo so oft angerufen... und mich hate es überhaupt nicht interessiert. Wie konnte ich nur so dumm sein? Während ich über meine eigene Dummheit fluchte, stellte ich mich an den Straßenrand und versuchte ein Taxi zu bekommen. Es vergingen nichtmal zwei Minuten, da stand auch schon ein Auto vor mir. „Fahren Sie mich bitte so schnell wie möglich zum Krankenhaus", bat ich den Fahrer, während ich mich in das Auto setzte. „Es ist wirklich dringend." Der Fahrer nickte, und wir fuhren durch die Straßen Berlins. Die Stadt wirkte hektisch und chaotisch, aber mein Verstand war nur auf den Gedanken an Emely fokussiert. Die Bilder vom Fernseher gingen mir nicht aus dem Kopf, und ich konnte kaum ruhig bleiben. Endlich erreichten wir das Krankenhaus. Ich sprang aus dem Taxi und rannte zum Empfang des Krankenhauses. Die Empfangsdame sah mich mit einem besorgten Ausdruck an, als ich atemlos vor ihr stand. „Wo liegt Emely Gap?", fragte ich hastig. „Ich muss sie sehen. Es ist dringend." „Es tut mir leid, aber die Patientin Emely Gap befindet sich auf der Intensivstation und wird gerade behandelt", sagte die Empfangsdame mit einem sanften, aber festen Ton. „Momentan ist es nicht möglich, sie zu besuchen, da sie sich im Koma befindet." „Aber ich brauche sofortige Informationen", drängte ich. „Ich habe im Fernsehen gesehen, was passiert ist. Ich muss wissen, wie es ihr geht." „Ich verstehe Ihre Besorgnis", sagte sie ruhig. „Aber Sie müssen sich bitte in den Wartebereich setzen und warten, bis die Ärzte Ihnen weitere Informationen geben können." Mit einem schweren Seufzer nickte ich und ging zum Wartebereich. Der Raum war spärlich eingerichtet, mit unbequemen Stühlen und einer sterilen Atmosphäre. Ich setzte mich auf einen der Stühle und versuchte, meine Gedanken zu ordnen. Während ich wartete, starrte ich auf die Wand und versuchte, die quälenden Bilder aus dem Kopf zu bekommen. Die Minuten zogen sich endlos hin, und ich konnte nicht aufhören, mir Sorgen zu machen. Die Ungewissheit über Emelys Zustand lastete schwer auf mir, und ich hoffte nur, dass die Ärzte bald etwas Positives berichten würden. Ich wusste nichtmal wie es Michi geht... aber zu ihm würden mich die Schwestern sicherlich auch nicht lassen. Also starrte ich weiterhin die Wand an und wartete auf eine Ablösung.

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