Augen voller Wut

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Während ich im Wartebereich des Krankenhauses saß, konnte ich die Schwere der Situation nicht von mir abwenden. Ich versuchte, ruhig zu bleiben, aber die Schuldgefühle nagten an mir. Mein Herz raste noch immer, und die Bilder vom Fernseher – das zerstörte Auto, Michis verzweifeltes Bemühen, Emely zu helfen – ließen mich nicht los. Ich konnte nicht aufhören, darüber nachzudenken, dass ich hätte etwas tun müssen. Diese Gedanken drehten sich wie ein Strudel in meinem Kopf und machten mich wahnsinnig. „Ich hätte ans Telefon gehen sollen", murmelte ich immer wieder, als ob das ständige Wiederholen mir irgendwie Erleichterung verschaffen könnte. „Ich hätte die Anrufe von Smudo annehmen müssen." Stattdessen hatte ich mich völlig in der Probe und dem Gespräch mit Angelina verloren. Ich erinnerte mich an die entspannten Gespräche und das Lachen, an das Gefühl, dass die Zeit stehen blieb, während wir uns über die Musik unterhielten. Es war eine willkommene Ablenkung, aber jetzt fühlte es sich wie eine unverzeihliche Nachlässigkeit an. Wie konnte ich so egoistisch sein, so in den Moment vertieft, dass ich die Notrufe von Smudo nicht bemerkte? Wie konnte ich so viel Spaß mit einer anderen Frau haben, während meine eigentliche Freundin kurz vor dem Tod stand? „Was wäre gewesen, wenn ich rechtzeitig da gewesen wäre?" fragte ich mich, während ich auf den unbequemen Stühlen hin und her rutschte. „Vielleicht hätte ich etwas tun können, um zu helfen." Die Gedanken an Emely, die gerade im Koma lag, quälten mich. Die Vorstellung, dass sie in einem so kritischen Zustand war, und ich mich so blind durch den Abend bewegt hatte, ließ mir keine Ruhe. Jede Minute im Wartebereich schien sich wie eine Ewigkeit hinzuziehen.

Doch plötzlich wurde ich aus meinen Gedanken gerissen. Die Tür öffnete sich ruckartig, und Smudo stürmte herein, seine Augen waren voller Wut. Er sah mich mit einem zornigen Ausdruck an und trat entschlossen auf mich zu. „Da bist du also! Ist das dein Ernst?!", schrie Smudo, seine Stimme war voller Ärger. „Wo warst du verdammt noch mal?" Die Schwester am Empfang warf schon einen Blick zu uns rüber... sagte jedoch nichts. Ich stand auf, überrascht und erschrocken von seiner plötzlichen und intensiven Reaktion. „Smudo, ich..." „Wo warst du?", unterbrach er mich lautstark. „Deine Freundin liegt im Koma, und du tauchst nach sechs Stunden endlich mal auf?" Sein Zorn war fast greifbar, und ich spürte die Schwere seiner Worte. Die Schuldgefühle in mir wurden noch stärker, und ich versuchte, alles zu erklären. „Es tut mir leid... ich war bei der Probe mit Angelina. Mein Handy war fast leer, und ich habe die Anrufe von dir nicht bekommen. Als ich dann in einer Bar war, habe ich die Nachrichten gesehen." „In einer Bar?" Smudo starrte mich fassungslos an. „Du hattest genug Zeit, um auf meine Anrufe zu reagieren, aber du vergnügst dich stattdessen in einer Bar? Alter was stimmt nicht mit dir" „Ich habe nicht gewusst, was passiert ist, bis ich es im Fernsehen gesehen habe", versuchte ich zu erklären. „Mein Akku war leer, und ich habe erst spät erfahren, was los ist." „Das ist nicht nur unverantwortlich, sondern auch respektlos!", fuhr Smudo fort. „Während du dich mit Angelina betrinkst, sitze ich hier... warte darauf, dass Michi endlich aufwacht und bete, dass Emely ihr OP übersteht! Weißt du nach wem Michi als erstes gefragt hat, nachdem er aufgewacht ist? Richtig. Emely... und du? Samu ich habe dafür keine Worte mehr" „Es war nicht meine Absicht, Michi oder Emely im Stich zu lassen", sagte ich, aber Smudo ließ sich nicht beruhigen... so aufgebracht hatte ich ihn noch nie erlebt... ich wusste nichtmal, dass er so eine Seite hat. „Du hast es einfach nicht verstanden, oder?" Smudo war sichtlich aufgebracht. „Emely ist für uns alle wichtig, und du hattest schon früher Gelegenheit, dich zu beweisen. Aber jetzt, während ich die ganze Zeit hier war und mich um Michi gekümmert habe, hast du nichts anderes getan, als dich zu amüsieren!" „Ich... ich weiß nicht, was ich sagen soll", murmelte ich, mein Herz hämmerte vor Schuld und Scham. „Ich hätte auf meine Nachrichten achten sollen, ich verstehe das jetzt... aber was kann ich denn dafür, wenn mein Akku leer ist?" Smudo schüttelte den Kopf, seine Wut war kaum zu zügeln. „Dein Handy war noch an, als ich dich angerufen habe! Außerdem erkundigt man sich als fester Freund, wie es seiner Freundin geht, wenn man ihr seit mehreren Stunden nicht mehr geschrieben hat... Du hattest Glück, dass Emely dir damals verziehen hat, als du sie geschlagen hast! Damals habe ich ihr noch Vernunft eingeredet und sie beruhigt. Aber jetzt – jetzt hast du es selbst verschuldet, dass ich dir nicht mehr helfen werde. Du bist auf dich allein gestellt. Und glaub ja nicht, dass sie es nicht von mir erfahren wird" 

Seine Worte trafen mich wie ein Schlag. Ich konnte die Enttäuschung und Wut in seiner Stimme hören und spürte die Schwere seiner Vorwürfe. „Was soll ich tun?", fragte ich verzweifelt. „Ich kann nicht glauben, dass ich so etwas zugelassen habe. Ich werde mich bei ihr entschuldigen, egal wie lange es dauert." „Das wird dir nichts nützen", sagte Smudo bitter. „Michi und ich haben alles versucht, um für Emely da zu sein, aber du bist dir nicht einmal der Konsequenzen bewusst, die dein Verhalten hatte. Ich werde dich nicht noch einmal in Schutz nehmen, und Michi erst recht nicht. Wie du Emely erklären wirst, warum du dich so verhalten hast, ist ganz allein deine Sache." Mit diesen Worten drehte sich Smudo abrupt um und ging. Die Tür schloss sich hinter ihm, und ich blieb allein im Wartebereich zurück, den Gedanken an die Wut und Enttäuschung von Smudo verarbeitend. Der Raum schien noch steriler und trostloser als zuvor. Das Gewicht der Verantwortung und der Schuld drückte mich nieder, und ich wusste, dass ich einen langen Weg vor mir hatte, um das, was ich angerichtet hatte, wieder gutzumachen – wenn das überhaupt möglich war.


Smudo's  Sicht

Als ich zurück in den Raum kam, in dem Michi lag, brodelte die Wut immer noch in mir. Die Situation war alles andere als einfach, und die Sorge um Emely ließ mir keine Ruhe. Michi lag still in seinem Bett, und ich konnte sehen, wie erschöpft und verletzt er war. Es brach mir das Herz, ihn so zu sehen, aber die Wut auf Samu musste ich irgendwie loswerden. Ich setzte mich auf den Stuhl neben Michis Bett und atmete tief durch, um mich ein wenig zu beruhigen, bevor ich anfing zu sprechen. „Michi, du wirst es nicht glauben, aber ich habe gerade mit Samu gesprochen." Michi öffnete die Augen ein Stück und sah mich an, offensichtlich verwirrt. „Was ist passiert?" „Er kam gerade erst hierher", sagte ich, während ich meine Stimme erhob. „Aber er war völlig unentschuldbar. Er hat den ganzen Abend mit Angelina in einer Bar verbracht, anstatt auf meine Anrufe zu reagieren." „Das ist unglaublich", murmelte Michi, während er sich unbehaglich in seinem Bett bewegte. „Er hätte viel früher hier sein müssen." „Ja, genau das habe ich ihm auch gesagt", fuhr ich fort, mein Ärger kochte wieder hoch. „Ich war so sauer... ich habe ihm auch noch vorgeworfen, dass er Emely damals geschlagen hat."Michi sah mich erschrocken an. „Du hast es ihm vorgeworfen?"„Ja, ich habe es ihm gesagt", erwiderte ich scharf. „es ist nicht zu vergessen, dass er trotz aller Versuche, sich als gut zu zeigen, Emely damals aus Eifersucht geschlagen hat. Das ist nicht einfach vergeben. Auch wenn er manchmal versucht, für sie da zu sein, kann ich einfach nicht übersehen, was er ihr angetan hat...und ich habe ihn damals vor Emely noch gut geredet" „Es ist schwer zu glauben, wie jemand so wenig Empathie zeigen kann", sagte Michi, die Enttäuschung in seiner Stimme war unverkennbar. „Wie kann man sich so in seiner eigenen Welt verlieren, dass man nicht einmal merkt, wie wichtig es ist, für die Menschen da zu sein, die einem am Herzen liegen?" „Das frage ich mich auch", erwiderte ich, mein Herz war immer noch schwer von der Wut. „Er hat sich einfach in seiner eigenen Welt verloren und dabei völlig vergessen, was wirklich zählt. Das ist unverzeihlich, besonders in so einer Situation. Stattdessen hängt er mit einer anderen rum" 

In diesem Moment klingelte mein Handy. Ich sah auf den Bildschirm und erkannte, dass Thomas und Andy einen Gruppenanruf starteten. „Verdammtes Timing", murmelte ich, als ich den Anruf annahm. „Hey, Smu, wie geht es Michi?", fragte Thomas besorgt. „Es geht", antwortete ich, während ich mich versuchte, zu beruhigen. „Ich lebe noch" sagte Michi mit einer brüchigen Stimme und winkte in die Kamera, welche ich gerade auf ihn hielt. "Gott sei dank... müssen wir die Tour absagen, oder stehst du in einer Woche wieder auf den Beinen?" Plötzlich riss Michi die Augen auf. "Alter die Tour habe ich schon völlig vergessen... geschweige denn the voice!" besorgt guckte ich zu Smudo. "Emely wird nicht im Halbfinale antreten können" auch Smudo schien alles andere als begeistert. "Darüber habe ich auch noch nicht nachgedacht... ich meine sie sollte jetzt erstmal überhaupt wieder zu sich kommen... aber das Halbfinale können wir auf jedenfall vergessen". "Also doch die Tour verschieben?" fragte Andy. Ich schüttelte mit dem Kopf und wandte mich wieder zu den zwei Fantis im Telefon. "Wir werden jetzt erstmal abwarten, wie sich das ganze entwickelt. Am besten entscheiden nicht wieder das, sondern unser Manager. Michi und ich werden das morgen klären" Thomas nickte und auch Andy stimmte mir zu. Es war einfach eine beschissene Situation in der wir uns befanden und gerade jetzt war es wichtig einen klaren Verstand zu behalten... doch nichtmal Michi, der normalerweise immer bei der Sache ist und sich von nichts aus der Ruhe bringen lässt, war mental anwesend. 

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