Kapitel 3

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In den Straßen New Yorks habe ich schlimme Typen kennengelernt. Von kaltblütigen Mördern, aggressiven Drogendealern, zu zahlreichen Psychopathen, die sich das selbst nicht eingestehen wollen. Mit all diesen Menschen kam ich zurecht, da ich mich in den Straßen von New York sehr gut auskannte. Es ist meine Hood, mein Revier und mein Schlachtfeld. Erst recht mit meinem treuen Homie, und meinem geliebten Revolver an meiner Seite, konnte mir nie etwas passieren. Schon lange hatte ich mich nicht mehr unterlegen gefühlt, oder wirklich große Angst verspürt. Doch diese Situation machte mir zu schaffen. Das hier, Luxus wo man auch nur hinschaut, war nicht meine Welt. Es sah wunderschön aus, keine Frage. Die Wände waren voller komplizierten und schönen Mustern, die edlen Säulen waren riesig und ragen hoch bis zur Decke. Selbst die Decke war mit wunderschönen und symmetrischen Mustern besetzt, und in der Mitte hing ein riesiger Kronleuchter, ich wagte mich nicht mal zu schätzen wie teuer das Ding war. Ich merkte irgendwann selbst, dass es lächerlich aussehen musste, wie ich mich hier umschaute und ich schaute dann zu den Herren, die vorne saßen.
Der Weg von der Türe, bis zu dem Thronsessel hat sich endlos lang gezogen. Einerseits war ich froh, dass ich endlich angekommen bin, andererseits machten mich die vielen Männer, die vor mir auf ihren Plätzen saßen, ein bisschen nervös. Die beiden Typen, die mich begleiteten, blieben nun stehen, verbeugten sich und sagten dann lächerlicherweise synchron: „Eure Hoheit, hier ist Lady Abigail Watney"
Ich schaute von einem der Typen wieder nach vorne und versuchte mir die Herren genauer anzuschauen und ich fragte mich noch einmal wieso zur Hölle ich hier war. Mein Herz klopfte mir bis in den Hals und meine Hände wurden vor lauter Nervosität feucht.
Die Herren vor mir bereiteten mir tatsächlich Angst. Nun gut, mir fehlte auch zum einen mein Revolver und zum anderen mein Freund.
In der Mitte der Reihe saß ein älterer Herr und seines Äußeren nach zu urteilen musste er der König sein. Gleich neben ihm saß ein Typ mit scharfen Gesichtszügen und einem festen Blick. Das musste der Sohn sein. Nur hatte die Zofe Mona eben vergessen zu erwähnen, dass er verboten gut aussah. Beide trugen teure Anzüge und musterten mich von oben bis unten. Weiter weg, auf den nicht so edlen Stühlen saßen irgendwelche weiteren Männer. Der Testosteronspiegel in diesem Saal war deutlich hoch.
Und ich wurde von jedem Einzelnen wie ein Gegenstand begutachtet. Vielleicht wegen diesem bescheuerten Ballkleid mit zu viel Tüll und dem gewagten Ausschnitt. Das Kleid war wunderschön, aber ich passte einfach nicht rein. In Jeans hätte ich mich deutlich besser gefühlt, während mich alle hier so anstarrten, als würden sie einen Geist sehen.
Die Männer waren alle sprachlos, keiner sagte auch nur ein Sterbenswörtchen. Die Stille war bedrückend und nervenaufreibend. Ich überlegte etwas zu sagen, aber ließ es sein, als ein Typ zu reden anfing. "Die Ähnlichkeit ist faszinierend.", sagte er staunend.
"Allerdings.", sagte daraufhin der König. Mein Blick wanderte von ihm zu seinem Sohn, der mich immer noch emotionslos anstarrte. Er sah arrogant aus – wie jeder hier in dem Saal.
Von ihm wanderte mein Blick zu den Männern, die auf der linken Seite saßen, und da erkannte ich einen von ihnen wieder. Ich verspürte Wut und Zorn als ich ihn sah. Denn er war derjenige, der mich entführt und meinem Freund Curtis schrecklich wehgetan hat.
"Ach Sie schon wieder.", sagte ich in seine Richtung. Die Wachmänner neben mir nahm erschrocken Luft.
"Achten Sie auf Ihre Wortwahl, Lady Abigail.", antwortete der Entführer leise.
"Sie können mich mal, Feigling. Alleine können Sie mir nicht in die Augen schauen, immer brauchen sie Unterstützung um Sie herum."
"Ich meine es ernst, Abigail. Sagen Sie nichts, was sie später bereuen.", hakte er nach.
"Ich werde gar nichts bereuen. Sie aber. Mich will man nicht als Feindin haben."
"In New York.", antwortete er gelassen. „Hier im Palast gelten andere Regeln."
"Und die sind mir scheiß egal.", ich wusste nicht wo ich das Selbstbewusstsein jetzt hergeholt haben, denn ich wusste ganz genau, dass ich hier ganz schlechte Karten hatte. Vielleicht war das auch mein Überlebensinstinkt, der jetzt kickte.
Alle in diesem Raum schienen empört zu sein, als hätte ich die unmöglichsten Worte gewagt. Naja vielleicht habe ich das auch.
Ich verschränkte aber nur die Arme ineinander. "Was wollen Sie von mir?", fragte ich dann und schaute den König an.
Keiner antwortete mir direkt. Ich ging einen Schritt näher zum König.
"Reden Sie!" Gemischte Gefühle fand ich in seinem Gesicht wieder.
Von Erschrecken, zum Genuss und schließlich schaute er dann wie ein arrogantes Stück Scheiße. Er atmete tief ein und hatte ein höhnisches Lächeln im Gesicht.
"So redet keiner mit mir. Auch nicht Sie, Abigail. Wenn ich wollte könnte ich sie jetzt auf der Stelle auspeitschen lassen."
"Das geht mir am Ar-"
Er erhob seine laute und bedrohliche Stimme. "Und Curtis qualvoll ermorden.", schnitt er mir meinen Satz ab.
Er schien zu merken, dass mir das den Magen verdrehte, denn er lächelte jetzt amüsiert.
"Lady Abigail, Sie sind eine entzückende Dame.", fuhr er fort. "Wobei Dame wahrscheinlich das falsche Wort für Sie ist, aber daran werden wir noch arbeiten. Ich biete Ihnen ein Vorschlag an. Wenn Sie dieses Angebot verschlagen, werde ich dafür sorgen, dass Curtis brutal ermordet wird. Hat irgendjemand in diesem Saal eine Idee wie man das anstellen könnte?"
"Lebendig begraben.", schlug einer vor.
"Alle Knochen brechen und zum Schluss das Genick.", fügte der andere hinzu.
Direkt darauf folgte: "Vergasung."
Warum kam mir das ungute Gefühl, dass der König es ernst meinte und es nicht nur ein Blöff war? Plötzlich wurde mir schwindelig und meine Angst kam wieder zurück. Mein Herz raste und mein Hals wurde plötzlich trocken. Doch den Leuten vor mir, zeigte ich nicht, dass ich verunsichert war.
"Danke für die zahlreichen Ideen, die Herren.", meldete sich der König wieder zu Wort und anschließend schaute er dann wieder mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. "Wollen Sie das, Lady Abigail?"
"Nein.", antwortete ich selbstsicher, um meine Schwäche zu verstecken. Am liebsten würde ich heulend auf den Boden zusammenkrachen, aber dieses Klischee über Frauen können die vergessen.
Nicht bei mir.
"Gut. Wir haben ein kleines Problem. Mein Sohn sollte eine Frau heiraten. Lady Eleonore, eine entzückende Dame von einer weiteren Provinz. Es war eine... geschäftliche Ehe und uns geht es finanziell nicht mehr ganz so gut. Diese Ehe muss stattfinden. Deshalb haben wir jemand gesucht, der Lady Eleonore aufs Haar ähnelt, wie bei einem Spiegelbild. Und der werte Herr, James" Der König deutete auf  den Typen, der mich hierhergeholt hat. „der Ihnen für ein paar Tage gefolgt ist, hat Sie gefunden und hierhergebracht."
Er schwieg. Warum redete er nicht weiter?
"Also erwarten Sie von mir, dass ich in die Fußstapfen einer Frau trete, die wo ist?", fragte ich.
"Tot."
Erschrocken nahm ich Luft ein und musste mich kurz wieder sammeln. Denn jetzt wurde mir noch einmal bewusst, wie ernst diese ganze Sache hier war.
"Selbstmord.", fügte er noch hinzu. Das ist verständlich. Wer würde es denn schon hier aushalten? Finanzielle Ehe. Schrecklich.
"Ich soll also so tun, als wäre ich sie? Und dafür erhaltet ihr Curtis am Leben?", fragte ich nach dem ich kurz räusperte.
"Wir erhalten ihn nicht nur am Leben, wir bezahlen seine Kaution wegen Mordes und er bekommt ein tolles Haus und unbeschwertes Leben. So geht das auch für Sie. Solche Kleider sind in Ihrem Schrank, teure Schmuckstücke, Kaffeekränzchen und hier noch einen netten Herrn mit dem man gut die Zeit vertreiben kann." Er zeigte auf seinen Sohn, der mich immer noch anstarrte. Seinen Blick konnte ich nicht ganz deuten. Einerseits schaute er interessiert, andererseits schien er so zu wirken, als sei ihm alles gleichgültig.
"Und wenn Sie verneinen, werden wir Sie versehentlich töten. Sie können sich höchstwahrscheinlich ausmalen, wie wir das anstellen. Autounfälle, Vergiftungen, Flugzeugabstürze, solche Zufälle passieren auf dieser schrecklichen Welt."
"Also bleibt mir keine Wahl?", schlussfolgerte ich entsetzt.
"Das habe ich nicht gesagt." Ich könnte vor Wut kochen. Wieso konnte dieser Dreckskerl einfach über mein Leben bestimmen? Wie konnte er das von einem Tag zum nächsten versauen?! Ich hasste ihn. So viel stand fest. Es stand auch fest, dass mein Leben gerade komplett versaut wurde. Nicht, dass es besser war obdachlos und hungernd in New York zu leben, aber das extrem war mir immer noch lieber als in Todesangst im Luxus zu leben. Ich konnte aber immer noch nicht fassen was sie von mir verlangten - ich soll eine tote Frau ersetzen, weil wir zufälligerweise genau gleich aussehen und sollte diesen Schnösel heiraten? Also Prinzessin werden...?
"Eine Sache noch.", sagte der König. "Wenn Sie hier dann leben, müssen Sie sich assimilieren. Keine Kraftausdrücke, Sie unterwerfen sich und verhalten sich wie Lady Eleonore. Jedes Fehlverhalten hat seine Konsequenz, und wenn es zu viele sind könnte es Unfälle geben."
Mir wurde kotzübel. Mein Leben war schon immer miserabel, aber das hier toppte alles.
"Es war schön mit Ihnen Bekanntschaft gemacht zu haben, Lady Abigail. Ich taufe Sie hiermit zu Lady Eleonore." Er wartete auf eine Reaktion. "Ein Knicks wäre jetzt sehr passend."
Spast. Er forderte mich heraus. Jedes Fehlverhalten hat seine Konsequenz, und wenn es zu viele sind könnte es Unfälle geben.
Ich habe das in meinem Leben noch nie gemacht und dementsprechend sah dieser Knicks dann auch aus.
Ein paar Männer kicherten, wobei der König sie mit einem Blick zum Schweigen brachte.
"Paul. Begleite deine Frau zu eurem Zimmer."
Jetzt blieb mein Herz für einen Moment stehen und in mir breitete sich die Panik aus. Ich teilte mir ein Zimmer mit einem wildfremden Typen, der mich aufgrund seines Auftretens komplett verunsicherte?
"Ja, Vater." Der Sohn stand auf und seine gute Figur kam direkt in den Vorschein. Breite Schultern, kräftige Arme und dazu kombiniert mit diesen scharfen Gesichtszügen. Er war sicherlich ein Herzensbrecher, der Frauen wechselte wie seine teure Unterwäsche.
Er kam auf mich zu, verbeugte sich kurz und streckte mir dann seinen Arm hin, den ich nach kurzem Zögern entgegennahm.
"Wenn Sie mich anfassen, breche ich Ihnen alle Knochen.", sagte ich so leise, dass nur er es hören konnte. Meine Angst versuchte ich zu verstecken.
Er beachtete mich nicht, so arrogant wie er war. Der Weg zur Türe kam mir diesmal kürzer vor, als beim Reinkommen. Zwei Männer mit dieser lächerlichen Uniform öffneten uns die riesigen Türen und somit verließen wir den riesigen Saal.
Sobald wir nicht mehr vom König gesehen wurden, löste ich mich von ihm.
"Lady Abigail Ihnen ist schon bewusst, dass ich alles meinem Vater sagen kann.", sagte er mit einem selbsttätigen Lächeln. Na toll. Ein Schnösel war er also auch noch.
"Ich werde mir kein Zimmer mit Ihnen teilen.", sagte ich selbstbewusst, wobei ich innerlich vollkommen verunsichert war. Lieber hätte ich jetzt einen aggressiven Drogendealer oder einen Psychopathen neben mir, denn mit ihnen konnte ich besser umgehen als mit dem arroganten Prinzen hier.
„Sie sind sehr ungezogen, Lady Abi- Lady Eleonore.", sagte er mit seiner tiefen Stimme.
"Sie können froh sein, dass ich Sie sieze.", erwiderte ich.
"Oh was für eine Ehre." nun blieb er stehen und stellte sich vor mir. „Eins sollten Sie wissen. Ich habe genau so wenig Interesse an Sie wie Sie an mir. Aber wir dürfen das nicht offensichtlich machen, alle beobachten uns."
"Oh das wundert mich. Sie haben kein Interesse an mir? Sie sehen so aus als würden Sie alles durchnehmen was nicht bei drei auf dem Baum ist." Er war kurz außer Fassung von dem was ich sagte, aber dann sammelte er sich wieder, in dem er meine Hand nahm und mich mit sich zerrte.
"Ja Sie haben recht, ich habe etliche Frauengeschichten hinter mir. Nur an Straßenkindern habe ich kein Interesse."
Outsch. Das saß.
"Also geben Sie zu einer dreckigen Vorgeschichte zu haben. Mit Ihnen werde ich mir kein Zimmer teilen."
"Haben Sie nicht richtig gehört? Sie kommen von der Straße und Abschaum will ich nicht haben."
Ich durfte mir nicht anmerken lassen, dass er mich damit verletze.
"Dann bin ich erleichtert. Lieber bin ich Abschaum als einer Ihrer Eroberungen."
"Geht mir genauso." Er lächelte mich an. Nicht freundlich, sondern bösartig.
Mir wurde endgültig bewusst, dass mir hier etwas schreckliches passierte. Dass eine Zeit auf mich zukommen würde, in der meine Geduld, mein Mut, mein Durchhaltevermögen und mein Selbstbewusstsein auf die Probe gestellt wurden. Mir wurde bewusst, dass die wohlhabenden und einflussreichen Menschen hier das Zeug hatten mein Lenen komplett auf den Kopf zu stellen und zu zerstören.
Und für einen Moment, während ich hier den wunderschönen und gleichzeitig furchteinflössenden Korridor entlang ging, während der Prinz an meinem Arm zog, fragte ich mich, ob ich das alles schaffe, oder ob ich meiner Vorgängerin ähnle und ich auch das Ende suchen würde.
Dieser Gedankengang ging so schnell wieder weg, wie er kam. Die Leute wussten nicht, wen sie sich hierhergeholt haben. Ich bin nicht der Typ für Selbstmorde, ich bin der Typ, der bis zum Ende kämpfte.

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