Kapitel 13

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In meinem äußerst hübschen Reiterkostüm und meinem verwuscheltem Haar ging ich zu Elizabeth. Sie war wieder im gleichen Raum, im rechten Suite des Palastes. Die Tür war bereits geöffnet und ich sah ihre Silhouette schon lange bevor ich eintrat.
"Hallo.", sagte ich und sie drehte sich zu mir um. Dann musterte sie mich von oben bis unten.
"Sofort raus aus diesen Sachen! Du kannst nicht mit Stiefeln, die mit Pferdekot beschmutzt sind, in den Palast!"
Ich verdrehte die Augen. "Aber ich hab nichts anderes zum anziehen gerade."
Sie seufzte und massierte sich vollkommen genervt den Nasenrücken.
"Ihre Zofe ist Mona, richtig?"
"Hmm-hmm."
"Antworte nicht mit Hmm-hmm! Ladies antworteten stets in kompletten Sätzen!" Dann beachtete die mich nicht weiter und sprach den Wachmann vor der Türe an. Er nickte und machte sich auf dem Weg, um Mona zu holen.
"Und was machen wir jetzt?"
"Nichts bevor du umgezogen bist."
Wow. Die mochte diese Kleidung hier echt nicht. Ich frage mich, wie sie reagiert hätte, wenn sie mich in meiner normalen Kleidung gesehen hätte. Bestimmt hätte sie gekotzt.
Irgendwann kam Mona hierher mit einem neuen Kleid verpackt in einer Tüte, als auch einem neuen Paar Schuhe und einem Schminkkoffer.
"Zaubern Sie aus diesem Desaster etwas Schönes.", sagte Elizabeth und sie verließ dann den Raum.
"Erstaunlich wie freundlich Elizabeth zu dir ist.", sagte Mona im entschuldigendem Ton.
"Ja total. Obwohl ich die Prinzessin-" Ich verstummte, denn ich merkte, dass mein Satz nicht ganz richtig war. "Sorry, dass bin ich gar nicht."
"Doch, hier und jetzt bist du die Prinzessin von England.", ermutigte mich Mona.
"Wenn die richtige Eleonore noch am Leben wäre, nein."
"Ja, aber das ist sie nun mal nicht. Es tut mir leid wegen dem Verhalten von Elizabeth, aber sie und Lady Eleonore haben sich sehr gut verstanden."
"Ach wirklich? Das hätte ich wohl kaum erwartet", murmelte ich sarkastisch.
"Ja. Sie waren sozusagen Vertraute. Erst recht da Lady Eleonore sich hier nicht wohlfühlte." Mona machte sich jetzt an das Korsett und zog die Fäden.
"Wirklich? Sie würde die Prinzessin werden, Traum vieler Weiber, die nicht in New York leben."
"Ja, es war ja eine finanzielle Ehe."
"Sie und der Prinz, haben sie sich geliebt?"
"Ja, das schon. Vor allem liebte Paul sie. Er wisch ihr nicht einmal von der Seite und jeden Tag hatten sie irgendwas anderes unternommen." Sie machte eine kurze Pause und war anscheinend in ihren Gedanken versunken. „Prinz Paul hat sie aufrichtig und innig geliebt." dann führte sie dort und zupfte am Saum des Kleides. Als ich das Kleid dann anhatte, kämmte sie mein Haar und schminkte mich.
Dass Paul Eleonore geliebt hatte, erklärte irgendwie sein Verhalten.
Er hat das tote Weib geliebt und ich sollte sie ersetzen.
Ich.
Ein asoziales, ungebildetes Mädchen von den Straßen, die sich Männern nicht unterwirft und alle um mich herum beleidigt. Wenn man uns beide vergleichen würde, wäre sie eine ägyptische, elegante und Royale Katze, während ich nur eine schmutzige, hungernde Straßenkatze wäre. Zufälligerweise sehen wir nur komplett gleich aus.
Jetzt erst betrachtete ich das Ganze aus Pauls Sicht. Klar hasste er mich.
"Paul hat sich immer total auf die Hochzeit gefreut.", fuhr Mona fort. „Und er war niedergeschmettert, als er von Eleonores Tod erfahren hat." Es war wirklich schwer vorstellbar, dass der Penner auch eine verletzliche und emotionale Art an sich hatte. Aber eine geliebte Person zu verlieren, weil sie sich selbst getötet hat, musste echt schwer sein.
"Und jetzt hat er mich!" Und natürlich ein paar andere Weiber, die er vögelt.
"Tja, der Prinz gehorcht aber auch immer seinem Vater, wenn die Hochzeit stattfinden soll, dann zieht er es durch."
"Mona? Können wir bitte das Thema wechseln?"
"Ja natürlich. Also gerade mache ich dir eine schöne Hochsteckfrisur und Elizabeth wird wieder netter werden."
Ich lachte. „Elizabeth wird niemals netter werden." Mona stimmte meinem Lachen ein.
"Du musst mir meine Frage nicht beantworten, aber was haben deine Eltern für eine Krankheit?"
"Krebs.... Meine Mutter hat Brustkrebs und Vater altert immer mehr." Ihr Schlucken entging mir nicht.
"Oh das tut mir leid.
"Zufall was? Ich bin eventuell auch gefährdet."
"Das tut mir leid."
Das waren jetzt genug Infos für Paul.
"Heute musst du auch ein Instrument spielen lernen.", wechselte Mona wieder das Thema.
Ich seufzte. "Heute Morgen hatte ich schon Unterricht, dann bin ich etwas geritten und jetzt muss ich mit dieser Göre ein Instrument spielen lernen?"
"Nein, nicht mit dieser Göre.", wand Mona kichernd ein. "Mit jemand anderem. Jetzt lernst du britisches Englisch sprechen."
Ich seufzte innerlich. Ich war keine Maschine, um mir Wissen und Eigenschaften einzutrichtern, verdammt! Ich sollte ja so schnell es geht wie diese Eleonore werden. Großartig.
Nach dem Mona mich umgezogen und zurechtgemacht hat, musste sie auch wieder gehen, weil noch viel Arbeit vor ihr lag.
"Okay, bis dann.", sagte ich als sie ging.
Nur kurz darauf klopfte es an der Tür.
Elizabeth klopfte? Aber es war nicht Elizabeth, es war eine junge Frau, die mir irgendwie bekannt vorkam. Sie trug dieselbe Uniform wie Mona, eine weiße Bluse, einen weißen Knielangen Rock und dazu eine rosa Schürze und sie war so blass, dass ich Angst hatte, sie würde sich jeden Moment übergeben oder sogar in Ohnmacht fallen.
"Eure Majestät, darf ich eintreten?" Oh die erste, die mich so betitelt.
"Klar.", antwortete ich und merkte gleich danach, dass ich das Wort klar eigentlich aus meinem Wortschatz streichen sollte.
Mit gesenktem Kopf und einen beschämten Blick beugte sie sich vor mir runter. Und dann dämmerte es in mir. Ich wusste wer das Mädchen vor mir war und irgendwie wollte ich sie ohrfeigen.
Sie und Paul haben miteinander geschlafen.
"Ich.. weiß g-gar nicht wie ich anfangen soll..." Sie zitterte am ganzen Leib. "Heute haben Sie ja..." und jetzt fing sie an zu schluchzen.
Mein Gott, dieses Mädchen hatte ja wirklich Angst. Ich hatte so ein Mitleid, dass ich sie doch nicht ohrfeigen konnte. Ich stand auf und beugte mich zu ihr runter, wobei sie vor Schreck einen Schritt nach hinten ging.
"Hey, alles in Ordnung." Ich nahm ihre Hand und drückte sie.
Sie wischte sich mit der freien Hand die Tränen weg und schaute mich mit ihren großen, tränenerfüllten Augen an.
"Es tut mir schrecklich leid. Ich werde bald den Palast verlassen, aber bitte sorgen Sie nicht dafür, dass ich ermordet werde. Ich weiß ich hätte es verdient, ich habe mit Ihrem zukünftigen Ehemann..., aber-" sie brach in Tränen aus und schluchzte, was das Zeug ging.
"Psscht.", beruhigte ich sie. "Ich werde Sie ganz sicher nicht ermorden lassen, keine Frage." Daraufhin atmete sie erleichtert aus.
"Der Prinz hatte mir vorhin auch gesagt, dass es ein Fehler war, er liebt Sie über alles, aber Sie hatten ihn diese Nacht weggestoßen und er brauchte es einfach."
Das hat er gesagt? Ich hatte ihn wirklich weggestoßen.
Aber über alles lieben? - das war leicht übertrieben. Er wollte nur authentisch sein.
"Keine Sorge. Solange das unter uns bleibt, kann ich es vergessen."
"Danke, Lady Eleonore. Sie sind eine hervorragende Prinzessin und zukünftige Königin." Sie fing an meine Hand zu küssen, wobei ich sie ihr sofort entzog. Also das war für meinen Geschmack etwas übertrieben.
Dann kam plötzlich Elizabeth rein- ohne anzuklopfen- und schmiss die junge Frau vor mir raus und fragte sie, was zur Hölle sie in diesem Raum tat. „Wenn das der Butler mitbekommt, werden Sie sicherlich quittiert werden!", schimpfte Elizabeth unfreundlich.
„Ich habe sie reingelassen.", meldete ich mich dann zu Wort. Wenn Blicke töten könnten, hätte man mir jetzt sicherlich schon ein Grab vorbereitet, denn Elizabeth schaute mich wütend an. Sie konnte es bestimmt nicht ertragen, dass ich mal meine mir zustehende Macht ausnutzte.
„Lassen Sie sie gehen.", führte ich dann fort, wohlwissend, dass Elizabeth überhaupt nicht gefällt.
Elizabeth sagte erst mal nichts, wartete bis die Frau den Raum verlassen hat und deutete mir dann drohend mit dem Finger. „Wage es nicht noch einmal. Noch bist du keine Prinzessin. Ich muss dich erst mal darauf vorbereiten eine zu werden."

Und in dem Moment dachte ich das erste mal an das Positive bei dieser ganzen Sache: wenn ich wirklich Prinzessin werden sollte, würde Elizabeth mir nicht mehr auf dem Sack gehen.

Lady Ghetto Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt