Kapitel 59

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*Pauls Sicht*

"Ich will alle Kleider, die Abigail anhatte wegschmeißen.", sagte Eleonore und schlürfte ihren Tee.
"Du trägst aber gerade ein Kleid, was sie trug.", erwiderte Mutter und ich war ihr dankbar, dass sie das Reden übernahm. Und natürlich Abigail verteidigte.
"Ach wirklich? Dann muss ich das schnellstmöglich entsorgen, schließlich wollt ihr ja nicht die ganze Zeit an die tote Abigail denken."
"Sie ist nicht tot.", erwiderte ich.
"So gut wie tot, Schatz, aber ich werde immer für dich da sein."
Ich schnaubte. "Ja, leider."
"Schatz, jetzt sei doch nicht so!", erwiderte sie nörglerisch.
Sie nahm ihren Spiegel und kontrollierte wie sie aussah, das tat sie immer im Abschnitt von zehn Minuten. Das hat sie früher nicht getan. Erst als sie wieder gekommen ist.
Wahrscheinlich ist ihr Selbstbewusstsein gesunken.

Mutter und ich schauten uns beide entgeistert an und ich versuchte einfach wieder an Abigail zu denken.
Wenn alles nach Plan lief, dann müsste sie jetzt in der Fähre sein.
Mit Curtis.
Alleine.

Sie würde mir nicht Fremdgehen, das wusste ich. Genau so wie ich ihr nie Fremdgehen würde. In dem Moment schaute ich zu Eleonore, die mit dem Spiegel runter zu ihrem Dekolleté ging um ihre Schmuckstücke zu richten.

"Mann, die neue Zofe taugt zu gar nichts!", sagte sie genervt.

Abigail hat sich nie beschwert- ganz im Gegenteil sie war immer dankbar für alles. Anfangs fand ich es sogar komisch, dass sie sich bei den Bedientesten bedankte, heute machte ich es auch.
Und sie kontrollierte nicht immer wie sie aussah.
Je mehr ich Eleonore und Abigail verglich, desto weniger Ähnlichkeiten sah ich zwischen den beiden.

Ich schaute an Eleonore vorbei in den Garten. Abigail hat es geliebt hier spazieren zu gehen. Wir konnten uns immer über alles mögliche unterhalten, über die Zukunft, die Vergangenheit und wie verkorkst ich eigentlich war.
Sie war die einzige Person die sich über mich lustig machen durfte, ohne dass es mich groß störte.
Oder die einzige Person, mit der ich Nachts unvergessliche Nächte verbrachte.
Und einer der einzigen die mich zum Lachen brachten, wegen diesem schwarzen Humor.

Es klopfte an der Glastür und ein Wachmann trat hier in den Balkon.

"Guten Tag. Ich soll Ihnen eine Nachricht übermitteln.", sagte er und verband fast die Worte zusammen, so schnell sprach er.

"Abigail Watney ist gestorben."

Lady Ghetto Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt