Kapitel 11

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Ich dachte der Unterricht sei damit beendet, aber dann musste ich noch langweiligen Zeug über die historischen Königsfamilien, 'meine' Familie und die Geschichte Englands lernen. Dann wollte Elizabeth, dass ich zu 'aktuellen politischen Debatten' Stellung bezog. Und dann war der Unterricht nach ganzen drei Stunden endlich beendet.
"Und was tue ich jetzt?", fragte ich sie.
"Das weiß ich doch nicht.", erwiderte sie so abfällig, als wäre das die unmöglichste Frage, die ihr je gestellt wurde.
Sie ließ mich in diesem Raum alleine und ich wusste wirklich nicht was ich mit mir anfangen sollte.
Deswegen schaute ich mich einfach in diesem Palast um. Auch wenn ich jetzt schon ein Tag hier war, war ich immer noch überwältigt von der Ausstattung und den vielen Räumen. Ich trat in die Räume ein, wo die Tür offen waren und fand mich in so vielen verschieden Gebieten wieder. Eigentlich könnte man sich hier super gut verstecken.
Ich stand vor einem weiteren Raum und hörte, wie da etwas zu Boden fiel. Einfach nur aus Neugier öffnete ich die Türe und was ich sah und hörte ließ mich für einige Sekunden vollkommen erstarren.
Das, was ich sah, wollte ich gleich wieder aus meinem Gedächtnis löschen. Das, was ich sah, verstörte und verletzte mich irgendwie. Ich vernarrte in meiner Bewegung und war zu blöd um wegzurennen.
War ich eifersüchtig?
Nein, nein, nein, redete ich mir ein. Warum sollte ich auch?
Das war ein Dreckskerl.
Es war nur, dass er vorhin beim Tanz so normal wirkte, und mal nicht wie ein arrogantes Biest um dann die nächst beste Frau zu vögeln.
Richtiger Spast. Richtig anstandsloser, eingebildeter und arroganter Spast. Ich bemerkte, dass ich immer noch am laufen war, obwohl ich zum einen nicht wusste wo ich war, zum anderen es gar nicht mehr nötig hatte zu laufen, ich bin schon weit genug gekommen.
Ich blieb also stehen und versuchte wieder normal Luft zu nehmen. Das war schwer in diesem Korsett. Ich hielt mir die Hand an die Stirn und merkte, dass ich zitterte. Mann, Abby!
Warum hatte ich so Schiss?! Ich hatte plötzlich große Angst, die ich eigentlich nur von polizeilichen Verfolgungen kannte. Oder bei Typen, die high sind, und gerne draufschlagen. Aber auch wenn ich stets mutig war, hatte ich trotzdem Curtis an meiner Seite. Jetzt nicht. Und das war sehr, sehr beängstigend. Ich schaute mich in diesen unfassbar schönen, aber gleichzeitig unheimlichen Ort um und fand eine riesige Tür, vor der zwei Wachmänner standen, die mich neugierig anschauten.

„Was gibt's zu glotzen!", fragte ich aufgebracht. Sie verzogen keine Miene. Doch kurz darauf wurde von der anderen Seite die Türe geöffnet und ein ziemlich aufgebrachter König kam zum Vorschein. Er war sichtlich wütend und irgendwie auch genervt. Er musste mich also gehört haben.
"Lady Eleonore, was tun Sie hier?", fragte er.
Ich schaute hinter ihm und sah eine riesige Bibliothek, in der auch die Königin saß.
„Ich... ähm wollte ein Buch lesen.", was nicht der Wahrheit entsprach. Ich wusste schon gar nicht mehr wann ich das letzte mal gelesen hab.
„Kommen Sie rein.", befahl er. Ich tat was er verlangte und hinter uns wurde die Türe dann geschlossen. Die Königin lächelte mich warm und und deutete dann auf den Stuhl neben sich. „Hier ist noch ein Plätzchen für Sie frei."
Okay, das war zugegebenermaßen sehr nett. Ich setzte mich neben sie und ließ mir von einem Diener schwarzen Tee einschenken.
„Ich lese gerade eine Lektüre über die Stärke der weiblichen Schwäche.", sagte sie leise, während der König sich an seinen Arbeitsplatz setzte und an irgendetwas arbeitete. Anscheinend war es so wichtig, dass er sich nicht über mich aufregte. „Ich muss ehrlich sagen, dass Sie mich mit ihrer selbstbewussten Art ziemlich inspiriert haben.", sagte sie.
„Sind Frauen in Ihren Augen schwach?"
„Ganz und gar nicht.", erwiderte die Königin. „Man muss die Männer nur in dem Glauben lassen." Sie zwinkerte mir zu und schaute dann zu ihrem Mann rüber. Dann legte sie das Buch auf den kleinen Tisch und nahm sehr elegant ihre Tasse in de Hand und schlürfte an ihrem Tee.
"Wissen Sie wo Paul ist?", fragte mich die Königin dann.
Ja, der ist in einer Kammer und vögelt eine Frau.
"Nein", antwortete ich nur. "Sorry."
"Wäre nur schön gewesen, wenn er hier bei uns wäre."
Nein, das wäre absolut nicht schön.
Was Curtis jetzt wohl tat? Wir hatten zehn Uhr. Also müsste er bestimmt durch die Straßen gehen und vielleicht ein paar Wertgegenstände-
Nein.
Er tat es nicht.
Er hatte genug Geld und hatte es nicht mehr nötig zu stehlen.
Es klopfte an der Tür und James kam rein. Vor dem König und der Königin verbeugte er sich und schließlich dann auch vor mir. Wow.
"Eure Majestät, Sie haben mich gerufen?"
"Genau. Sammeln Sie für ein Uhr unser Konferenzgruppe zusammen. Wir haben wichtige Aspekte über unser Land zu besprechen."
"Wie Sie wünschen, Eure Majestät." Bevor er ging, kam er aber noch zu mir rüber.
"Guten Morgen, Lady Eleonore. Haben Sie gut schlafen können?"
Er deutete unauffällig auf unser Gespräch von gestern.
"Ja.", antwortete ich nur.
"Sehr gut." Dann verbeugte er sich kurz und ging los.
Bevor er aber nur ein paar Schritte gegangen ist, bat die Königin das, was ich befürchtet hatte.
"James, könnten Sie Paul herschicken?"
"Ja natürlich Eure Majestät."
Nein! Bitte nicht. Seine Anwesenheit könnte ich wohl gar nicht ertragen.

Ich bekam mehrere Bücherstapel von dem Diener und durfte mir anscheinend ein Buch aussuchen. Also schnappte ich mir das erstbeste und las, wobei ich aber nichts aufnahm.
Mir fiel auch auf, dass Paul die ganze Zeit nicht aufkreuzte. Bestimmt hat James ihn nicht gefunden.
Doch nach einer gefühlten Ewigkeit kam er dann doch. Seine Haare vollkommen zerzaust, aber er hatte sich umgezogen.
"Tut mir leid für die Verspätung, ich habe noch geduscht."
"Schön, dass du deine zukünftige Ehefrau so lange alleine lässt.", sagte der König daraufhin so kalt, dass ich sogar erschaudern musste, obwohl er nicht mit mir sprach. "Das fällt auf!", fuhr er dann schreien fort.
Paul hielt den Mund und sagte nichts, was ich äußerst überraschend fand. Sonst hatte er ja stets eine schlagfertige Antwort parat, aber vor seinem Daddy hatte er wirklich Respekt.
Vielleicht könnte ich das zu meinen Gunsten verwenden, in dem ich ihn erpresste. Dass er eine andere Frau vögelte, würde den König sicherlich erfreuen.
Paul setzte sich auf seinen Platz.
"Hast du mich verraten?", zischte er leise.
"Was soll ich denn verraten haben?", fragte ich und tat so, als wüsste ich nicht wovon er sprach.
Er schaute mich an gelangweilt an. "Jetzt tu doch nicht so."
Ich wand den Blick von ihm ab, irgendwie ertrug ich es nicht ihn anzuschauen.
"Ich bin keine Snitch, ich habe dich nicht verpetzt."
"Das muss die Wahrheit sein.", sagte er. "Denn wenn du es getan hättest, dann wäre mein Vater vollkommen ausgerastet."
"Gut zu wissen.", erwiderte ich amüsiert.
Daraufhin seufzte er tief. "Du bist ein kleiner Teufel."
"Und du ein Dreckskerl. Mit wem hast du es denn getrieben?"
"Psst, leise!", zischte er.
"Dein Vater sitzt nur ein paar Meter entfernt von hier. Ich könnte es jetzt laut sagen."
"Bist du etwa eifersüchtig?" Er lächelte mich herausfordernd an.
"Nein. Gestern hatte ich doch kein Interesse, vergessen? Wer war es denn jetzt? Hast du nicht Angst, sie könnte es herumerzählen?"
"Wenn sie das tut, ist sie auf der Stelle tot."
"Och, wie nett. Das ist also der Dank, dass sie sich für dich auszieht?"
"Eleonore, du machst mich gerade richtig sauer."
Dann war ich plötzlich diejenige, die am längeren Hebel saß. "Das freut mich.", sagte ich grinsend.
Als der König und die Königin zu reden aufhörten, verstummten auch wir.
"Paul warum führst du Lady Eleonore hier nicht aus? Sie muss sich hier auskennen.", schlug die Königin vor.
Keine Frage, ich wollte hier eine Tour bekommen, aber nicht von Paul.
Das wäre mir zu anstrengend.
"Ja kann ich machen." Er stand auf und hielt mir seine Hand hin. Diese Hand mit der er eben an der Frau war. Zwar hatte er geduscht, aber trotzdem war der Gedanke ekelerregend.

Lady Ghetto Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt