Kapitel 8

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Als Paul mir entgegen kam, schaute er mich von oben bis unten an. "Du siehst toll aus."
"Seit wann denn 'du'?", entgegnete ich gleich.
"Seit gestern. Vergessen? Wir heiraten bald und lieben uns."
"Allein die Vorstellung ist zum Kotzen."
"Geht mir genauso. Wie sehe ich aus?", fragte er und richtete seine Krawatte.
Verdammt gut. Böse gut.
Aber dein Charakter macht alles kaputt. Arrogant, eingebildet und selbstverliebt. Drei Attribute, die ich vollkommen hasste.
"Wie immer.", antwortete ich.
"Wie immer gut.", erwiderte er und lächelte mich herausfordernd an.
"Hör zu. Ich möchte, dass du mit diesen Spielchen aufhörst. Morgen kannst du weiter machen, aber jetzt muss ich mein Bestes geben, damit Curtis nichts passiert."
Er zuckte mit den Schultern. "Wenn ich mich fehlverhalte, hat das auch Konsequenzen, wir sind auf einer Seite."
"Das freut mich."
"Lady Eleonore, Sir Paul, wenn Sie mir bitte folgen.", sagte ein Wachmann und ging voraus.
Ich hakte mich bei Paul ein und dachte an alles, was die Tante von eben mir gesagt hat.
Gerader Rücken, Brust raus, Nase hoch, Schultern zurück.
Und als wir die breiten Treppen runter gingen, schauten uns schon mehrere Augenpaare an.
Fuck. Ich durfte kein Fehler machen. Nicht stolpern, schön lächeln, verliebt gucken. Ich würde jetzt lieber in einer Prügelei verwickelt sein, als das hier zu machen!
"Meine Teuerste,", sagte Paul als wir vor den Gästen standen. "Das ist die Familie Jones. Wir haben gute Geschäfte miteinander und wir hoffen auf zukünftige Weiterarbeit."
"Aber natürlich Sir Paul." Der Mann verbeugte sich kurz und ich knickste so, wie die Granny mir es eben beigebracht hat.
"Sie sehen entzückend aus, Lady Eleonore."
"Entschuldigen Sie, meine Teuerste ist heiser und darf nicht viel reden."
Als Paul das sagte, lächelte ich den Mann entschuldigend an.
"Sie Arme. Gute Besserung."
"Danke.", sagte ich ganz leise.
"Ich wünsche Ihnen alles Gute für Ihre zukünftige Ehe. Sie passen perfekt zueinander."
"Ja das weiß ich.", erwiderte Paul und drückte mir einen Kuss auf die Wange.
Ich wollte es mir eigentlich nicht eingestehen, aber ich wollte einen zweiten.
Abby, verdammt, hör endlich auf damit, ermahnte ich mich. Dieser eingebildete, arrogante Dreckskerl durfte mich nicht aus der Fassung bringen, nur weil er verboten gut aussah.
Paul und dieser Mann unterhielten sich für eine Weile bis auch der König mit seiner Gefährtin kam. Sie unterhielten sich, und dann ging es rüber zu einer wunderschönen Terrasse, dessen Wände voller Rosen übersät waren. Der Tisch war schon gedeckt für das Ehepaar Jones und für uns.
Bevor ich mich setze, rückte Paul mir den Stuhl zurecht und fragte mich nach meinem Wohlbefinden.
"Alles gut, Danke."
Ich hatte mir gerade noch das 'alles cool' verkneifen können und war froh, da der König mich im Moment musterte.
Es gab englischen Schwarztee und dazu ein paar Plätzchen, die vollkommen lecker waren.
Die Gespräche waren sehr langweilig. Es ging die ganze Zeit nur um ihre Geschäfte, Beziehungen und Einnahmen. Die Königin unterhielt sich währenddessen mit Mrs Jones und ich und Paul wurden außen vorgelassen.
Wir waren ja die verliebten Turteltäubchen.
"Schatz, schmeckt dir der Tee?", fragte Paul mich. Warum wurde mir jetzt warm ums Herz?
Ich nickte, ich war ja heiser. Kurz daraufhin drückte er mir ein Kuss auf die Wange und flüsterte mir ins Ohr, dass ich doch jetzt bitte kichere, damit es authentisch wirkt.
Und ich tat dergleichen.
Aber mich zu ihm zu beugen um ihn zu küssen kam nicht infrage. Im Laufe des Gesprächs nahm er meine Hand ließ sie nicht mehr los. Es war in irgendeiner Weise nervig, aber gleichzeitig auch, obwohl ich den Gedanken schnell zu verdrängen versuchte, schön.
Es war im Vorteil, dass ich nichts sagte, ich beobachtete die Gespräche nur. Mal wieder war ich etwas zwischen geschockt und fasziniert, wie unterschiedlich mein Leben in New York zu dem hier ist. Die Wortwahl, das Verhalten und die Gestik, vollkommen anders. Mit der Zeit entschieden die Gäste zu gehen, und wünschten uns viel Glück weiterhin.
Lächeln, Danke sagen, ja hab ich drauf.
Anschließend waren wir dann nur noch zu viert. Irgendwie verletzte es mich, dass Paul mich auf der Stelle losließ, als wäre ich der letzte Müllsack, der nicht von der Müllabfuhr abgeholt wurde.
"Gute Arbeit haben Sie geleistet. Aber Sie müssen noch viel dazu lernen.", sagte der König.
Ich zuckte mit den Schultern, als würde es mich nicht interessieren.
Die Königin lächelte mich einmal kurz an und dann folgte sie ihrem Mann.
"Es ist jetzt spät.", sagte Paul. "Schlafenszeit." Mir wurde plötzlich schlecht.
"Du hast doch gesagt, du fasst keine Straßenkinder an.", sagte ich dennoch selbstsicher.
Er zuckte mit den Schultern. "Stimmt auch. Begleitest du mich ins Bett?"
"Vergiss es!"
Dann packte er mich am Arm und stieß mich gegen die Wand. Er war so nahe, dass ich wieder sein Parfüm und After Shave riechen konnte.
"Lass mich los.", zischte ich.
"Hmm... Nein." Er beugte sich zu mir vor und küsste mich an meinem Hals. Mein Körper schrie Mehr, ich will mehr! Aber mein Verstand brachte mich zur Vernunft.
Dieser Dreckskerl wollte heute nur einen schönen Abend bekommen, bei mir auf der Stirn steht aber nicht Hure geschrieben.
Er stemmte seinen ganzen Körper gegen meinen, dass ich seine Erregung spürte. Kein gutes Zeichen. Er wollte es wirklich durchziehen.
Gott. Was erschreckte mich mehr? Dass ich plötzlich auch erregt wurde und ihn wollte, oder dass das hier gerade passierte?!
Okay Abby, handeln. Was hat Curtis mir beigebracht?
Ich trat ihm zwischen die Knie und er beugte sich direkt vor Schmerz. Bevor er sich wieder erholen konnte, rannte ich los.
Wohlwissend, dass ich später in einem Bett mit ihm schlafen muss.
"Hey warte!", rief er mir nach, aber er machte sich nicht die Mühe um mir zu folgen. War ja auch besser so.
Ich lief irgendwo hin, und merkte gleich, dass dies keine gute Idee war. Es war zwar wirklich schön hier, aber gleichzeitig auch unheimlich. Selten war ich in Gebieten, in denen ich mich nicht auskannte und das war weitaus schlimmer als eine Straße in Bronx, die ich noch nie gesehen hatte.
Meine klackenden Schuhe hallten den ganzen Gang und ich fand mich in einem riesigen Saal. Müsste ein Ball Saal sein.
Ich hielt inne, sogar die Luft an, um mir diesen schönen Raum anzuschauen.
Die Lichter waren zwar ausgeschaltet, aber ich konnte mir denken wie schön es wäre, wenn Licht zwischen diesen schönen Diamanten und dem Glas leuchten würde. Die Säulen hatten sehr detaillierte Muster, sowie auch der Boden.
Ich drehte mich um, um mich weiter umzuschauen, da erhaschte ich eine Bewegung.
"Paul?", fragte ich direkt, und bemerkte, dass ich etwas ängstlich klang. Dann räusperte ich mich.
"Paul, das ist nicht lustig, komm raus oder du wirst es bitter bereuen."
Und da kam er näher. Er trat näher heran, und das Mondlicht, das durch das riesige Fenster kam, beleuchtete ihn.
Naja nicht ihn, es war gar nicht Paul vor mir.
Es war dieser verdammte Dreckskerl, der mich entführt hat.
"Was tun Sie hier?", fragte er mich.
"Warum sind Sie mir gefolgt?", entgegnete ich sofort.
Er lachte in sich hinein. "Ihr Selbstbewusstsein ist wirklich sehr bewundernswert."
"Ich steche nur hervor, weil hier jede andere Frau den Mund zu halten hat."
Er wollte etwas erwidern, aber es kam nichts. "Also sind Sie mir gefolgt?", wiederholte ich meine Frage.
"Ich habe jemanden rennen hören. In hochhackigen Schuhen. Und wollte nur gucken, ob mit der Person alles in Ordnung ist."
"Das ist aber großzügig."
"Großzügigkeit ist mein zweiter Name."
"Das ich nicht lache." James lächelte mich an. "Lady A-." Er schloss die Augen, und atmete ein. „Lady Eleonore. Wie schon gesagt, ich habe nur das ausgeführt was man von mir verlangt hat. Lassen Sie das doch in der Vergangenheit ruhen und wenden wir das Blatt."
"Können Sie dafür sorgen, dass ich nicht bei Paul in einem Zimmer schlafe?", fragte ich. "Dann ist alles vergessen."
Er seufzte tief. "Ich bedaure. Ich würde Ihnen wirklich gerne helfen, aber wenn das rauskommt, werden die Leute hier Verdacht schöpfen. Denken Sie dran, Sie sind Lady Eleonore, Sie lieben Paul, Sie heiraten ihn bald."
Ich schwieg, denn ich wusste, dass er recht hatte.
"Hat... hat der Prinz Sie belästigt?", fragte er vorsichtig.
"Belästigt? Ja."
"Ich meine auch... Sie wissen schon, sexuell."
Eigentlich noch nicht. Er stand zweimal kurz davor.
"Können Sie mir eine Waffe besorgen? Nur damit ich mich selbst schützen kann, falls er mir droht?" Ich sah ihm an, dass er mit sich rang.
"Ich werde ihm auch nicht wehtun. Nur als Drohung nutzen, falls irgendwas passiert."
"Falls irgendwas passiert,", sagte James, "Werden Sie geköpft und Curtis brutal ermordet."
"Okay", murmelte ich.
"Es tut mir leid, ich kann Ihnen das nicht geben."
Entsetzen. Warum nur? Warum war alles in der Welt gegen mich?
"Ich hoffe Sie verstehen das", fragte er dann hoffnungsvoll.
"Ja, irgendwo."
"Falls irgendwas passiert, dann sollten Sie die Klingel auf Ihrem Nachttisch betätigen. Ich bin dann in binnen von Sekunden da."
Damit änderte sich natürlich alles.
"Danke", und ich meinte es vom ganzen Herzen.
"Kann ich Sie bitte zu Ihrem Zimmer begleiten? Wenn hier Dienstleute aufkreuzen, wird direkt getratscht."
Ich stimmte zu, auch wenn ich wirklich nicht wollte. Bis wir zu der Tür angelangten schwiegen wir.
"Da wären wir. Gute Nacht, Lady Eleonore."
"Danke, Ihnen auch." Ich atmete tief ein und öffnete dann die Tür.
Und was für eine Überraschung! Paul war nicht da.
Ich schaute mich um, denn der Raum war sehr groß.
Aber, ich fand ihn nicht. Kurz darauf machte Mona mich bettfertig, machte mir ein heißes Bad, kümmerte sich um meine Haare und die Schminke. Anschließend bekam ich Nachtwäsche, die wirklich sehr aufreizend war. Ich fragte sie, ob es nicht andere gab, aber sie erklärte mir, dass Eleonore nur solche Nachtwäsche besaß. Also musste ich es tragen. Sie wünschte mir eine gute Nacht und ging dann.
Erleichtert legte ich mich aufs Bett und betrachtete die Wand. Was für ein Tag.
Was für ein schrecklicher Tag, dieser endlich bald das Ende nahm. Wobei mir bewusst war, dass morgen ein neuer Tag ist und mich viel Arbeit erwartete.
Ich war tief in meinen Gedanken, dass ich sofort aufsprang als ich eine Tür öffnen hörte. Es war aber nicht die Tür, die von außen hierher führte. Während Mona mich fertig gemacht hat, musste ich wohl verpasst haben, dass er gekommen ist.
Es war nämlich die Tür des Badezimmers und ein fast nackter Paul trat ins Zimmer. Er trug nur ein Handtuch um sein Becken herum und schaute mich herausfordernd an.

Lady Ghetto Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt