Kapitel 20

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Ich wurde von einem Wachmann verschleppt, dieser mich zum Essaal begleitete, da jetzt das Mittagessen anstand. Paul und ich schauten uns nicht an, und die neugierigen Blicke seiner Eltern sind mir nicht entgangen. Aber sie sagten nichts darüber.
Trotzdem redeten sie am Esstisch- obwohl, wie Elizabeth mir schon hundertmal gesagt hat-, es nicht angebracht ist. Das muss aber ein Ausnahmezustand sein, weil schon morgen (morgen!) dieser Ball ansteht, bei dem irgendwelche hohen Tiere mich sehen wollen.

Nach dem Essen musste ich sofort zum Ankleidezimmer, um zu sehen was ich morgen anziehen würde. Ich vermisste Mona, da es jetzt eine andere Zofe gab, die die ganze Zeit schwieg. Mona war schließlich bei ihren Eltern und unterstütze sie mit dem Geld, das ich ihr gegeben hat. Sie half mir in das Kleid und ich musste es für eine Zeit lang Probe tragen.
Um für morgen vorbereitet zu sein, übte ich schon mich damit hinzusetzen, dass es elegant aussah.
"Das sieht wirklich zauberhaft aus, Lady Eleonore."
"Danke.", erwiderte ich.
Es klopfte an der Tür und Elizabeth und leider auch Paul kamen rein. Er schaute mich nicht an und hörte dann zu, was Elizabeth zu sagen hat.

Bevor Elizabeth aber anfing zu reden, wartete sie bis die Zofe den Raum verlassen hat.
"Lady Eleonore, Sie werden morgen die ganze Zeit tanzen müssen. Ich habe Paul gebeten es mit dir zu üben, da es bei euch besser klappt."
"In Ordnung.", sagte ich, während ich mir noch ein Okay verkniffen hab.
Paul kam zu mir, seine Miene verzog sich nicht- er war weder vollkommen arrogant noch freundlich. Er war neutral und auf Distanz.
Und so tanzten wir, erstmal lief keine Musik, dann sorgte Elizabeth für Musik im Hintergrund, was das Tanzen viel einfacher machte.

Schritt nach rechts, dann nach vorne, nach hinten, nach links. Ich kam mit der Zeit in Takt, aber trotzdem war die Musik nicht so gut wie die von New York. Jede zwei Minuten änderte sich das Lied und auch die Geschwindigkeit, das fand ich war die Anstrengung. Aber auch, dass ich hohe Schuhe trug und nie stehen blieb.
Plötzlich ließ Paul meine rechte Hand los und drehte mich, nahm meine Hand wieder und zog mich eng an seine Brust. Mein Herz schlug unwillkürlich schneller, aber er verzog weiterhin keine Miene. Als ob er mit einer Puppe tanzen würde, die nicht lebendig ist.
Er drehte mich erneut und umarmte mich von hinten, sodass wir für eine Zeit pendelten. Erneut drehte er mich um, sodass wir die ursprüngliche Position wieder einnahmen.
Für einige Zeit lang tanzten wir also ohne zu reden. Und je länger wir bei der Sache waren, desto besser wurde ich, fiel mir auf.

Was Curtis wohl denken würde, wenn er mich so sehen würde?
Er würde sicherlich nicht glauben, dass ich es bin. Ich glaubte es ja selbst nicht.
"Super, super, das sieht grandios aus!", rief Elizabeth. "Wenn Sie das morgen so machen, wird keinem auffallen, dass es eigentlich ein Mädchen von der Straße ist!"
Outsch. Aber ich sagte nichts. Genau so wenig wie Paul.
"Es tut mir leid, ich wollte euch nicht unterbrechen, tanzt ruhig weiter!"
Paul beugte sich kurz runter, ich knickste und wir tanzten weiter. Nach einiger Zeit, war Paul derjenige der als erster sprach. "Ich muss an einer Besprechung teilnehmen.", sagte er. "Bis später."
"Bis später.", murmelte ich.
Als er ging, war Elizabeth plötzlich wieder schlecht gelaunt und sagte mir, dass ich jetzt wieder Piano spielen muss. "Es könnte sein, dass Sie aufgefordert werden zu spielen."
Oh ja, ich konnte es kaum erwarten.
Allein der Gedanke an morgen war zum kotzen. Und ehrlich gesagt hatte ich wirklich Schiss.
Deswegen verlief auch der Rest des Tages miserabel. Es war ja schon schrecklich genug hier, aber dass alle hektisch rumhantierten und gestresst wirkten, machte alles noch viel schlimmer.

Beim Abendessen waren der König und die Königin nicht anwesend. Sie hinterließen uns mit einem Wachmann eine Botschaft. Es gibt noch einige Dinge zu besprechen, deswegen können wir nicht anwesend sein. Guten Appetit und bis morgen früh.
Als der Wachmann den Raum verließ, stand auch Paul auf.
"Ich habe kein Hunger. Ich werde jetzt schon schlafen gehen. Gute Nacht."
Er wartete keine Antwort ab, und ging einfach. Wow, sehr höflich, toller Prinz.
Ich würde dem ganz sicher nicht hinterher dackeln, weil ich zum einen Hunger hatte zum anderen froh war ihn nicht ertragen zu müssen.
Also ließ ich mir das Essen alleine gefallen, es gab Linsensuppe mit frisch gebackenem Brot.
Auch als ich fertig war, blieb ich noch etwas sitzen, denn ich versuchte etwas Zeit zu vertrödeln.
Heute war der erste Tag an dem er mich mal nicht scheiße behandelte, fiel mir auf. Klar, er ignorierte mich, schaute mich nicht an, das war nicht unbedingt freundlich, aber immerhin.
Ich erhob mich, bedankte mich bei den Dienstleuten, diese mir mit einem Nicken antworteten und dann ging ich ins Zimmer.
Langsam öffnete ich die Tür und sah, dass Paul im Bett lag und seine Augen geschlossen waren.
Er hatte es also ernst gemeint, er würde echt schlafen gehen.
Schnell und leise kramte ich mir etwas zum Schlafen und zog mich um, und legte mich dann ins Bett. Mein Herzrasen versuchte ich zu ignorieren, dabei gingen mir nicht die Bilder aus dem Kopf. Wie ich genau hier mit Ketten festgehalten wurde, was für eine Angst ich verspürte und wie er auf mich zukam. Diese Bilder werde ich sicherlich mit ins Grab nehmen.
"Bist du genug vorbereitet?", fragte plötzlich Paul neben mir. Er war also doch wach. "Ähm.. ja.", antwortete ich.
"Es wird Konsequenzen haben, wenn du mich blamierst."
"Vielleicht wirst du ja auch mich blamieren."
"Nein." Er rappelte sich dann auf und ich spürte seinen Blick auf meinem Nacken. "Wenn du dich für den Vorfall von heute Morgen rächen möchtest, gerne, aber nicht morgen. Morgen wäre ein schrecklicher Zeitpunkt für uns beide."
"Chill, das habe ich nicht vor. Und wenn es passiert, dann war es nicht mein Ziel gewesen."
"Was meinst du damit?", fragte er ungeduldig.
Dann setzte ich mich auch auf und schaute ihn an, damit er denkt, dass er mich nicht kontrollieren kann und ich selbstbewusst bin, was auch immer passiert.
"Ich bin nicht diese Eleonore. Ich bin Abigail Watney und komme von der Straße."
Dann legte ich mich wieder ins Bett, ihm den Rücken zu gekehrt und schwieg

Lady Ghetto Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt