72 - Versprochen.

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ALANIS SICHT

Immer wieder spielt sich die Szene in meinem Kopf ab. Wie als hätte jemand die Endlosschleife bei einem Song eingestellt. Sein Gesichtsausdruck, als er zu Boden fällt samt mir brach mir das Herz. Ich wollte es nicht tun, aber es musste sein, damit ich enkommen kann. Das versuche ich mir andauernd einzureden, doch in meinem Kopf hielt ich seinen Tod immer noch für sinnlos. Er war der Erste, den ich getötet hatte und deswegen wird er auch immer in meinen Gedanken bleiben. Ich hätte eigentlich ganz am Anfang schon den Gouvernour töten sollen, doch diese Chance blieb mir nicht, da ich zu feige war. Ich war zu feige den Killer meiner Mum zu töten und jetzt, wenn es um mich selbst ging war ich echt dazu im Stande zu töten. Ich erkannte mich selbst nicht mehr wieder und es fühlte sich auch gar nicht mehr nach meinem alten Ich an.

Das Blut an meinen Händen hatte Sherry zwar sorgfältig entfernt, doch ich hatte immer noch das Gefühl, dass etwas an mir klebt. Wie wild fahre ich mit meinen Händen immer wieder an meinen Oberschenkeln entlang in der Hoffnung das Gefühl los zu werden, doch es blieb.

Ich starre während der Fahrt einfach nur aus dem Fenster. Ganz verträumt, weil ich auch so unsanft von Sherry geweckt wurde. Doch ich konnte nicht ans schlafen denken. Jedes Mal wenn ich die Augen nur für einen kurzen Moment schloss, brannte es mir erneut das Bild von dem toten Lowell in die Netzhaut ein.
Ich hatte fast schon Angst davor zu zwinkern. Das muss man sich mal vorstellen.
"Al? Geht's dir besser?"
Ich nickte mit dem Kopf, nur um nicht unnötig Probleme zu bereiten. Denn das wichtiges war ja jetzt wohl, dass wir heil an diesem Ort ankommen. Ich hoffe es gibt dort sowas wie hohe Zäune, besser noch Mauern und meilenweit kein Mensch, der mir sagt was ich zu lassen habe.
Und das erste was ich tun werde, ist Tara zu mir zu holen. Und dann, irgendwann wenn wir es für richtig halten, hauen wir ab und leben wieder wie vor ein paar Monaten ganz glücklich und unabhängig.

"Wir sind bald da", meint Dwight von der mir gegenüberliegenden Seite. Er fuhr recht langsam, aber auch nicht so langsam, dass und die Beißer einholen konnten, die wir hinter uns ließen.
"Du wirst sehen es gefällt dir dort, Dwight und ich waren anfangs hier, bevor Negan uns aufgegabelt hatte", erzählt Sherry mir.
"Woher wisst ihr, dass das Lager immer noch steht?"
"Wissen wir nicht, aber wir hoffen es aus tiefstem Herzen", erwidert Sherry und Dwight stimmt ihr nickend zu.
"Ihr wisst es nicht?! Ich habe alles aufgegeben in Sanctuary, verdammt ich hab Lowell getötet nur damit ich mit euch kommen kann. Weil ich dachte es ist schöner dort, aber ihr könnt es noch nicht mal wissen. Verdammt!"

Von dem einen auf den anderen Moment war ich eine komplett andere Person. Zuerst stand ich noch unter Schock und war kaum dazu fähig meine Hand nicht zittern zu lassen und jetzt koche ich vor Wut nur so über.
Stimmungsschwankungen hatte ich in letzter Zeit nicht gerade wenig.
"Hör zu, wir glauben fest daran, dass noch jemand da ist und wenn es nicht so wäre, bauen wir drei uns was schönes auf", murmelt Sherry und Dwight stimmt ihr nickend zu.
"Nein. Wenn niemand mehr da ist, kehre ich um. Mit oder ohne euch", erwidere ich fest entschlossen. In Sanctuary hatte ich wenigstens noch die Chance Tara einige Male zu sehen und ich fühle mich sicher dort. Wenn ich wieder hier draußen wäre mit Sherry und Dwight, weiß ich nicht ob es die Bedingungen, die ich in Sanctuary bekomme erfüllt.

"Das meinst du doch nicht ernst! Er wird dich töten, oder noch viel schlimmeres mit dir anstellen."

"Ist ja meine Entscheidung, was ich mit meinem Leben vorhabe oder? Mein Gott. Dann soll er mich halt töten, aber ich denke er braucht mich für andere Dinge dringender als draußen bei den Beißern."

Sherry sah zu Dwight hinüber. Dieser sah sie kurz an, bevor er wieder auf die Straße blickt. Doch ich konnte seinerseits ein leichtes Nicken wahrnehmen.
"Oke gut. Wenn es nicht mehr steht, suchen wir dir ein Auto, dass lang genug fährt um wieder zurück zu kommen. Nur du darfst ihm nicht sagen, wo wir sind."
"Gut. Versprochen?"
"Versprochen."

Die Fahrt verlief weiterhin still und die Sonne ging langsam am Horizont auf. Man konnte nun auch ohne Scheinwerfer wieder problemlos sehen, was ich nicht mal so schlecht fand.
"Wir sind gleich da."
Jetzt bog Dwight rechts ab, einen kleinen Kiesweg entlang fuhren wir einige Meter bis wir zum stehen kamen. Als ich mich umsah, sah ich weit und breit nichts, außer einen großen Haufen Schutt.
"Was ist passiert", murmelt Sherry verzweifelt.
"Ich weiß es nicht."
"Das soll euer Zufluchtsort gewesen sein?"
"Ja."

"Ich geh schon mal zurück, hab vorhin einen Wagen am Straßenrand stehen sehen. Wir sehen uns dann da."
Gerade als ich die Tür aufmachen wollte gab mir Sherry noch ein Messer und eine Pistole. Ich bedanke mich kurz dafür und steige dann aus. Mein Weg führt mich über den Kiesweg zurück auf die Hauptstraße. Einige Meter davon entfernt stand ein kleines Auto, dass noch relativ heil aussah.
Ich ging darauf zu und sah mich erst einmal im Wagen um. Er war leer und die Schlüssel stecken sogar noch im Zündschloss. Ich öffne die Fahrertür und steige ein. Ein müffelnder Geruch kommt mir entgegen und sofort habe ich das Bedürfnis zu kotzen. Ich springe noch mal raus und übergebe mich im Straßengraben.
Wow, ich war doch sonst nicht so empfindlich.
Ich wische mir den Mund mit meinem Ärmel ab und steige nochmals ein. Ich kurbelte die Fenster herunter und versuche den Motor zu starten. Er ratterte ein bisschen, sprang schließlich aber an. Der Tank war fast nicht mehr gefüllt, aber ich bekam sicher von Dwight und Sherry etwas. So wie sie, fuhr ich jetzt den Kiesweg entlang und blieb dicht hinter ihnen stehen.

Die beiden standen neben dem Schutthaufen und umarmten sich innig. Sie schienen echt glücklich hier gewesen zu sein und es tut mir fast schon leid, dass sie nichts mehr hatten.
"Ich sehe du hast einen gefunden", meint Sherry als sie wieder auf mich zukommen.
"Ja. Der Tank ist fast leer."
"Ich füll ihn dir auf", meint Dwight und nimmt einen Kanister von der Ladefläche.
"Danke."

Währendessen redete ich ein wenig mit Sherry.
"Es tut mir leid, dass wir dich in diese Lage gebracht haben. Wir wollten nur unbedingt raus und hier wohnen und dann hab ich eben sofort an dich gedacht. Sei mir nicht böse ja?"
"Ist schon okay. Ich konnte euch ja verstehen, aber ich will nicht wieder irgendwo anfangen ok? Ich will was festes, wo ich dauerhaft bleiben kann und das ist nun mal Sanctuary. Auch wenn ich dort ziemlich ungern bin, hab ich immer noch Sicherheit die mich umgibt und ich kann Tara öfter sehen, als wenn ich hier draußen irgendwo wohne."

"Ja. Ich kann dich verstehen. Also dann leb wohl ja?"
"Ihr beide auch. Passt auf euch auf. Ich werde niemanden etwas erzählen. Versprochen?"
"Versprochen."
Zum Abschied umarme ich Sherry nochmals und als Dwight dann mit dem Tanken fertig war zieht er mich ebenfalls kurz in eine Umarmung.
Ich verabschiede mich und steige wieder in den Wagen. Dann fuhr ich rückwärts aus dem Kiesweg hinaus und den Weg wieder zurück.

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