Kapitel 72

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Wie in Trance, stand ich auf und ging in mein Zimmer und schloss dieses ab. Immernoch hatte ich das Messer in der Hand, war aber kaum noch fähig zu denken. In meinem Kopf herrschte ein lautes Durcheinander. Einerseits schrie ich mich selbst an es zu tun, andererseits brüllte es aber auch, die Sache sein zu lassen.

Mir war bewusst das es falsch ist, aber wie oft habe ich schon in Büchern gelesen, dass es den Menschen auf einer gewissen Weise dann besser geht? Unzählige Male habe ich das. Anscheinend ist dieses Problem weiter verbreitet, als man wirklich denkt.

Auch ich stand nun vor dieser Frage. Vor dem Hin und her zwischen falsch und richtig.

Wenn es mich nur einen Teil meiner äußerlichen Erscheinung kosten würde um glücklicher zu werden, wieso eigentlich nicht? Ein paar Kratzer auf den Arm bringen einen schließlich nicht sofort um. Jedenfalls nicht, wenn man es nicht unbedingt provoziert.

Aber wo ist die Garantie, dass es mir dann besser geht? Diese gibt es nicht, das war mir bewusst. Trotzdem stellte ich mir selber diese Frage. Wenn man Dinge nicht versucht, weiß man nie, was dabei rauskommt oder was sie mit sich bringen.

Um mich selbst in meinem Kopf zu übertönen, machte ich mir über Kopfhörer und Handy Musik an. Dadurch wurde meine eigene Stimme in meinem Kopf aber nur noch lauter.

Tränen stiegen mir in die Augen, schon bevor ich die Klinge durch meine Haut gleiten ließ. Zunächst traute ich mich nicht, wirklich tief einzudringen. Doch beim zweiten Schnitt sah das schon ganz anders aus. Direkt floss Blut langsam über meinen Arm. Urplötzlich fühlte ich mich komplett frei. Meine düsteren Gedanken, fanden einen Einklang, mit meinen Emotionen. Die Schmerzen harmonierten perfekt mit meinen Gefühlen. Allerdings war mir das noch nicht genug.

Einmal wollte ich nochmal das Messer durch meine Haut gleiten lassen.

Wieder ein physischer Schmerz, der meinen Inneren psychischen betäubte. Aber auch wenn es mir so gut tut, würde ich das nicht wieder machen. Dafür hatte ich zu viel Angst, der Sucht der Schmerzen zu verfallen. Nur zu gut weiß ich aus Büchern und Erzählungen, das es extrem schwer ist davon wegzukommen.

Trotzdem war es unglaublich befreiend und für diesen Moment, genoss ich es.

Aber auch das änderte sich wieder schlagartig.

Als das pochen der Wunden ein Ende nahm, holten mich wieder meine tief schlummernden Gedanken ein.

Direkt musste ich schluchzen, wobei mir schon die erste Träne das Gesicht runterlief. An der Wand gelehnt, hob ich meinen Arm ein bisschen hoch und schaute mir nochmal genau an, was ich gemacht hatte.

Sofort stieg Hass in mir auf. Zwar habe ich mich vorher schon auf eine gewisse Art gehasst, was jetzt aber noch viel intensiver war. Ich dachte an Namjoon, Saeha, Mama und an Jungkook. Auch Nora schwebte in meinen Gedanken, wobei ich am Liebsten ausgerastet wäre.

Warum sind sie so falsch? Und wenn sie nicht falsch sind, warum dann so übertrieben fies? Was habe ich der Welt getan, dass ich schon so weit bin, dass ich mir meinen verdammten Arm aufschneide?

Warum bin ich so scheiße, das man mich nicht liebt?

Weinend fasste ich mir mit beiden Händen ins Gesicht und zog dabei meine Beine an den Körper ran. Am Liebsten, würde ich gerade einfach ersticken, was meine Tränen sogar fast hervorriefen.

Ich wollte einfach weg. Weg von hier und am besten von der ganzen Welt. Niemand sollte mich um sich haben müssen. Mit meiner Anwesenheit gestraft werden...

Irgendwie kann ich die anderen ja verstehen. Wenn ich so jemanden wie mich kennen würde, dann würde ich diese Person auch hassen. Und das tue ich ja auch.

Ich hasse mich.

Dance with me // NamjinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt