Hermines Sicht
Ein gellender Pfiff durchschneidet die Luft und ich zucke erschrocken zusammen. Wir stehen auf dem Gleis 9 3/4 und endlich ist es soweit, ich fahre mit meinen Liebsten zurück nach Hause. Mit, vor Vorfreude geröteten Wangen, wende ich mich Molly und Arthur zu: "Vielen Dank, dass ich die Ferien über bei Ihnen wohnen durfte. Es war wunderschön." Zum Abschied umarme ich beide noch einmal herzlich und trete dann einen Schritt beiseite, um Harry vorbei zu lassen. Auch er bedankt sich und wird in eine feste Umarmung gezogen. Wir zwei sind so etwas wie die Adoptivkinder der Weasleys. Sie haben uns zwar nicht wirklich adoptiert, aber sie lieben uns, als wären wir ihr eigen Fleisch und Blut. Gerade als sich auch Ron und Ginny von ihren Eltern verabschieden, schallt ein weiterer Pfiff über die vielköpfige Menge hinweg und wir hieven unser Gepäck so gut und so schnell es eben geht in den Hogwarts Express. "Lasst uns ein leeres Abteil suchen!", murmelt Ron und stakst voran. Wir sind fast am Ende des Zuges angekommen, als wir endlich ein leeres Abteil finden. Ron und ich lassen uns gegenüber voneinander auf einen Sitz fallen und Harry und Ginny tun es uns gleich. Langsam setzt sich die Lock in Bewegung und wir winken ein letztes Mal Mr und Mrs Weasley durch das Fenster zu, wobei Molly deutlich mit den Tränen zu kämpfen hat und wir nur noch von ihren Lippen ablesen können: "Passt auf euch auf ihr Lieben, ja? Ein schönes Schuljahr!" Dann biegt der Hogwarts Express auch schon um eine Kurve und der Bahnhof Kings Cross ist nicht mehr zu sehen.
Seufzend lehne ich mich in die weichen Polster zurück und betrachte die Landschaft, die schnell an uns vorbei zieht. Dabei muss ich an den gestrigen Tag denken. Nachdem wir alle unsere Einkäufe erledigt haben, trafen wir uns, wie verabredet, vor Florean Fortescues Eissalon. Floreans Sohn erkannte uns sofort, von den Fotos der Zeitungsartikel über die Kriegshelden, und spendierte jedem einen riesigen Eisbecher. Anschließend besuchten wir George in 'Weasleys zauberhafte Zauberscherze'. Trotz seiner überschwänglichen Begrüßung merkte ich ihm seine Trauer sofort an und es dauerte nicht lange, bis bei fast allen die Tränen flossen. Der Schatten von Freds Verlust schwebt immer noch tief über uns. Bei diesem Gedanken zieht sich meine Brust schmerzhaft zusammen und ich sauge scharf die Luft ein. Ich kann mir nicht vorstellen wie es ist, seinen Zwilling zu verlieren, aber ich weiß, dass es keinen Deut besser ist, als seine Eltern zu verlieren. Ich schlucke noch einmal. 'Hermine, reiß dich gefälligst zusammen, du bist eine Gryffindor und eine Gryffindor ist tapfer! Ich werde nicht in der Öffentlichkeit weinen, nein!'
Also versuche ich, mich auf etwas Anderes zu konzentrieren und lasse meinen Blick stattdessen durch das Abteil schweifen. Als ich bei Ron angekommen bin, zucke ich zusammen. Sein Blick haftet regelrecht an mir. Wie lange starrt er mich wohl schon an? Okay, Schluss mit lustig. Jetzt reicht es mir! "Ron, könnten wir vielleicht eben kurz reden, ich meine, unter vier Augen?" Mein Gegenüber wird rot, folgt mir jedoch aus dem Abteil. Ich zische Ginny nur noch schnell ein 'Wir sind gleich wieder da.' zu und dann stehen wir auch schon auf dem Gang. Er ist wie ausgestorben. Man hört nur hier und da Gemurmel, das die verglasten Abteiltüren nicht ganz abschotten können. Ron sieht mich mit nervösem und fragenden Blick an und aus irgendeinem Grund, werde ich auch nervös. Ich merke schon, wie meine Handflächen feucht werden. Doch ich kratze all meinen Mut zusammen und rüste mich für das, was ich gleich sagen werde.
"Hör zu Ronald." Er sieht verdutzt drein, als ich ihn so nenne, aber ich lasse mich nicht beirren. "Mir reicht es langsam, dass wir uns nicht mal mehr richtig in die Augen sehen können, geschweige denn miteinander reden. Ich weiß, es ist viel zwischen uns passiert, aber ich werde meine Meinung nicht ändern. Es tut mir furchtbar leid, aber ich kann einfach keine Gefühle für dich aufbringen, zumindest nicht solche, naja, du weißt schon... Ja, es war dumm, nicht vorher darüber nachzudenken, aber ich vermute, das, was mich zu dir gezogen hat, war der Krieg. In diesem Moment brauchte ich dich einfach mehr als alles Andere. Aber jetzt ist der Krieg vorbei und ich- es tut mir unendlich leid, das musst du mir glauben!", stammele ich. "Aber ich habe keine Lust mehr auf diesen Kindergarten. Ich möchte meinen Freud zurück, meinen besten Freund, denn den erkenne ich nicht wieder. Bitte Ron, rede wieder mit mir. Verzeih mir." Ron sieht mich weiterhin nur stumm an, bis ich schon denke, er würde nie wieder mit mir reden. Ich will mich gerade genervt und zugleich enttäuscht umdrehen, es würde ja eh nichts mehr bringen, da höre ich ihn sprechen: "Hermine, ich- es tut mir auch leid. Du hast wahrscheinlich Recht. Am Anfang war es total schwer für mich. Ich konnte dich einfach nicht ansehen und mit dir reden gleich gar nicht. Jedes Mal hatte ich das Mädchen vor Augen, das ich liebe und doch nie werde haben können. Dennoch habe ich unser Gespräch in den Ferien nicht vergessen. Ich muss zugeben, ich habe bei unserem Kuss auch nicht das gefühlt, was ich erwartet hätte. Ich meine, da war schon ein leichtes Kribbeln, aber es war nicht so stark, wie ich erwartet habe." Er macht eine kurze Pause und ich starre ihn verblüfft an. "Mine, ich habe nachgedacht. Es reicht wahrscheinlich wirklich nicht aus für eine Beziehung. Bitte glaub mir, wenn ich dir sage, dass alles, was ich mir wünsche, ist, meine beste Freundin wieder zurück zu haben." "Oh Ron", schluchze ich und werfe mich in seine kräftigen Arme. In diesem Moment bin ich einfach nur froh, dass wir der gleichen Meinung sind. Ich habe meinen besten Freund wieder und alles wird wieder so wie früher, oder naja, fast so wie früher jedenfalls. Wir sind eben nur älter, vernünftiger und reicher an Erfahrungen.
"Ich störe ja nur ungern diese innige Zweisamkeit, aber muss das sein, hier in der Öffentlichkeit? Weaslebee, geh aus dem Weg und Granger, solltest du dich nicht langsam auf den Weg ins Schulsprecher- Abteil machen? Der Job macht sich nicht von selbst! Komm in die Gänge Schla- Granger.", schnarrt eine bekannte, kühle Stimme an meinem Ohr und ich zucke von Ron zurück, um demjenigen, der zu uns spricht, ins Gesicht zu sehen. Diesmal ist es an mir, rot zu werden und mein Mund klappt, ohne mein Zutun, auf. Ich kann kaum fassen, wer da vor mir steht.
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Wie Licht und Schatten
FanfictionZwischen Leben und Tod zu schweben kann einem ganz schön an die Substanz gehen. Wie ist es wohl, ein Teilzeitgeist zu sein? Ob die Magie da noch etwas bewirken kann? Der kleine Sam reist mithilfe eines Zeitumkehrers in die Vergangenheit, um sein Le...