Gefangen in der Dunkelheit

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Dracos Sicht

"... Mr Malfoy!" Mist! Da passt man einmal nicht auf und dann passiert natürlich sowas. Fragend schaue ich Professor Pugna, meinen neuen Lehrer für Verteidigung gegen die dunklen Künste, an. Etwas Anderes bleibt mir ja schließlich auch nicht übrig, da ich keinen blassen Schimmer habe, wovon er, bis vor einer Minute, noch gesprochen hat. 

"Sie wissen, denke ich, ganz genau, warum ich Sie aufgerufen habe. Für Träumereien ist in diesem Klassenzimmer kein Platz und ich möchte Sie doch stark bitten, meinem Unterricht zukünftig aufmerksamer zu folgen. Sonst werde ich bedauerlicherweise zu anderen Mitteln greifen müssen und das habe ich keineswegs vor. Wenn Sie also so freundlich wären. Gerade Sie haben es doch nötig, Mr Malfoy!" 

Autsch, das tut weh. Diese dumme Anspielung hätte sich dieser Typ aber auch ruhig sparen können! Von wegen 'Sie haben es nötig'. Wer hat mich denn dazu gezwungen diese Drecksarbeit für den dunklen Lord zu verrichten?! Mein Vater, der hat es nötig! Aber der sitzt ja nun in Askaban.

Mit Zornesröte im Gesicht funkele ich Pugna an, der jedoch nicht einmal mit der Wimper zuckt. Mein Stuhl kracht an die Bank meines Hintermannes, als ich wütend hochfahre. "Was soll das?!", rufe ich, mit deutlich erhobener Stimme. "Sie haben doch keine Ahnung, also sagen Sie mir nicht, ich hätte es besonders nötig." 

"Es reicht Mr Malfoy. Verlassen Sie jetzt meinen Unterricht. Ich erwarte bis morgen Abend ein Schreiben darüber, wie man sich gegenüber einer Lehrkraft zu verhalten hat. Auf Wiedersehen!" Wutschnaubend reiße ich meine Schultasche an mich und stürme, ohne noch ein Wort oder gar einen Blick an meinen Lehrer und den Rest der Klasse zu verlieren, aus dem Raum. Als ich die Tür hinter mir zuknalle, atme ich einmal tief durch und lasse mich neben ihr auf den Boden fallen. Mit geschlossenen Augen empfange ich die willkommene Kühle der Steinmauer an meinem Rücken. 

Aufgeregt durcheinander tuschelnde Stimmen dringen an meine Ohren. Innerlich verfluche ich mich für meine eigene Dummheit. Wie ein hirnvernebelter Teenie habe ich Löcher in die Luft gestiert und über den Kuss mit Granger nachgedacht. Es war der Wahnsinn und ich würde sie gerne wiedersehen. Normal sind diese Gedanken nicht, das weiß ich selbst. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sie sogar als ungesund bezeichnen, aber das wäre echt falsch, denn so hat sich das gestern in der Bibliothek auf gar keinen Fall angefühlt. Trotzdem quälen mich auch Schuldgefühle, weil ich Astoria hintergehe, aber sie muss es ja vorerst nicht wissen, oder? Oh Mann, das ist zum Verrücktwerden! Diese ganze Situation zieht mich gerade einfach nur runter und als dieser dumme Typ von einem Lehrer, dann auch noch auf meine Todesservergangenheit anspielte, ist es einfach mit mir durchgegangen. Bei diesem Thema bin ich immer noch ziemlich empfindlich und so kam für einen Augenblick der alte Draco Malfoy wieder zum Vorschein. Ich habe mich wie der größte Arsch benommen.

Frustriert stütze ich meinen Kopf auf die Knie. Ganz toll gemacht Draco. Gerade erst das Vertrauen vieler Menschen erlangt, um es jetzt mit drei Sätzen wieder zum Einsturz zu bringen. Was für ein Held ich doch bin! Wie soll das denn wieder gut gemacht werden? Jeder hier wird denken, ich habe sie nicht mehr alle. Ich, der verachtenswerte Todesser. Ein Todesser, der in diese dunklen, unzerbrechlichen Bande hineingeboren wurde. So sieht es in meinem Inneren aus, aber wen kümmert schon, wie es in mir aussieht, wenn meine äußere Fassade für so viele nichts, als ein Bote des Todesengels persönlich ist. Gezeichnet vom, wohl meist gefürchtetsten, Symbol. Ein Schädel, so schwarz, wie seine Seele. Eine Schlange, so listig, wie sein Geist. Symbole, die aus einem Menschen mit weißer Weste einen Sündenbock der Gesellschaft machen. Symbole, die von heute auf morgen das Schicksal unzähliger Personen gekehrt haben. Symbole, die das Blatt gewendet und so mein kleines, instabiles Kartenhaus zum Einsturz gebracht haben. Von einem Tag auf den Anderen. Schleichend. 

 Mit zittrigen Fingern ziehe ich langsam, Stück für Stück, den Hemdsärmel meines linken Arms hoch. Da ist es. Schwarz und ekelerregend. Das dunkle Mal. Und wieder sind sie da, diese Bilder. Hermine auf dem Fußboden unseres Salons. Cherity Burbage, wie sie gefesselt über der großen Todessertafel schwebt. Dumbledore, der mit ausgebreiteten Armen, einer Puppe gleich, vom Astronomieturm stürzt. Das alles sind Bilder des Krieges, die mich, wenn sie mich nicht in einer meiner Panikattacken überrollen, in meinen Träumen heimsuchen. 

Verzweifelt und ausweglos, zücke ich meinen Zauberstab und richte ihn auf meinen Arm. Ein brennender Schmerz durchzuckt mich wie hundert glühende Messer. Tränen laufen mir über mein verzerrtes Gesicht und das Salz brennt auf der Haut. Doch kein Laut der Klage verlässt meine Lippen. Immer wieder denke ich an diese eine Beschwörung und halte meinen Stab, mit bebender Hand, aufrecht. Die Haut über meinem Mal wirft feuerrote Blasen und mein Zauber dringt immer tiefer darunter. Mein Adrenalinspiegel steigt und verdrängt den Schmerz in die hinterste Ecke meines Kopfes. Es bereitet mir unheimliches Vergnügen, zu sehen, wie das ekelerregende Symbol unter meinen Augen schmilzt. Und je weiter ich die Grenze der menschlichen Belastbarkeit strapaziere, desto mehr brodelt die Energie in mir, bis ich auch noch meine letzten Reserven ausgeschöpft habe. Das Letzte, was ich mitbekomme, ist eine aufgebrachte Stimme, die meinen Namen ruft und rasant näher kommt. Doch bevor mich die unbekannte Person erreicht, sacke ich bewusstlos auf dem harten Steinboden zusammen.

Ginnys Sicht

Was Hermine mir wohl zu sagen hat? Ich richte mich auf. Die Rinde des Baumes, an den ich gelehnt bin, ist grob und schürft einen Großteil meines Rückens auf. Dazu kommt der eisige Herbstwind, der über den schwarzen See zu mir herüber weht. Der Horizont färbt sich bereits dunkel, doch Hermine ist immer noch nicht aufgetaucht. Das hätte ich ihr echt nicht zugetraut. Ich meine, wir sind beste Freundinnen und die lassen sich niemals im Stich. Meine goldene Uhr, die ich zum 17. Geburtstag von Mum und Dad bekommen habe, sagt mir, dass es bereits kurz vor fünf Uhr ist. Schon seit knapp einer Stunde warte ich hier unten auf die Brünette, doch sie hält es nicht für nötig, aufzutauchen. Schönen Dank auch. Das nächste Mal, lasse ich mir auch Zeit. 

Habe ich mich so in meiner Schwester getäuscht? Ja, Mine ist für mich wie eine Schwester, die ich nie hatte und ich würde sie jederzeit mit Zähnen und Klauen verteidigen, wie eine Löwin. Eigentlich passt das so gar nicht zu ihr. Irgendetwas stimmt da nicht. Mine würde mich doch nie sitzen lassen! Aufgeregt springe ich von der harten Erde auf und renne die Treppen zum Schlossportal hoch. Nach vier Minuten erreiche ich, völlig außer Atem, den Gryffindor Gemeinschaftsraum und bei dem Anblick, der sich mir da bietet, klappt mir der Mund auf.

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Wie Licht und SchattenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt