Hermines Sicht
Ich renne die Gänge Hogwarts' entlang. Wenn ich nur daran denke, dass ich diese dumme Tanzstunde über mein, äußerst spannendes, Buch hinweg völlig vergessen habe, könnte ich mich auf der Stelle selbst ohrfeigen. Aber was würde das schon bringen. Immer rational denken! Völlig außer Atem bremse ich abrupt ab und stütze meine Hände auf die Knie.
Mit einem kurzen Blick auf die Ziffernblätter meiner Armbanduhr, erkenne ich, dass ich zum Glück erst zwei Minuten zu spät bin. Trotz dessen brauche ich einige Sekunden, um mich zu sammeln und nach Luft zu schnappen. Nach einer gefühlten Ewigkeit, die sich schließlich als eine knappe Minute herausstellt, drücke ich mit zitternden Fingern die Türklinke hinunter und trete in das Verwandlungsklassenzimmer ein. Überraschenderweise ist weit und breit keine Spur von Prof. Mcgonagall. Bin ich im falschen Zimmer gelandet? Nein, überall verteilt sitzen die Schüler, die ich eindeutig meinem Jahrgang zuordnen kann, und unterhalten sich wild miteinander. Dass dieser Lärm von draußen nicht zu hören ist, ist echt ein Wunder. Aber ab einer bestimmten Lautstärke wirkt wohl einfach der ganz eigene Zauber der Schule.
Etwas nervös schaue ich mich nach einer getigerten Katze, mit quadratischem Muster um ihre Augen, um. Meine Verwandlungslehrerin ist prädestiniert dafür, als Katze aufzutauchen. Schon im ersten Schuljahr hat sie meinen besten Freunden mit ihrer Animagusgestalt einen gehörigen Schrecken eingejagt. Ich unterdrücke mir ein Schmunzeln. Genau hier war es damals gewesen, als wäre es erst einen Tag her.
Gott sei Dank, ist jedoch auch nirgendswo eine Katze ausfindig zu machen und so gehe ich auf Harry und Ginny zu, die auf einem Pult sitzen. Es kommt mir wie eine Ewigkeit vor, seitdem wir nicht mehr geredet haben. Ginny schließt mich, sobald ich vor ihr zum Stehen gekommen bin, fest in die Arme und auch Harry schließt sich ihr, nach kurzem Zögern, an. Doch mir entgeht nicht, dass er mir dabei nicht in die Augen sieht. Ein mulmiges Gefühl macht sich in meinem Magen breit, aber ich ahne schon, was ihn belastet.
"Hey Harry-", spreche ich in weichem Ton. "Ich nehme es dir nicht übel, dass du den Schnatz nicht gefangen hast! Was kannst du schon für das Wetter. Es ist einfach passiert und du wirst es in den zukünftigen Spielen sicher wieder rausholen." Endlich sieht er auf. "Danke Hermine, das ist wirklich lieb. Dennoch, das ist nicht das Einzige, was mich bedrückt. Es geht um Ron. Ich habe unfreiwillig euer Gespräch vor Kurzem mitbekommen. Ich schwöre, ich hätte nicht gelauscht. Ich meine, ich habe Ron brüllen hören und dann- Tut mir leid, ich hätte nicht zuhören dürfen." sagt er betreten und schlägt beschämt die Lider nieder.
"Ist schon ok. Wir hätten einfach beide mehr Rücksicht auf die Schlafenden nehmen müssen. Entschuldigung, dass du das miterleben musstest. Ich war stinksauer auf Ron, aber wo ist er jetzt eigentlich?" "Keine Ahnung, ich wollte ihn vorhin auf euer Gespräch ansprechen. Du weißt, dass ich es schon immer gehasst habe, wenn ihr euch streitet, aber ich sehe auch ein, dass er diesmal zu weit gegangen ist. Nach dem Spiel habe ich ihm gedroht, ihn aus der Mannschaft zu werfen, wenn so etwas nochmal vorkommt. Seither hat er mich nur vollgemotzt und ich bin mit Ginny hierher gekommen. Wir warten schon etwas länger."
Bei seinen nächsten Worten, krampft sich mein Magen schmerzhaft zusammen. "Da fällt mir ein, ihr habt da über etwas, zwischen dir und einem Jungen, geredet. Was läuft zwischen dir und M-" Ich spüre Ginnys neugierigen Blick auf mir und bevor ich mich, mit einem warnenden Blick, an Harry richten kann, kommt mir unsere Hauslehrerin zu Hilfe. Ich schüttele noch einmal energisch den Kopf in Harrys Richtung und er scheint, verstanden zu haben, denn er zieht nur fragend seine Augenbrauen hoch, schweigt aber weiterhin.
Nach Prof. McGonagall betritt Filch, mit einem riesigen Grammophon, den Raum und stellt es ächzend auf dem Lehrerpult ab. Die ältere Dame hätte ihm ohne Mühe die Arbeit, mit einem einzigen Schlenker ihres Zauberstabes, erleichtern können, jedoch weiß jeder, dass sie den Squib, seitdem er dieser Umbridge- Kröte hinterhergeschwänzelt ist, noch weniger leiden kann. Und keinen scheint das auch nur im Mindesten zu stören. Selbst mein Mitleid hält sich stark in Grenzen.
Plötzlich wird die Tür krachend an die Wand geschlagen und im Rahmen steht ein aufgewühlter Rotschopf. In mir breitet sich Kälte aus. Seinen Wutausbruch habe ich ihm, trotz seines betrunkenen Zustandes, noch nicht verziehen. Auch Harrys und Ginnys Blicke spiegeln ein wenig meiner Abneigung wieder.
"Ah, Mister Weasley. Schön, dass Sie uns, mit Ihrer Anwesenheit, beehren. Sie haben Glück, dass auch ich erst vor wenigen Augenblicken gekommen bin. Dennoch hätten Sie bereits vor zehn Minuten hier sein müssen, denn ich wäre pünktlich gewesen, wenn es da nicht ein Problem mit dem Finden des Grammophons gegeben hätte." Mit diesen Worten bedenkt sie den Hausmeister mit einem Blick der ganz üblen Sorte. In seiner Haut möchte ich nicht stecken. Die großgewachsene Dame fährt, an Ron gewandt, fort. "Aber da Sie nun einmal hierher gefunden haben, können Sie mir, und natürlich auch allen Anderen, gleich die Ehre erweisen, zu zeigen, wie gut Sie tanzen können Mr Weasley. Kommen Sie, kommen Sie!"
Ich lache und dabei bin ich nicht allein. Schließlich weiß jeder, dass ein blinder, schrumpfhörniger Schnarchkackler besser tanzen kann, als Ron. Und, dass es ihn nicht einmal gibt, sagt genug, denke ich. Unter Grinsen und belustigtem Beifall geht der schlaksige Junge, mit gequältem Gesichtsausdruck, in die Mitte des Raumes und legt, auf Geheiß der Professorin, seine Hand an ihre Hüfte. Immer noch lachend, erinnere ich mich an unser viertes Jahr in Hogwarts zurück. Da hatte mein damaliger bester Freund bereits zum ersten Mal Bekanntschaft mit MGonagalls Tanzbein gemacht. Wenn die Weasley-Zwillinge ihn jetzt sehen könnten!
Nach einem langsamen Walzer der beiden, im wiegenden Takt der Musik, werden wir aufgefordert, uns zu Paaren zusammen zu finden. Harry und Ginny tanzen natürlich zusammen und Ron hat sich gerade mit hochrotem Gesicht auf Eloise Midgen zubewegt, um mit ihr zu tanzen. Welch Ironie, dabei war es doch ausgerechnet sie, mit der er damals auf keinen Fall zum Weihnachtsball gehen wollte, weil ihre Nase ja nicht ganz mittig sitzt. Seine Meinung hat er anscheinend geändert und auch sie scheint nicht ganz abgeneigt, ihm gegenüber, zu sein. Etwas aufgeregt muss ich feststellen, dass kein Junge mehr frei zu sein scheint, als mir plötzlich ein allzu bekannter Schopf, zwischen den Tanzpaaren, ins Auge sticht, der allein im hinteren Teil des Raumes steht und mich mustert. Mein Magen würde am liebsten eine Kehrtwende machen, doch anscheinend habe ich keine andere Möglichkeit, wenn ich nicht mit mir selbst tanzen will. Und so tief würde ich auf keinen Fall sinken.
--------------------
DU LIEST GERADE
Wie Licht und Schatten
FanfictionZwischen Leben und Tod zu schweben kann einem ganz schön an die Substanz gehen. Wie ist es wohl, ein Teilzeitgeist zu sein? Ob die Magie da noch etwas bewirken kann? Der kleine Sam reist mithilfe eines Zeitumkehrers in die Vergangenheit, um sein Le...