Dracos Sicht
Ich sitze am Slytherintisch und versuche Bissen für Bissen hinunter zu schlucken, doch jeder Einzelne bleibt mir im Hals stecken. Wieder einmal schweift mein Blick zu den Gryffindors hinüber. Mittlerweile habe ich mich an meine kleine Macke gewöhnt, könnte mich aber trotzdem immer noch dafür ohrfeigen. Ich runzele die Stirn. Warum sitzt die Streberin nicht bei Narbengesicht und dem Rotschopf? Ich suche die rote Tafel ab und ganz am Ende sehe ich sie. Meine Augen haben sie gerade gefunden, da springt sie auch schon, wie von der Tarantel gestochen, auf und rennt aus der Halle. Was, beim Barte des Merlin, ist denn in sie gefahren?
Kurze Zeit später stehe auch ich auf. Es würde ja doch nichts bringen, weiter zu essen. Also beschließe ich, durch das Schloss zu laufen. Ich achte nicht darauf, wo ich hinlaufe, sondern setze einfach einen Fuß vor den Anderen. Nach einer Stunde blicke ich vom kargen Steinfußboden auf. Ich brauche kurz, um mich zurecht zu finden, doch dann sehe ich, wo ich gelandet bin. In der Eulerei. Nur wenige Tiere sitzen oben in den Dachgiebeln. Vermutlich sind die Meisten aufgebrochen, um sich Nahrung zu besorgen. Ich würde schließlich auch nicht nur von Keksen leben wollen. Aber was kümmert mich das überhaupt? Ich bin ja schließlich keine Eule.
Plötzlich habe ich den Drang, sie zu sehen. Ich weiß nicht warum, aber dieses Mädchen hat etwas Interessantes an sich, das mich magisch anzieht. So nehme ich mir vor, ihr einen Brief zu schreiben. Schließlich ist die Sonne bereits untergegangen und selbst die letzten Trödler sollten inzwischen fertig mit ihrem Abendessen sein. Mit meiner rechten Hand krame ich, in meiner Schultasche, nach einem Pergament, einer Feder und Tinte. Als ich endlich fündig werde, suche ich mir ein kleines Plätzchen in der Ecke, das nicht mit Eulenmist überseht ist, und mache es mir so bequem wie möglich. Mit Bedacht tunke ich meinen Federkiel in die Tinte und beginne zu schreiben.
Hey Granger,
ich erwarte dich in einer halben Stunde zur Nachtwache. Warte vor dem Gemälde von Sir Cadogan. Wir fangen heute mal oben an.
Malfoy
Ja, das ist ganz passabel. Ich rolle das Pergament zusammen und binde es an das Bein eines braunen Waldkauzes, eine der Schuleulen. Dann stelle ich mich an eine Öffnung im Stein, durch die man eine atemberaubende Sicht auf das Schulgelände hat, und beobachte, wir der Uhu in Richtung Gryffindorturm fliegt. Nach einer viertel Stunde fällt mir wieder ein, dass ich ja eine Verabredung mit der Granger habe. Moment, ich, Draco Malfoy, habe eine Verabredung mit dieser nervigen 'Hermine Miss-ich-weiß-Alles-Granger'?! Das ist ja regelrecht absurd, wie konnte es nur so weit kommen. 'Du hast es doch so gewollt!', sagt eine ungebetene Stimme in meinem Kopf. Ich schüttele ihn kurz, um sie zu verjagen. Lächerlich. Schon der Gedanke an diese 'Verabredung', lässt Zweifel in mir aufkeimen. Doch es stört mich nicht ansatzweise so sehr, wie es eigentlich sollte.
Als ich in den siebten Stock, in der Nähe des Südturms, einbiege, sehe ich das Gemälde von Sir Cadogan. Das fette Pony grast seelenruhig und lässt sich von nichts aus der Fassung bringen, nicht einmal von dem kleinen Mann in Ritterrüstung, der gerade von dessen Rücken gefallen ist. Abgesehen von den grünen Flecken, die nun seine Knie zieren, ist ihm bei dem Sturz auch noch sein Schwert aus der Hand gefallen und nun versucht er vergebens es wieder aus der Erde zu ziehen. Da ihm das nicht gelingt, stürzt er, beschämt, seitlich aus seinem Rahmen heraus und sucht in einem anderen Gemälde Hogwarts' Zuflucht. Ich muss lachen. Das soll ein Ritter sein? Wohl eher einer dieser Clowns, von denen ich mal in einem Buch, in der Bibliothek des Manors gelesen habe. Jap, ich lese Muggelbücher, welch Ironie!
Dann höre ich sanfte Schritte, die direkt auf mich zu kommen. Gerade, als die Granger um die Ecke biegt, fasse ich sie an den Schultern und drücke sie gegen die Wand. Sie sieht mich aus ihren großen Rehaugen an, die immer noch leicht verquollen sind. Hat sie etwa schon wieder geweint?
Hermines Sicht
Fröhliche Stimmen reißen mich aus dem Schlaf. Erschöpft reibe ich mir meine Augen. Was war das denn für ein Traum? Er wirkte so real! Ich fahre mir mit der Hand über meine Wange und Nase, als könnte ich darunter die warme, pochende Stelle fühlen, wo Draco mich geschlagen hat. Unsinn, es ist ja nicht wirklich geschehen. Wie spät ist es? Ich sehe auf meine schmale Muggel-Uhr. Viertel vor Neun. Als die anderen Mädchen im Bad verschwunden sind, will ich mir gerade ein Buch von meinem Nachttisch angeln, da pocht ein brauner Waldkauz mit dem Schnabel an das Fenster. Als ich ihm öffne, hopst er herein und streckt mir sein Bein hin. Zu meinem Erstaunen ist die kleine Rolle an mich adressiert. Ich nehme sie dem Uhu ab, welcher sofort wieder in die Dunkelheit verschwindet und entrolle das Pergament. Erst nach mehrmaligem Lesen der Nachricht, realisiere ich, was darin steht. Mein Herz macht einen Sprung, ich habe tatsächlich eine Verabredung mit Draco Malfoy. Ich ziehe mir meine Schuhe und meinen Umhang an und betrachte mein Spiegelbild an der Innenseite meines Kleiderschrankes. Dann sage ich Ginny Bescheid, wo ich hingehe, mit wem, lasse ich dabei einfach aus, und mache mich langsam auf den Weg in den siebten Stock. Dort angekommen, werde ich gewaltsam gegen die kalte Wand gedrückt. Ich keuche, als ich in ein Paar grauer Augen sehe. Es ist doch wirklich nur ein Traum gewesen, oder?!
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Fröhlichen Valentinstag! An alle Singles ein kleines Ständchen:
"Seine Augen so grün, wie frisch gepökelte Kröte.
Sein Haar so schwarz wie Ebenholz, ich wünscht er wär' mein!
Denn göttlich muss sein, der die Macht des dunklen Lords schmolz."
Na Potterheads, wer kennt's? ;D
Das war das 15. Kapitel. Viel Spaß beim Lesen! <3
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Wie Licht und Schatten
FanfictionZwischen Leben und Tod zu schweben kann einem ganz schön an die Substanz gehen. Wie ist es wohl, ein Teilzeitgeist zu sein? Ob die Magie da noch etwas bewirken kann? Der kleine Sam reist mithilfe eines Zeitumkehrers in die Vergangenheit, um sein Le...