Folgenschwere Verwechslung

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Hermines Sicht

Mit leerem Blick schaue ich rauf an die Decke. Ich liege in meinem Bett und meine Armbanduhr sagt mir, dass es mittlerweile schon halb elf ist. Die Frühstückszeit ist längst vorbei, aber ich kann mich einfach nicht dazu überwinden, aufzustehen. Mein rotes Ballkleid hängt an der Außenseite meines Schrankes. Wie unangenehm es doch war, wie Astoria Greengrass' Doppelgängerin auszusehen. Sie schien auch alles andere als begeistert zu sein. Wenn Blicke töten könnten. Ich seufze. Die Erinnerungen, an den vergangenen Abend, überschwemmen mich wie eine Flutwelle. Zum Glück bin ich allein im Schlafsaal, denn ich brauche einfach Zeit um das gestrige Geschehen zu verdauen. Er hat gesagt, ich sehe schön aus und dabei klang er so aufrichtig wie noch nie. Und diese Tänze. Ich habe mich gefühlt, wie eine Prinzessin. Doch dann kam Astoria. In diesem Moment hätte ich sie verfluchen können, aber selbst wenn, sie ist immer noch Dracos Verlobte. Ja, Draco, das klingt viel schöner als Malfoy! Und er hat mich Hermine genannt. Wieder seufze ich auf. Was ist das zwischen uns? Egal, wie oft ich mir diese Frage stelle, ich finde einfach keine Antwort.

Plötzlich zieht sich mein Herz krampfhaft zusammen. Der Abend gestern hatte nicht nur seine positiven Seiten. Klar, McGonagalls Idee mit dem Zunge-Fessel-Fluch war durchaus gut, aber es hat uns kein Stück näher gebracht. Die Greengrass war so eifersüchtig auf mich und hat direkt eine Szene gemacht. Innerlich habe ich gehofft, Draco würde sie wegschicken, aber das tat er natürlich nicht. Wieso sollte er auch? Also habe ich mich in eine Ecke verzogen, wo gemütliche, jedoch zum Ambiente passende, Sessel standen. Frustriert beobachtete ich diesen einen besonderen Jungen, der nun schon etwas angetrunken war. Immer ausgelassener tanzte er mit seiner Verlobten und der Neid bohrte sich durch alle Zellen in meinem Körper.

Dann kam endlich die perfekte Gelegenheit. Zabini hat Astoria zu einem Tanz überreden können und zog sie in die Mitte der Tanzfläche. Genau zu diesem Zeitpunkt verkündete die Schulleiterin, es sei Zeit für die Damenwahl. Zum Glück lies der dunkelhäutige, junge Mann seine neue Tanzpartnerin nicht aus seinen Fangen und so war meine Chance gekommen. Ich erinnere mich haarscharf daran, wie ich auf den Blonden zugegangen bin. Als er mich sah, zog er mich ganz nah an sich heran. Seine Augen waren glasig vom Elfenwein und Feuerwhisky. "Ich habe dich vermisst!", raunte er mir mit seiner tiefen, kehligen Stimme ins Ohr. War das sein Ernst? Doch als ich ihm ungläubig in die Augen sah, wieteten sich die Seinen. Unsanft stieß er mich von sich und schaute mich verwirrt an. Ich kam gar nicht dazu, ihn zu einem Tanz aufzufordern, als er auch schon begann, sich zu rechtfertigen. "Sorry, ich dachte, du bist Tori. Was willst du von mir? Ich denke, du solltest jetzt lieber gehen, ich will nicht wieder Ärger mit meiner Verlobten bekommen!" Seine Miene war dabei so frostig, dass meine Kehle anfing, zu brennen. Schnell raffte ich mein Kleid hoch und rannte aus der großen Halle. An dieser Stelle war der Ball für mich gelaufen.

Für Dean tut es mir unendlich leid. Er hat mich völlig perplex angeschaut, als ich mit Tränen in den Augen, an ihm vorbei gestürmt bin. Heute muss ich mich unbedingt bei ihm entschuldigen. Genug Trübsal geblasen. Jetzt ist keine Zeit, um in Selbstmitleid zu versinken. Weihnachten rückt immer näher und in letzter Zeit habe ich meine schulischen Leistungen komplett vernachlässigt.

Dennoch gleiten meine Gedanken immer wieder zum gestrigen Tag zurück. Doch nicht nur zum Ball, nein, auch zu unserem Wellnesstreffen. Und auf einmal fällt mir das Geräusch am See unten wieder ein. Irgendetwas war da gestern, auch wenn ich es nicht sehen konnte. Ich habe einfach zu viel erlebt, um diesen knackenden Zweig dem Wind, oder irgendeinem anderen sinnlosen Hirngespinst zuzuordnen. Die Szene von der Nacht, in der ich mich so stark mit Ron gestritten habe, schießt mir wieder in den Kopf. Auch damals stand jemand direkt hinter mir. Kann man denn in Hogwarts nicht mal ein ruhiges Jahr verbringen. Doch vermutlich ist es schon vorprogrammiert, dass man Ärger wie magisch anzieht, wenn man Harry Potter, Hermine Granger oder Ron Weasley heißt, denke ich mir, und schüttele sarkastisch meinen Kopf. Ich hatte noch nie Probleme mit der Schule, aber diese ganzen Geschehnisse mit Draco und dieser Ungewissheit lenken mich nur unnötig ab und damit ist jetzt Schluss. Ohne groß darüber nachzudenken, beschließe ich, aufzustehen, mich aufrichtig bei meinem Tanzpartner zu entschuldigen und anschließend in die Bibliothek zu gehen, um etwas für die UTZs zu büffeln. Ich bin dieses Jahr eh schon ziemlich spät dran.

Eine dreiviertel Stunde später sitze ich in der Bibliothek. Dean ist zum Glück nicht sonderlich sauer gewesen und mit gefülltem Magen bin ich nun bereit für eine Menge Lernstoff. Zuvor habe ich Winky in der Küche besucht und sie um etwas Toast gebeten. In diesem Zusammenhang bekam ich direkt die Chance, ihr die pralle Tüte mit unzähligen Sockenpaaren zu schenken, woraufhin ihr die Tränen kamen, so gerührt war sie. Die kleine Elfe ist daraufhin sofort schniefend, aber geschäftig umhergewuselt und hat mir ein ganzes Frühstück zusammengestellt. Währenddessen habe ich angeregt mir ihr geplaudert. Aus irgendeinem Grund schien sie sich stark für den Ball zu interessieren, doch ich beantwortete geduldig ihre Fragen.

Nun brüte ich über meinem dicken Wälzer "Zaubertränke für Fortgeschrittene". Diese Prüfungen würden sicherlich besonders anspruchsvoll werden.

"Granger", reißt mich eine kalte Stimme aus meinen Gedanken und lässt mich zu Eis erstarren.

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Wie Licht und SchattenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt