Das beste Geschenk von allen

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Hermines Sicht

Relativ früh wache ich auf und starre an die Zimmerdecke. ziehe mir meinen Weasley- Pulli über und steige in meine Pantoffeln. Heute Nacht bin ich schonmal aufgewacht, weil ich wieder einen dieser Alpträume hatte, aber Ginny hat mich getröstet und mich, mit zu ihr, ins Bett huschen lassen. Danach bin ich relativ schnell wieder eingeschlafen, aber heute früh hatte ich einen merkwürdigen Traum von Malfoy.

Ich sitze in der Bibliothek und lerne, als jemand von hinten an mich herantritt und mir, mit einem Entwaffnungszauber, das Buch wegnimmt. Entrüstet wirbele ich auf meinem Stuhl herum, um meinem Angreifer ins Gesicht sehen zu können. Vor mir steht Draco und aus irgendeinem Grund will ich einfach nur zu ihm und seine Lippen auf Meinen spüren. Sein Gesichtsausdruck ist unergründlich, aber ich halte mich nicht lange damit auf, diesen zu enträtseln. Immer näher trete ich an den blonden Mann heran, bis uns nur noch wenige Millimeter trennen. Gerade als ich mich zu dem Slytherin hoch beuge, um ihn zu küssen, hält er mir eine einzelne, dunkellila farbene Blüte unter die Nase und fragt mich: "Was riechst du?" Sofort umströmt mich wieder der Geruch von Pergament, frisch gemähtem Gras und Zahnpasta. Doch all das wird von dem, durch die Blume verstärkten, Duft übertönt, der von Malfoy selbst ausgeht. "Sag schon Granger!", reißt mich der Junge aus meiner Trance. "Ich- ich rieche-" Seufzend schlage ich meine Lider nieder. "Tut mir leid, ich kann es dir einfach nicht sagen." Nun tritt Malfoy noch näher an mich heran, sodass sich unsere Körper an einigen Stellen berühren, und genießt, schadenfroh grinsend, meine Reaktion. Meine Augen sind geschlossen und ich atme tief. Verdammt, er weiß ganz genau, welchen Einfluss er auf meinen Körper hat und das nutzt er schamlos aus. "Wusste ich es doch!", dringt seine schnarrende, und vor Selbstgefälligkeit triefende, Stimme an mein Ohr. "Soll ich dir auch sagen, was ich rieche?" Er entzieht mir die Belladonna-Blüte und schnuppert nun selbst an ihr. "Hm- da ist so ein pudriger Geruch. Ja, jetzt rieche ich es eindeutig, Rose und noch etwas." Draco hält kurz inne. " Es ist, glaube ich, Vanille. Na Granger, weißt du was das heißt?" Mit jedem Wort wurde sein Grinsen breiter und der Kloß in meinem Hals dicker. Natürlich weiß ich was das heißt, schließlich weiß ich ja, dass ich nicht einmal ansatzweise nach Rose und Vanille rieche. Erst jetzt merke ich, dass einige Tränen meinen Augenwinkeln entkommen sind und ohne etwas zu sagen, renne ich aus der Bibliothek, einen lauthals lachenden Draco Malfoy, zurücklassend.

Unwillkürlich schaudere ich, bei dem Gedanken an diesen Traum. Kein Wunder, dass ich so früh munter bin. Obwohl, so wirklich munter kann man das jetzt auch nicht nennen, wohl eher nicht mehr im Tiefschlaf. Ganz vorsichtig, um Ginny nicht zu wecken, lasse ich die wohlige Wärme meines Bettes hinter mir, ich wäre sowieso nicht mehr eingeschlafen, und ziehe mir meinen Weihnachts- Pulli und ein paar dicke Wollsocken über meinen Pyjama. Auf Zehenspitzen verlasse ich das Zimmer und zum Glück schläft meine Freundin fest genug, um nicht von einer knarrenden Holzdiele geweckt zu werden.

Als ich unten in der Küche ankomme, würde ich am liebsten direkt auf dem Absatz kehrtmachen, doch dafür ist es, zu meinem größten Leidwesen, schon zu spät. Denn mir gegenüber steht kein anderer als Ronald Weasley, der mich verblüfft anstarrt und seine Kaffeetasse sinken lässt. Einige Minuten des Stillschweigens vergehen, bis, zu meiner Verwunderung, der Rotschopf, das Wort ergreift. 

"Auch einen?", fragt er und deutet mit der freien Hand auf seinen Kaffee. Ich nicke nur zur Bestätigung und kurz darauf kommt ein Pot dampfenden Kaffees auf mich zugeschwebt. Einen Moment lang verweile ich in dieser Position, gehe dann jedoch vorsichtig zum Küchentisch, an dem ich mich niederlasse. Schweigend sitze ich da und schlürfe mein Getränk, an dem ich mir beinahe die Zunge verbrenne.

Als wir nach einer Viertelstunde immer noch nichts gesagt haben, will ich gerade wieder hoch in mein Zimmer gehen, als Ron mich zurückhält. 

"Hermine-" Mitten im Gehen, bleibe ich, wie versteinert, stehen und drehe mich langsam auf der Stelle. "Tutmirleid.", nuschelt der Weasley- Junge schnell vor sich hin, aber ich verstehe kein einziges Wort. "Wie bitte?" 

Es folgt ein lang gezogener Seufzer. Anscheinend fällt es ihm sehr schwer, auszusprechen, was ihm auf der Zunge brennt. 

"Es tut mir leid." Verblüfft starre ich den Mann vor mir an. "Ich meine alles! Dass ich dich beleidigt und bedrängt habe, und überhaupt, dass ich mich wie das größte Arschloch auf Erden verhalten habe. Selbst das mit Malfoy tut mir leid, auch wenn ich ihn immer noch nicht, im Geringsten, ausstehen kann. Ich war einfach so eifersüchtig, aber ich weiß, du würdest nie etwas mit dem Frettchen anfangen. Das Problem war, ich wollte dich, auf Teufel komm raus, zurückgewinnen und habe es damit geschafft, dich nur noch weiter von mir weg zu stoßen. Bitte verzeih mir. Ich weiß, dass du nicht die gleichen Gefühle für mich hegst, wie ich für dich, aber mein schlechtes Gewissen wächst von Tag zu Tag und du fehlst mir. Diesmal meine ich es wirklich ernst, ich werde dich zu nichts mehr zwingen, ich möchte einfach nur, dass du mir glaubst und verzeihst. Bitte Hermine!" 

Das Flehen in seiner Stimme ist nicht zu überhören. Den spitzen Kommentar über Malfoy, ignoriere ich gekonnt und konzentriere mich stattdessen auf Rons Mimik. Kein Schatten oder sonstiges Anzeichen für eine Lüge, zuckt über sein Gesicht. Ascheinend meint er es diesmal wirklich ernst und er will sich mit mir vertragen. 

Kurz überlege ich, ob ich darauf eingehen soll, doch schließlich hat mir Ron auch echt gefehlt und so sage ich: "Ich glaube dir Ronald. Ich sehe dir an, dass du es dieses Mal wirklich ernst meinst, dennoch kann ich dir nicht von heute auf morgen alles verzeihen. Deine Worte haben mich tief getroffen und ich werde meine Zeit brauchen, aber irgendwann, werde ich dir völlig verzeihen und bis dahin könnten wir ja vielleicht daran arbeiten, unsere Freundschaft wieder aufzubauen und vor allem zu festigen." 

Der Rotschopf lächelt mich dankbar an und will gerade zu einer Antwort ansetzen, als eine Stimme, von der Treppe her, zu uns herüber dringt. 

"Das wurde ja auch langsam Zeit. So konnte das schließlich nicht weitergehen. Jedes Jahr gab es mindestens einen Riesenzoff zwischen euch beiden, da war es nur eine Frage der Zeit, bis der nächste vor der Tür steht. Ich wäre wirklich enttäuscht von euch gewesen, wenn ihr euch, nach all dem, was wir zusammen durchgemacht haben, davon hättet unterkriegen lassen. Und jetzt lasst euch drücken, ich bin ja so froh, dass meine besten Freunde wieder miteinander reden!" Mir bleibt nicht die Zeit, auch nur irgendetwas zu sagen, denn schon hat Harry Ronald und mich in eine feste Umarmung gezogen. 

Wir haben uns noch nicht voneinander gelöst, da kommt auch noch Ginny, mit einem kleinen Freuden-Quieker, in die Küche und schleißt sich unserer Gruppenumarmung an.

'Wie in alten Zeiten', geht es mir durch den Kopf und mein Dauergrinsen steckt auch die Anderen mit an. Das ist das beste Weihnachtsgeschenk, was ich hätte bekommen können.

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Wie Licht und SchattenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt