Hermines Sicht
Von einem auf den anderen Moment bin ich völlig allein. Allein mit den Sternen und Gedanken, die sich, zu meinem größten Leidwesen, um einen gewissen blonden Slytherin drehen, der es eigentlich nicht wert ist, dass ich auch nur einen davon an ihn verschwende.
Dennoch starre ich, wie hypnotisiert, auf die obersten Treppenstufen, über die er, vor nicht einmal fünf Minuten, verschwunden ist. Doch tief in meinem Inneren weiß ich, dass diese Trennung endgültig ist. Er wird nicht nochmal zu mir zurückkehren. Weder heute, noch in Zukunft.
Und genau diese Erkenntnis lässt mein Herz, das erst vor wenigen Stunden die Chance hatte, sich von den alten Rissen zu erholen, in abertausende Teile zerspringen. Noch scharfkantiger und kleiner, als zuvor.
In dem Moment, als sich diese Splitter in die übergebliebenen Ruinen meines Herzens und meine Lunge bohren, womit sie mir auch noch die nötige Luft zum Atmen rauben, erlöschen die Sterne und ich ertrinke in der Dunkelheit.
Da wird mir plötzlich erst richtig bewusst, dass der Mensch ohne Licht nicht leben kann. Licht, der Inbegriff von Leben, Friede und Geborgenheit. Doch wenn uns dieser Schatz gestohlen wird, ist zu viel Platz für Angst geschaffen. Die Dunkelheit weißt zu viele Tücken, Gefahren und Geheimnisse auf, als dass man sie durchtrennen könnte. Wo Licht ist, ist auch Schatten. Doch ohne Licht bleiben nur noch Schatten. Schatten die so schwarz sind, dass sie mit der Dunkelheit verschmelzen und sämtliche Glücksgefühle verschlingen.
Und diese Monster der Nacht stürzen nun auf mich ein. Ich kann sie nicht sehen, aber ich weiß, sie sind da und sie sind der Grund für mein Ertrinken.
Kurz darauf, habe ich das Gefühl, tatsächlich zu ertrinken, bis mir bewusst wird, dass das Wasser, meine Tränen sind, die wie in Sturzbächen meine Wangen herunterrollen. Denn hier in der Dunkelheit sieht keiner meine Tränen. Hier in der Dunkelheit bekomme ich die Chance, meine starke, unangreifbare Maske fallen zu lassen, die ich über die letzten Jahre maßgeschneidert aufgebaut habe.
Eine ganze Ewigkeit kauere ich auf dem kalten Boden, auf dem ich irgendwann zusammengesackt sein muss, ohne es gemerkt zu haben, bis mich der Schrei einer Eule aus meiner Apathie reißt und die Sterne wieder zum Leuchten bringt.
In dieses wenige, silbrige Licht gehüllt, erhebe ich mich, um im nächsten Moment an die eiserne Brüstung des Astronomieturms zu treten.
Ich könnte springen und damit all meinen Kummer von mir lösen. Ich könnte springen, um ins Licht zu gehen und somit dieser grenzlosen Dunkelheit zu entfliehen. Ich könnte springen und einfach frei sein. Ich selbst sein und niemand, der abhängig, blind vor Liebe oder gefühlsgesteuert ist.
Und gerade, als ich meinen Fuß auf das Geländer stelle, tauchen vor meinem inneren Auge die Bilder von Harry, Ginny und Ron auf. Und mit ihnen flüstern mir ihre warmen Stimmen zu, ich solle keinen Fehler begehen. Sie würden auf mich warten, denn sie liebten mich. Und diese Liebe, so verschieden sie auch zu der Liebe ist, die ich für Draco empfinde, ist der Anker, an dem ich mich von der Brüstung herunter und bis zum Gemeinschaftsraum der Gryffindors ziehe.
Sams Sicht
Erst lange, nachdem die Schritte der Brünetten verklungen sind, hab ich die Kraft, mich aus meiner Schockstarre zu lösen.
Vor zwei Stunden bin ich hierher gekommen, um meinen Frust auszuweinen. Ich schäme mich nicht dafür, denn ich weiß, es würde jedem so ergehen, der in meiner Haut stecken würde und so gerne ich auch mit jemandem tauschen würde, so wünsche ich gleichzeitig niemandem dieses verfluchte Los.
Das Verschwinden meiner Zehe hat mein Fundament deutlich ins Wanken gebracht und nachdem sich zu dieser auch noch drei Andere gesellten, konnte man die Risse nicht mehr rückgängig machen. Risse, die sich bis in mein Innerstes graben und mich in den Grundfesten meiner Seele zutiefst erschüttern.
Es musste so kommen und das wusste ich von Anfang an, aber dass es so schnell gehen würde, hätte ich niemals für möglich gehalten.
All die Zeit hatte ich ein Ziel, ja, eine Chance und ich wusste immer, ich könnte dieses krankhafte, unkontrollierbare Verhalten meines Körpers vielleicht stoppen, wenn ich Hermine und Draco aneinander binde. Doch dieser Silberstreif der Hoffnung verglühte förmlich, als ich merkte, dass ich den Astronomieturm heute Abend nicht für mich allein haben würde.
Nicht die Tatsache, dass es so war, brachte mich über den Rand der Verzweiflung hinaus, sondern die Tatsache, warum.
Denn während ich mir bei Draco noch keine Sorgen machte, änderte sich dies, als auch noch Hermine hinzu kam.
Als Dad alleine war, war er zwar schon ziemlich aufgewühlt, aber das hätte alle möglichen Gründe haben können, doch zu zweit und dazu noch mit seiner Liebe, ist es etwas ganz anderes. Und diese böse Vorahnung bewahrheitete sich im Laufe des Gesprächs.
Meine Hoffnungslosigkeit und der Gefühlumsturz in meinem Herzen lässt sich nicht beschreiben, aber diese Trennung von Hermine und Draco war das Puzzleteil, was mir noch fehlte, um zu realisieren, dass mein Problem immer dann auftritt, wenn ich besonders aufgewühlt bin, allen voran, wenn es um meine Eltern geht.
Jedes Mal aufs Neue, will ich nach dem Rettungsring greifen, doch je öfter ich es versuche, desto weiter treibt er von mir weg. Und jedes einzelne, verdammte Mal, verliere ich einen Teil von mir selbst. Wortwörtlich.
Diesmal war es mein rechtes Ohr. Ich habe es gespürt, bevor es komplett verschwand und ebenso wusste ich schon vorher, dass es genauso wenig zurück kommen wird, wie Draco zu Hermine.
Dieses Ende zwischen Gryffindor und Slytherin bedeutete nicht nur das Ende einer Liebe, sondern auch meines.
Und kaum hat sich dieser Gedanke in meinem Hirn gebildet, wurde mir klar, dass es auch das Ende einer anderen, einzelnen Person hätte werden können, und zwar ganz bald, wenn ich nicht sofort einschreiten würde.
Wie in Trance erhob ich mich, um mich von der Säule abzustoßen und in den Halbschatten zu treten. Denn hätte ich nichts unternommen, hätte ich mit ansehen müssen, wie sich Hermine in den Tod stürzt!
Mit zitternden Knien wollte ich auf sie zugehen, um sie von der Brüstung wegzuziehen. Ihr Fuß lag bereits auf dem Geländer und mit jedem Millimeter, den sie ihren Körper näher in Richtung freien Fall schob, gewannen meine Handinnenseiten an Feuchtigkeit hinzu. Schweiß tropfte seitlich an meinem Kopf entlang, aber zu meinem Entsetzen war mein Körper zur Salzsäule erstarrt, denn ich konnte weder einen Muskel rühren, noch einen Laut von mir geben.
Wenn ich es nicht besser wüsste, hätte ich gesagt, ich wurde verhext, doch das machte keinen Sinn. Und, dass ich kurz darauf endlich wieder normal atmen konnte, verlieh dieser Vermutung Nachdruck.
In Schocksituationen kann der Körper manchmal seinen Dienst versagen und einfach abschalten. Und genauso erging es mir in diesem Moment.
Umso besser ist es, dass sich meine Mom anscheinend für das Leben und gegen den Sprung in den Tod entschieden hat. Denn ich hätte ihr nicht helfen, sondern nur tatenlos dabei zusehen können. Und allein das macht mir eine Haidenangst. Denn niemand sollte auch nur daran denken, das Kostbarste, was einem geschenkt wurde, einfach wegzuwerfen.
Gerade, als ich zu ihr rennen wollte, um sie in die Arme zu schließen, hastete sie jedoch an mir vorbei, ohne mich auch nur im geringsten zu bemerken.
Wie gesagt, ein großer Schock kann den Menschen zu einer Maschine machen, die nicht fähig ist, eigene Entscheidungen mit klarem Verstand zu treffen.
Und ich befürchte, genau zu solch einer Maschine werde auch ich in naher Zukunft mutieren, denn er wird von diesem Vorfall zwischen Draco und Hermine erfahren wollen. Und wenn er es erfährt, sollte sich niemand, wirklich niemand, in seiner Nähe aufhalten.
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Wie Licht und Schatten
FanfictionZwischen Leben und Tod zu schweben kann einem ganz schön an die Substanz gehen. Wie ist es wohl, ein Teilzeitgeist zu sein? Ob die Magie da noch etwas bewirken kann? Der kleine Sam reist mithilfe eines Zeitumkehrers in die Vergangenheit, um sein Le...